Offen­heit erzeugt Wei­ter­ent­wick­lung


Offen­heit bedeu­tet Ver­än­de­rung

Uns ist nicht bewusst, dass unse­re Mei­nun­gen nur Schnapp­schüs­se unse­res augen­blick­li­chen geis­ti­gen und intel­lek­tu­el­len Ent­wick­lungs­stan­des sind.

Meis­tens hal­ten wir unse­re Mei­nun­gen für objek­tiv und end­gül­tig. Men­schen, die ihre Mei­nun­gen und Ansich­ten zu oft ändern, emp­fin­den wir als unzu­ver­läs­sig. Doch bei Mei­nungs­än­de­run­gen han­delt es sich stets um intel­lek­tu­el­le Wei­ter­ent­wick­lun­gen, denn objek­ti­ve und end­gül­ti­ge Mei­nun­gen gibt es nicht – wir wün­schen sie uns nur.

Es gibt zwei Arten von Mei­nungs­än­de­run­gen: Die eine ist das Ergeb­nis eines Ent­wick­lungs­pro­zes­ses, die ande­re eher eine Lau­ne auf­grund von Tages­ein­flüs­sen. Oft wer­den Lau­nen und Mei­nun­gen aber mit­ein­an­der ver­wech­selt, sodass wir zwi­schen Wei­ter­ent­wick­lung und Fluk­tua­ti­on nicht immer unter­schei­den kön­nen. Aus die­sem Grund leh­nen wir gene­rel­le Offen­heit ab, da wir den damit ver­bun­de­nen mög­li­chen Mei­nungs­wech­sel mit Lau­nen­haf­tig­keit und Unbe­re­chen­bar­keit gleich­set­zen.

Offen­heit statt Bere­chen­bar­keit

Es wird von uns kei­ne rich­ti­ge oder authen­ti­sche Mei­nung erwar­tet, solan­ge sie nicht zu exzen­trisch ist. Es geht um Bestän­dig­keit, aus der Bere­chen­bar­keit resul­tiert. Und die ist nur gege­ben, wenn wir unse­re Mei­nun­gen und Lebens­ein­stel­lun­gen nicht stän­dig ändern. Tat­säch­li­che Offen­heit bedeu­tet:

  • Neue Gedan­ken, Gefüh­le und Asso­zia­tio­nen nicht ver­drän­gen oder tabui­sie­ren.
  • Unbe­kann­te Wege gehen, wenn uns die alten nicht mehr gefal­len oder selt­sam erschei­nen.
  • Nicht beim Alten blei­ben, nur weil ande­re das tun oder es von uns erwar­tet wird.
  • Neu­gie­rig sein auf alles, was unbe­kannt ist.
  • Sich selbst weni­ger ernst neh­men, damit wir uns neu­en Gedan­ken und Asso­zia­tio­nen öff­nen kön­nen.

Das fällt uns in der Regel schwer, da wir fast alle die sprich­wört­li­chen Gewohn­heits­tie­re sind. Wir wol­len uns in unse­rer Haut wohl­füh­len und das geht am bes­ten mit dem Alt­ver­trau­ten.

Schein­ba­re Offen­heit

Offen­heit ver­langt also, für Unbe­kann­tes emp­fäng­lich zu sein. Damit das mög­lich ist, müs­sen wir uns dafür inter­es­sie­ren und es begrü­ßen. Sagt bei­spiels­wei­se jemand: „Ich bin offen dafür, ande­ren Men­schen Gewalt anzu­tun“, ist er nicht offen, son­dern ein Zyni­ker, denn Gewalt gegen ande­re ist nichts Neu­es. Neu wäre in die­sem Zusam­men­hang der Ver­zicht auf Gewalt zur Durch­set­zung der eige­nen Inter­es­sen.

Die stän­di­ge Bereit­schaft für Neu­es fällt uns schwer, denn sie kann Unge­wiss­heit und Unsi­cher­heit bedeu­ten, was wie­der­um Stress erzeugt. Wir wis­sen nicht, ob das Neue, dem wir uns öff­nen, auch einen Vor­teil bie­tet – denn nur dar­um geht es uns letzt­end­lich. Die­se oppor­tu­nis­ti­sche Ein­stel­lung soll­ten wir uns abge­wöh­nen.

Außer­dem möch­ten wir mit unse­rer neu­en Emp­fin­dung nicht allein sein. Auch die­sen Trieb soll­ten wir über­win­den. Da uns das sel­ten gelingt, blei­ben wir lie­ber beim Alten, denn damit lässt es sich in einer Gesell­schaft, in der Kon­for­mi­tät sehr wich­tig ist, gut leben.

Nut­zen und Sinn­haf­tig­keit von Offen­heit

Als offe­ne und ent­spann­te Men­schen besit­zen wir kei­ne Ideo­lo­gien und kei­nen Glau­ben, denn bei­de blo­ckie­ren unse­ren Ver­stand und kön­nen uns ver­bit­tern las­sen.

Wir dür­fen uns natür­lich fra­gen, wel­chen Nut­zen Offen­heit denn über­haupt bie­tet. Meis­tens haben wir kei­nen Bezug zu unse­rem inne­ren Selbst, wis­sen also nicht, war­um wir so den­ken und füh­len, wie wir es tun. Wir tun es ein­fach und die Hin­ter­grün­de (die Ent­ste­hungs­ge­schich­te unse­rer Mei­nun­gen und Ansich­ten) sind uns egal, solan­ge wir mit die­sem Den­ken und Füh­len nicht allei­ne sind.

Mit allem, was kei­nen Nut­zen für unser All­tags- und Berufs­le­ben hat, kön­nen wir nichts anfan­gen. Wir kön­nen unser stan­dar­di­sier­tes Leben auch leben, ohne stän­dig für neue Ein­drü­cke, Gedan­ken und Erfah­run­gen offen zu sein. Wir ent­wi­ckeln uns dann zwar nicht wei­ter, aber dar­an haben wir sowie­so kein Inter­es­se.

Inwie­weit pro­fi­tie­ren wir also von Offen­heit? Macht geis­ti­ge Emp­fäng­lich­keit uns erfolg­rei­cher im Beruf und im sozia­len Belan­gen? Meis­tens wahr­schein­lich nicht. Offen­heit kann unse­re Kar­rie­re sogar ver­schlep­pen oder ver­hin­dern, denn es kommt dar­auf an, was Kar­rie­re uns bedeu­tet und in wel­cher Bran­che wir tätig sind. Sie kann jedoch hel­fen, uns zu „bes­se­ren“ Men­schen zu machen. Das klingt zwar ziem­lich idea­lis­tisch, ist bei genaue­rer Betrach­tung aber logisch: Offen­heit för­dert see­li­sche Gesund­heit (weil wir unse­ren Geist nicht „ver­stop­fen“) oder hilft, sie zu erhal­ten, weil wir uns im Inne­ren nicht ver­kramp­fen.

Ent­spann­ter Blick auf das Neue

Ist unser Ver­stand offen, ist er einem Gefäß ähn­lich, in das Ein­drü­cke und Erleb­nis­se unge­fil­tert ein­drin­gen. Wir kön­nen die­se beob­ach­ten und ver­ste­hen ler­nen. Dabei dür­fen und sol­len wir uns Zeit las­sen. Blei­ben wir wäh­rend die­ses Vor­gangs ent­spannt, wer­den wir nicht ver­ein­nahmt und beein­flusst. Wir sind dann in der Lage, das, was wir als wert­voll oder inter­es­sant ein­stu­fen, wei­ter­hin zu ver­fol­gen, und über­neh­men neue Mei­nun­gen nicht ein­fach so – also unge­prüft.

Zeigt sich im wei­te­ren Ver­lauf dann doch, dass sie feh­ler­haft sind, kön­nen wir sie ohne Ver­lust­ängs­te wie­der ver­wer­fen, da wir uns mit ihnen nicht iden­ti­fi­zie­ren. Auf­grund unse­rer Offen­heit kön­nen wir unse­re Gedan­ken und Mei­nun­gen ent­spannt betrach­ten und nach Bedarf revi­die­ren. Unser Selbst­ver­ständ­nis wird nicht von geis­ti­gen Kon­di­tio­nie­run­gen defi­niert.

Uto­pie der Offen­heit

Je mehr eine Gesell­schaft aus offe­nen Men­schen besteht, des­to fried­li­cher und freund­li­cher ist sie als Gan­zes. Denn alles Destruk­ti­ve wie Krieg, Gewalt, Miss­brauch, Aus­beu­tung und der­glei­chen, wur­zelt letzt­end­lich in unse­rer Ver­schlos­sen­heit.

Ver­schlos­sen­heit begüns­tigt Ideo­lo­gien und Dog­ma­tis­mus, för­dert den krank­haf­ten Ego­is­mus und zwang­haf­tes Ver­hal­ten. Geis­tig ver­schlos­se­ne Men­schen sind leicht mani­pu­lier­bar, da sie sich selbst kaum ken­nen.

Will die Mensch­heit sich wei­ter­ent­wi­ckeln (und das muss sie, wenn sie eine brauch­ba­re Zukunft haben will) muss es sehr viel mehr Men­schen mit einem frei­en, neu­gie­ri­gen und for­schen­den Ver­stand geben als bis­her.

Unvor­ein­ge­nom­men­heit im Den­ken kann aber nicht ver­ord­net oder gelehrt wer­den. Auch müs­sen wir zuerst erken­nen, dass Wei­ter­ent­wick­lung wich­tig ist, um uns der Offen­heit öff­nen zu kön­nen. Das ist bis­her kaum der Fall. Sobald sich dar­an etwas ändert, ändern wir uns und damit auch die Welt.


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