Media­le Gewalt


Gewalt in unse­ren Medi­en

Unse­re Medi­en sind voll­ge­packt mit der Dar­stel­lung und Schil­de­rung von Gewalt. Fil­me, in denen es kei­ne Gewalt­sze­nen gibt, sind sel­ten kom­mer­zi­ell erfolg­reich. Des­we­gen gibt es ver­mut­lich auch in Fil­men, die kei­ne Action­fil­me sind (also rei­ne Komö­di­en), trotz­dem eini­ge Gewalt­sze­nen (bei­spiels­wei­se Schlä­ge­rei­en), auch wenn sie nicht exzes­siv sind, denn voll­kom­men gewalt­freie Fil­me ver­kau­fen sich eher schlecht.

Ohne Zwei­fel liegt das dar­an, dass die Welt mit Kon­flik­ten und Aus­ein­an­der­set­zun­gen der unter­schied­lichs­ten Arten durch­wach­sen ist. Aus die­sem Grund wäre es unrea­lis­tisch, gäbe es in unse­ren Fil­men und Geschich­ten kei­ne Gewalt.

Je mehr Blut, des­to erfolg­rei­cher

Rei­ne Action­fil­me, in denen es haupt­säch­lich dar­um geht zu zei­gen, wie Men­schen ande­re Men­schen zusam­men­schla­gen, erschie­ßen, tot­schla­gen, zer­stü­ckeln, fol­tern, in die Luft spren­gen etc., sind in der Regel die erfolg­reichs­ten. Je mehr Blut spritzt, Kör­per zer­fetzt und zer­ris­sen wer­den und je mehr Lei­chen es gibt, des­to bes­ser. Und je rea­lis­ti­scher und bru­ta­ler das alles dar­ge­stellt wird, umso erfolg­rei­cher sind die­se Fil­me an der Kino­kas­se. Wir sehen halt ger­ne aus der Distanz zu, wenn ande­ren Men­schen schlim­me Din­ge ange­tan wer­den. Im anti­ken Rom wur­de die­ser Brauch exzes­siv betrie­ben und war ein belieb­ter Zeit­ver­treib.

Beson­ders deut­lich zei­gen das unse­re Zom­bie­fil­me. Hier dür­fen wir hem­mungs­lo­se und mas­sen­wei­se Men­schen abknal­len, die Köp­fe weg­schie­ßen oder abschla­gen, zer­stü­ckeln oder zu Brei zer­man­schen, denn die­se Per­so­nen gel­ten bereits als tot (obwohl sie eigent­lich noch leben, sonst könn­ten sie schließ­lich nicht her­um­lau­fen).

Des­halb haben wir noch nicht ein­mal theo­re­tisch ein schlech­tes Gewis­sen beim Genie­ßen von die­ser Fil­me. Kaum jemand stört sich an die­sen exzes­si­ven Blut­or­gi­en oder fin­det sie ekel­haft und absto­ßend.

Wider­sprüch­li­che Fas­zi­na­ti­on an Gewalt und Zer­stö­rung

Natür­lich ist die Gewalt in unse­ren Fil­men nur gespielt. Doch im Wesent­li­chen kommt es dar­auf nicht an, denn wer schreck­li­che Din­ge nicht mag, soll­te auch deren Dar­stel­lung nicht mögen.

Das, was wir nicht mögen, schau­en wir uns nicht an (außer es gehört zum Job). Die Musik, die uns nicht gefällt, hören wir nicht (außer, es gehört zum Job). Und Spei­sen, die uns nicht schme­cken, essen wir nicht (außer, wir sind extrem hung­rig).

Da uns die Dar­stel­lung von bru­ta­ler Gewalt also nicht abschreckt oder ver­jagt, zeugt das davon, dass wir nichts gegen sie haben – solan­ge wir selbst davon nicht betrof­fen sind.

Unse­re Gewalt­dar­stel­lung ist sogar oft detail­rei­cher als in der Wirk­lich­keit: Sie wird kunst­voll und auf­wen­dig per­formt. Die Zur­schau­stel­lung des Tötens von Men­schen muss dra­ma­tisch und gut insze­niert sein, wenn sie uns befrie­di­gend unter­hal­ten soll. Es gefällt uns, in der Groß­auf­nah­me zu sehen, wie Kör­per zer­ris­sen, Köp­fe abge­schla­gen wer­den und Blut­fon­tä­nen in die Höhe sprit­zen – und das oft in Zeit­lu­pe, damit bloß kein Detail ver­lo­ren geht.

Gewalt in Com­pu­ter­spie­len

Ähn­lich ver­hält es sich bei unse­ren Com­pu­ter­spie­len. Soge­nann­te Stra­te­gie­spie­le, in denen es nicht dar­um geht, vir­tu­el­le Per­so­nen umzu­brin­gen, haben nur klei­ne Fan­ge­mein­den. Das gro­ße Geld machen die Soft­ware­her­stel­ler mit den Ego-Shoo­tern, First-Per­son-Shoo­tern oder auch Third-Per­son-Shoo­ter genannt, also Com­pu­ter­spie­len, bei denen der Spie­ler mög­lichst vie­le vir­tu­el­le Per­so­nen töten muss und es auch ger­ne tut.

Sagt man uns, dass das Töten von Men­schen schreck­lich ist, ant­wor­ten wir, es ist doch bloß ein Spiel, es wer­den nicht wirk­lich Men­schen, Ali­ens oder Mons­ter umge­bracht. Das stimmt natür­lich. Trotz­dem ist die Tat­sa­che, dass wir Gefal­len dar­an fin­den, im Spiel ande­re zu töten, sehr selt­sam. Denn das Töten von Men­schen ist wider­lich und soll­te des­halb auch im Spiel kei­nen Spaß machen. Das, was in der Rea­li­tät kein Ver­gnü­gen ist, soll­te auch im Spiel keins sein kön­nen.

Per­fi­de Bezie­hung und wider­sprüch­li­che Lie­be zur Gewalt

Din­ge, die wir schreck­lich fin­den, soll­ten wir weder erle­ben noch sehen und auch nicht spie­len wol­len. Doch es gefällt uns, mit vir­tu­el­len Pan­zern Krieg zu spie­len, vir­tu­el­le Men­schen zu erschie­ßen, abzu­ste­chen oder in die Luft zu spren­gen.

Auf der Games­com ist die Bun­des­wehr anwe­send und stellt dort ihre Waf­fen aus. Kein Gamer stört sich dar­an oder pro­tes­tiert dage­gen. Wie ist das mög­lich?

Es gibt eine ein­fa­che, aber pro­vo­kan­te Erklä­rung für die­se wider­sprüch­li­che Tat­sa­che:

In Wirk­lich­keit – aber heim­lich – haben oder hät­ten wir schon Gefal­len am Töten von Men­schen. Doch wir wol­len das aus der Distanz erle­ben und der Gefahr, die uns den Ner­ven­kit­zel ver­schafft, nicht wirk­lich aus­ge­setzt sein. Und das geht beim Betrach­ten von Fil­men oder bei Gewaltani­ma­tio­nen sehr gut.

Es heißt ja oft, sol­che Fil­me und Spie­le hel­fen uns, Aggres­sio­nen abzu­bau­en, ähn­lich wie es bei Kampf­sport­ar­ten der Fall ist. Die dahin­ter­ste­cken­de Logik ist: Wir kön­nen nichts gegen unse­re aggres­si­ven Impul­se tun, folg­lich lei­ten wir sie in Berei­che um, wo sie kei­nen Scha­den anrich­ten.

Bes­ser wäre es aller­dings, wenn wir her­aus­fin­den, war­um wir die­se aggres­si­ven Impul­se über­haupt haben. Gelingt uns das, ler­nen wir viel­leicht, sie wirk­lich abzu­bau­en.

Fas­zi­na­ti­on für Waf­fen

Im Fern­se­hen gibt es Doku­men­ta­tio­nen über Waf­fen aus anti­ken, mit­tel­al­ter­li­chen und moder­nen Zei­ten. In die­sen Sen­dun­gen wird akri­bisch unter­sucht und detail­liert dar­ge­stellt, wie sie funk­tio­nie­ren und wel­ches Tötungs­po­ten­zi­al sie besit­zen. Das fas­zi­niert uns.

Obwohl wir Waf­fen nur für einen ein­zi­gen Zweck erfin­den und bau­en (näm­lich dem Töten von Men­schen oder Tie­ren), behan­deln wir sie manch­mal als Sport­ge­rä­te. Wir schie­ßen auf Ziel­schei­ben oder Papp­ka­me­ra­den und bezeich­nen das als Sport. Doch kei­ne Waf­fe wur­de als Sport­ge­rät erfun­den, son­dern rein als Tötungs­in­stru­ment. Wir haben den Umgang mit Bogen- und Schuss­waf­fen zu einer Sport­art umfunk­tio­niert, weil das Üben so effek­ti­ver und stress­frei­er ist.

Natür­lich ist es gut, Waf­fen statt zum Töten als Sport­ge­rä­te zu gebrau­chen. Trotz­dem ist es skur­ril, dass wir gefal­len dar­an haben, ein Tötungs­ge­rät als Sport­ge­rät zu benut­zen.

Ver­zicht scheint unmög­lich

Ohne Gewalt scheint es also nicht zu gehen. Sie ist ein wich­ti­ges, wenn nicht sogar das zen­tra­le Ele­ment unse­rer Unter­hal­tungs­kul­tur. Und je mehr unse­re per­sön­li­che Erfah­rungs­welt von Aggres­si­on, Gewalt und Leid durch­drun­gen ist, des­to weni­ger leh­nen wir die Dar­stel­lung von Gewalt in den Medi­en ab. Die media­le Gewalt scheint daher ein Spie­gel unse­rer inne­ren Beschaf­fen­heit zu sein.

Wir sind mit uns und unse­rem Leben unzu­frie­den. Mit unse­rem Gewalt­kon­sum kom­pen­sie­ren wir die­se Unzu­frie­den­heit oder geben ihr ein schein­bar harm­lo­ses Ven­til. Doch wären wir wirk­lich die fried­li­chen und freund­li­chen Wesen, die wir oft behaup­ten zu sein, wür­de uns bei der Betrach­tung der media­len Gewalt schlecht wer­den.


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