Kathar­sis der Mensch­heit


Ein langer Weg, der gewunden durch eine steinige Landschaft führt, über den Horizont hinaus, ins blendende Licht hinein.

Kathar­sis der Mensch­heit: Durch Leid zur Erkennt­nis

Die Ent­wick­lung der Mensch­heit wird erst dann Vor­rang vor natio­na­ler Iden­ti­tät haben, wenn wir unser Ver­hal­ten grund­le­gend ändern.

Die Mensch­heit befin­det sich seit Jahr­tau­sen­den in einer per­ma­nen­ten Kathar­sis, einem Rei­ni­gungs­pro­zess. Wir sind damit beschäf­tigt, unse­re archa­isch-pri­mi­ti­ven Gewohn­hei­ten zu über­win­den, indem wir sie aus­le­ben.

Es fehlt uns jedoch ein gemein­sa­mes Bewusst­sein, das uns zur Erkennt­nis und damit zu ech­tem Wan­del füh­ren könn­te. Wäre ein sol­ches Bewusst­sein vor­han­den, wür­den wir uns anders ver­hal­ten. Ein­zel­ne Men­schen sind zu sol­chem Wan­del fähig, doch auch sie sto­ßen oft an Gren­zen. Unser tie­ri­sches Erbe wirkt fort: Betrug, Raub, Gewalt und ande­re destruk­ti­ve Hand­lun­gen blei­ben Teil unse­res Daseins.

Natür­lich ver­hal­ten wir uns nicht alle so – viel­leicht noch nicht ein­mal die Mehr­heit – doch die es tun, beein­flus­sen oder bestim­men das all­ge­mei­ne mora­li­sche und ethi­sche Kli­ma in den Gesell­schaf­ten und der Welt.

Archai­sche Trie­be im moder­nen All­tag

Wir müs­sen drin­gend erken­nen, dass der Nach­teil ande­rer Men­schen nicht unser Vor­teil, son­dern auch unser Nach­teil ist. Die­se Erkennt­nis ist zum gegen­wär­ti­gen Ent­wick­lungs­stand der Spe­zi­es Mensch nur Ein­zel­nen mög­lich, denn unse­re archai­schen Wesens­an­tei­le sind noch hoch und beein­flus­sen unser Han­deln und Den­ken mehr, als uns bewusst ist.

Kon­kur­renz­den­ken und Über­le­bens­wil­le (der die Fort­pflan­zung mit ein­schließt) sind die haupt­säch­li­chen Beweg­grün­de für unser all­täg­li­ches Han­deln. Über­le­bens­wil­le ist ein natür­li­cher Trieb. Aller­dings leben wir ihn zu Tei­len immer noch so aus wie einen Über­le­bens­kampf in einer lebens­feind­li­chen Umwelt. Doch die ist längst nicht mehr so wie zu prä­his­to­ri­schen Zei­ten.

In der Regel gibt es kei­ne wil­den Raub­tie­re mehr, mit denen wir unse­ren Lebens­raum tei­len müs­sen. Wet­ter und Kli­ma sind kei­ne unbe­re­chen­ba­ren Varia­blen mehr, die unse­ren Lebens­raum jeder­zeit zer­stö­ren kön­nen. Aus­nah­men gibt es natür­lich schon (Flut­ka­ta­stro­phen, Erd­be­ben, Stür­me etc.), doch die sind rela­tiv sel­ten und manch­mal auch auf Nach­läs­sig­keit zurück­zu­füh­ren (bei­spiels­wei­se Fluss­be­gra­di­gun­gen). Und um Nah­rung müs­sen wir auch nicht mehr so uner­bitt­lich kon­kur­rie­ren, wie es frü­her oft der Fall war.

Die Mensch­heit als ler­nen­der Orga­nis­mus

Trotz­dem ver­hal­ten wir uns oft so, als wäre die Welt immer noch eine, in der nur der über­lebt, der stär­ker, raf­fi­nier­ter, lis­ti­ger oder kalt­blü­ti­ger ist. Doch um zu über­le­ben, ist Kon­kur­renz­kampf heut­zu­ta­ge nicht mehr nötig. Wir brau­chen nicht mehr um die glei­chen Res­sour­cen, Nah­rungs­quel­len oder Ter­ri­to­ri­en strei­ten. Wir kön­nen tei­len, denn für jeden ist genug da.

Wir sind zwar ver­nunft­be­gab­te Wesen, doch wären wir das wirk­lich alle, wüss­ten wir, dass es kei­nen Grund mehr gibt, uns so zu ver­hal­ten, wie unse­re tie­ri­schen Gene es uns viel­leicht befeh­len. Das ist natür­lich nur eine Hypo­the­se oder Ver­mu­tung. Sie kann jedoch erklä­ren, war­um unser Ver­hal­ten zum Teil noch das von Stein­zeit­men­schen ist, die aller­dings über moder­ne Waf­fen und Tech­nik ver­fü­gen.

Die Mensch­heit des­halb als krank oder unver­bes­ser­lich zu ver­ur­tei­len, wäre jedoch vor­schnell. Viel­mehr kann man anneh­men, dass der »Orga­nis­mus Mensch­heit« nach bes­tem Wis­sen und Ver­mö­gen han­delt – ver­gleich­bar mit einem Schwarm, der sich lang­sam, aber ste­tig ent­wi­ckelt.

Moral im Macht­kampf: Ein unlös­ba­res Dilem­ma?

Die Mensch­heit ist mora­lisch und ethisch unein­heit­lich. Es gibt fried­li­che und aggres­si­ve, klu­ge und weni­ger klu­ge, bös­ar­ti­ge und wohl­wol­len­de Men­schen. Lei­der drän­gen sich oft jene in den Vor­der­grund, die aggres­siv, kor­rupt oder macht­hung­rig sind. Sie ver­drän­gen fried­li­che und krea­ti­ve Kon­kur­ren­ten mit unfai­ren Mit­teln. So beset­zen sie zen­tra­le Posi­tio­nen in Poli­tik und Wirt­schaft, für die sie häu­fig unge­eig­net sind.

Für ehr­li­che und fai­re Men­schen ist es in einer sol­chen Welt schwie­rig, sich durch­zu­set­zen, ohne ihre Prin­zi­pi­en zu ver­ra­ten. Wer sich anpasst, wird leicht selbst kor­rumpt – und ver­wan­delt sich in das, was er eigent­lich ablehnt.

Kor­rup­ti­on: Die Brem­se der Mensch­heit

Selbst­be­zo­ge­ne Macht­men­schen haben es hin­ge­gen leicht, sich durch­zu­set­zen, denn ihnen ist es egal, Heuch­ler zu sein, selbst wenn die All­ge­mein­heit das weiß. Solan­ge es vor Gericht nicht beweis­bar ist bzw. kei­ne straf­recht­li­chen Kon­se­quen­zen hat, stört es sie nicht. Sie behaup­ten offi­zi­ell, sich für das Wohl der Gesell­schaft oder der Men­schen ein­zu­set­zen. Das müs­sen sie, wenn sie gewählt wer­den wol­len.

Wir glau­ben ihnen das meis­tens zwar nicht wirk­lich, sind aber genö­tigt, es for­mell zu tun oder uns damit abzu­fin­den, da das Gegen­teil nicht nach­zu­wei­sen ist. Das ist ein zusätz­li­cher Fak­tor, der die Wei­ter­ent­wick­lung der Gesell­schaf­ten und der Mensch­heit zu einem so schwie­ri­gen und zähen Pro­zess macht.


ARCHAI­SCHE GEWOHN­HEI­TEN


1 Gedanke zu „Kathar­sis der Mensch­heit“

  1. Zum Wort Kathar­sis:

    Die Kathar­sis (alt­grie­chisch κάθαρσις kát­har­sis = deutsch -> „Rei­ni­gung“) defi­niert sich aus der Tra­gö­die. Das Durch­le­ben von Jam­mer / Rüh­rung und Schre­cken » / Schau­der führt dem­nach zur Rei­ni­gung der See­le. Man spricht in die­sem Zusam­men­hang auch von der Läu­te­rung der See­le.“ ->

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