Bequem­lich­keits­den­ken


In einem idyllischen Wald bei einer Lichtung sitzt in einem hohlen Baum ein Mädchen und spielt mit einer Blume. Vor ihr liegt ein Totenschädel. Vom Baum herab, hängt eine große Uhr, am Baum selbst ist eine Uhr befestigt.

All­tags­ge­wohn­hei­ten

Das, was ich tue, tue ich, weil ich es tun will.

Die­ser Satz klingt ziem­lich tri­vi­al, nicht sel­ten behaup­ten wir jedoch das Gegen­teil. Wir sagen: „Ich hand­le zwar so, aber nur, weil ich es muss.“ Auf unse­re Jobs bezo­gen stimmt das meis­tens auch. Es trifft eigent­lich auf jede Form von Arbeit zu, ob nun in der Fir­ma oder im eige­nen Haus­halt. (Aus­nah­men sind Beru­fe, in denen wir krea­tiv sein kön­nen, also Künst­ler, Wis­sen­schaft­ler etc.)

Oder wir sagen: „Eigent­lich will ich das nicht tun, aber da ich es muss, will ich es auch tun.“ Das ist eine Form von Zweck­op­ti­mis­mus: Wir machen aus einer Not eine Tugend. Von sol­chen Tätig­kei­ten spre­che ich hier jedoch nicht, son­dern nur von denen, die nicht mit dem Attri­but „Arbeit/Job/Broterwerb“ eti­ket­tiert wer­den kön­nen.

Erkennt­nis­ver­mei­dung

Unse­re Bequem­lich­kei­ten wer­den oft von unse­ren Gewohn­hei­ten bestimmt. Es ist bequem, das zu tun und zu den­ken, was wir gewohnt sind. Denn für die meis­ten bedeu­tet Abwei­chun­gen von unse­ren All­tags­ge­wohn­hei­ten Stress und Anstren­gung.

Bequem­lich­keits­den­ken (also das Asso­zi­ie­ren in gewohn­ten Bah­nen) ist ein unter­be­wuss­ter Mecha­nis­mus – wie so vie­les ande­re in unse­rem Leben. Ohne es zu mer­ken, gehen wir auch im Den­ken den Weg des gerings­ten Wider­stan­des, denn das bewegt sich stets in den glei­chen Struk­tu­ren. Es ist schwie­rig bis fast unmög­lich, die­se Rou­ti­nen zu ver­las­sen.

Unlieb­sa­me Erkennt­nis­se ver­mei­den wir durch Ver­ein­fa­chung, Ver­kom­pli­zie­rung, Igno­ranz oder Umdeu­tung. Dabei sind die­se »Erkennt­nis­ver­mei­dungs­tech­ni­ken« nicht beson­ders raf­fi­niert, denn wir sind nicht anspruchs­voll, wenn es dar­um geht, Aus­re­den zu fin­den: Haupt­sa­che, sie funk­tio­nie­ren!

Eigent­lich bräuch­ten wir auch kei­ne, doch da uns unser unkor­rek­tes Ver­hal­ten unter­schwel­lig bewusst ist, sehen wir uns intui­tiv dazu genö­tigt: Wir müs­sen unser poten­zi­ell schlech­tes Gewis­sen beru­hi­gen, damit unser Selbst­täu­schungs­ma­nö­ver dau­er­haft funk­tio­niert. So hal­ten wir die Fas­sa­de vor uns selbst auf­recht. „Wir wür­den ja wol­len, doch wir kön­nen nicht“, ent­schul­di­gen wir unse­re Inkon­se­quenz vor ande­ren und auch vor uns selbst. In Wahr­heit ist es umge­kehrt: Wir könn­ten, wol­len aber nicht, denn es wür­de kei­nen Spaß machen, da es anstren­gend ist.

Auf den nächs­ten drei Sei­ten drei Bei­spie­le für typi­sches Bequem­lich­keits­den­ken: Autos, Fleisch­kon­sum und Kar­ma­glau­be.


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2 Gedanken zu „Bequem­lich­keits­den­ken“

  1. hal­lo micha­el, also wür­dest du sagen wenn ich mich ernied­ri­gen las­se, will ich ernied­rigt wer­den. aber wie­so will ich ernied­rigt wer­den? weil ich mit dem wil­len gebo­ren wur­de nichts wert zu sein, mich zu has­sen? oder es mir bei­gebracht wur­de nichts wert, has­sens­wert zu sein und es jetzt beque­mer für mich ist mich ernied­ri­gen zu las­sen weil ich es nicht gewohnt bin mich respekt- und lie­be­voll zu behan­deln und auch so behan­delt zu wer­den? fazit: ich will gewalt, wie­so? weil ich es will, weil es so beqem=angenehm=erstrebenswert=lebenswert ist ernied­rigt zu wer­den? weil ich es nicht anders gewohnt bin? wie­so meinst du will ein mensch ernied­rigt wer­den obwohl es so ein wie­der­li­ches gewalt­er­leb­nis ist? wie­so will ein mensch nicht geliebt wer­den? weil er’s will befrie­digt mei­ne neugier(gier ist so nega­tiv behaf­tet trotz­dem mag ich die vor­stel­lung vom neu­gie­ri­gen kind, naja weni­ger die des neu­gie­ri­gen pene­tran­ten nachbarn)/ wis­sens­durst nicht. bin sehr gespannt auf dei­ne ant­wort :)

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    • Hal­lo Wer ich wir,

      ich weiß jetzt nicht, ob ich irgend­wo geschrie­ben habe, dass ich mei­ne, wir wür­den uns ger­ne ernied­ri­gen las­sen, zumin­dest nicht auf der Sei­te „Bequem­lich­keits­den­ken“. Viel­leicht liest du das aber zwi­schen den Zei­len her­aus, oder inter­pre­tierst es so – viel­leicht ist die­ser Gedan­ke aber auch ein neu­er Gedan­ke, der von dir kommt. Des­we­gen auf jeden Fall erst mal dan­ke für die­se Anre­gung. Es ist mit Sicher­heit ein kom­ple­xes The­ma.
      Mit „bewusst hin­ge­nom­me­ner oder gewoll­ter Ernied­ri­gung“ habe ich mich bis­her noch nicht beschäf­tigt. Mei­ne ers­te Asso­zia­ti­on dazu ist: Wenn sich jemand ernied­ri­gen lässt, dann bestimmt nicht, weil er dar­auf steht, ernied­rigt zu wer­den. Außer, er ist viel­leicht maso­chis­tisch ver­an­lagt und dann ist auch noch die Fra­ge, was Maso­chis­mus eigent­lich ist. Aller­dings unter­wer­fen sich man­che Men­schen gern. Unter­wer­fung ist der Ernied­ri­gung zwar ähn­lich, aber trotz­dem qua­li­ta­tiv etwas ande­res. Unter­wer­fung wird nor­ma­ler­wei­se belohnt (man unter­wirft sich einem Herr­scher, einem Dik­ta­tor oder einer Dok­trin etc.) und erhält als Gegen­leis­tung bei­spiels­wei­se einen eige­nen Macht­be­reich in der Hier­ar­chie.
      Es kommt viel­leicht auch noch dar­auf an, was man per­sön­lich unter Ernied­ri­gung ver­steht oder emp­fin­det. Man­che Men­schen glau­ben, das Ernied­ri­gung zum Leben dazu­ge­hört und emp­fin­den ihre eige­ne Ernied­ri­gung dann gar nicht als Ernied­ri­gung, son­dern viel­leicht als Stra­fe, die sie ver­dient haben. Bei streng­gläu­bi­gen Men­schen ist es viel­leicht so. „Du bist nichts und Gott ist alles“. Frü­her (und zum Teil bestimmt auch heu­te noch) war die Mei­nung weit ver­brei­tet, dass der Mensch als sol­cher sünd­haft oder schlecht ist, sodass man schon froh war, wenn man am Leben gelas­sen wur­de. Ernied­ri­gung gehör­te zum Leben dazu, wenn man nicht zufäl­lig dem Adels­stand ange­hör­te.

      Ich glau­be nicht, dass wir „mit dem Wil­len, nichts wert zu sein“, gebo­ren wer­den. Wenn jemand so von sich denkt, dann des­halb, weil er so kon­di­tio­niert wur­de. Das geht ganz ein­fach: Ver­prü­ge­le ein Kind bei jeder Gele­gen­heit, beschimp­fe und bespu­cke es und frü­her oder spä­ter wird es viel­leicht den­ken, dass es tat­säch­lich nichts wert ist und die Ernied­ri­gung ver­dient hat. Wenn Men­schen es also bewusst hin­neh­men, ihr Leben lang ernied­rigt zu wer­den, dann eher aus Resi­gna­ti­on, Hilf­lo­sig­keit und Angst. Es ist ein Über­le­bens­me­cha­nis­mus und erin­nert mich an das soge­nann­te Stock­holm­syn­drom.
      Und soll­te jemand tat­säch­lich dar­auf ste­hen, ernied­rigt zu wer­den, dann wür­de ich das als Krank­heit bezeich­nen. Aber ich glau­be, das kommt sel­ten vor.

      Du schreibst: „Wie­so meinst du, will ein Mensch ernied­rigt wer­den (…)? Aber das habe ich nie geschrie­ben! Wenn ich schrei­be: „Aber in Wirk­lich­keit mögen wir die Gewalt“, mei­ne ich natür­lich die Gewalt, die Men­schen ande­ren Men­schen antun, und nicht die Gewalt, die uns ange­tan wird. Habe ich mich da viel­leicht miss­ver­ständ­lich aus­ge­drückt? Wenn ja, wer­de ich das ändern.
      Oft recht­fer­ti­gen wir unse­re Gewalt­tä­tig­keit, indem wir behaup­ten, dass wir dazu gezwun­gen sind (wenn wir Kin­der ver­prü­geln oder Frau­en schla­gen), doch das ist nur eine Aus­re­de, denn aggres­si­ve Gewalt (im Gegen­satz zur defen­si­ven Gewalt) ist nie­mals nötig.

      Ich ver­mu­te inzwi­schen immer mehr, dass du mei­nen Text falsch inter­pre­tiert hast, denn ich schrei­be auch nicht, dass Men­schen nicht geliebt wer­den wol­len. Selbst wenn ein Mensch das von sich behaup­ten soll­te, ist das wahr­schein­lich nur eine Schutz­be­haup­tung, weil er nicht zuge­ben kann, das er geliebt wer­den will.

      Übri­gens: Wenn ich von „wir“ rede, mei­ne ich natür­lich nicht dich oder mich oder uns alle. Ich unter­stel­le natür­lich nicht jedem Men­schen, dass er gewalt­tä­tig ist. Mit „wir“ mei­ne ich uns Men­schen im All­ge­mei­nen, nicht im Spe­zi­el­len.

      Soll­te ich mich also an eini­gen Stel­len miss­ver­ständ­lich aus­ge­drückt haben, wür­de ich mich freu­en, wenn du mir die­se Stel­len nennst. Ich wer­de die­se Stel­len dann ent­spre­chen über­ar­bei­ten.

      Gruß
      Micha

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