Juden, der universelle Sündenbock
Fanatische Antisemiten behaupten, Juden wären der Feind der Deutschen und sogar der gesamten Menschheit und müssten deshalb bekämpft und letztendlich vernichtet werden. Infolgedessen gäbe es eine natürliche Feindschaft zwischen ihnen und dem Rest der Welt.
Orthodoxe Juden haben sicherlich ihre skurrilen Eigenarten und im Laufe der letzten 1000 Jahre haben Juden ganz allgemein ihre Nischen in der Wirtschaftswelt gefunden – doch das trifft auch auf andere Völker zu.
(Der islamistische Antisemitismus hingegen ist überwiegend ein Produkt der Neugründung Israels inmitten islamischer Staaten über deren Köpfe hinweg.)
Gaukler, Geldverleiher, Juweliere
Viele Juden sind im Showbusiness, in der Wirtschaft und der Geldwirtschaft tätig. Im Mittelalter hatte man ihnen alle bürgerlichen und handwerklichen Berufe verboten und ihnen bevorzugt nur die erlaubt, die von der Kirche als unmoralisch bezeichnet wurden. Sie durften Juweliere, Geldverleiher oder Kaufleute sein, denn diese Tätigkeiten hatten einen schlechten Ruf, obwohl sie dringend gebraucht wurden.
Heute wirft man ihnen vor, sich auf diese Berufe spezialisiert zu haben und dort jetzt überrepräsentiert zu sein. Doch die Menschheit hat sich ihren Universalsündenbock selbst über die Jahrhunderte hinweg herangezüchtet und kultiviert.
Die karmische Schuld des jüdischen Volkes
Einige Rechtsesoteriker (bespielweise der Alternativmediziner Rüdiger Dahlke) begründen die jüdische Diaspora, die vielen Pogrome, aber auch den Holocaust mit einer karmischen Gesamtschuld der Juden. Durch ihre alttestamentarischen Vernichtungskriege gegen andere Völker hätten sich die Israeliten ein negatives Karma zugezogen, das im Holocaust seinen kumulativen Ausdruck fand.
Doch bei diesem Argument kann man nur mit der Schulter zucken und fragen: „Na und?“ Welches Volk in der Antike hat denn keine ungerechten und grausamen Kriege gegen andere Völker geführt? Selbst wenn es ein paar gegeben hat – die allermeisten Völker in der Stein- und Bronzezeit haben permanent Kriege geführt, die ebenfalls ungerecht, grausam und barbarisch waren. Alle Völker durften damals Kriege führen, nur die Juden nicht?
Außerdem haben die alttestamentarischen Juden nur das getan, was ihnen Gott laut Bibel aufgetragen hatte. Was werfen die Antisemiten, die oft selbst fundamentalistisch gottgläubig sind, den Juden also vor? Etwa, dass sie Gott gegenüber gehorsam waren? Das „Argument“ mit der karmischen Schuld der Juden ist deshalb schnell als konstruiert entlarvt.
Die Messias-Psychose
Dass ausgerechnet den Juden im Laufe der letzten 2000 Jahre die Rolle des Allzweck-Sündenbocks zugewiesen wurde, wurzelt vielleicht in ihrer Weigerung, Jesus als Messias bzw. Gottes Sohn anzuerkennen. Hätten sie nach und nach diese Haltung im frühen 1. Jahrtausend aufgegeben, hätte sich vielleicht kein dauerhafter Antisemitismus entwickeln können.
Die staatenlosen Juden hätten sich im Laufe der Zeit ganz normal in die europäischen und arabischen Völker integrieren können und wären als Israeliten verschwunden und vielleicht auch als Juden.
Hätten sie Jesus als Gründer einer neuen Religion sogar begrüßt, wäre ihnen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der frühen Ausgestaltung dieser zukünftigen Weltreligion zugefallen – schließlich war Jesus auch ein Jude. Doch mit ihrer Weigerung, diesen Mann anzuerkennen, haben sie sich bei den Christen sehr unbeliebt gemacht – von vielen werden sie deshalb noch heute gehasst.
Neid auf Gottes Lieblingsvolk
Ein Teil des Antisemitismus wurzelt übrigens auch im Neid. Immerhin sind die Juden Gottes Lieblingsvolk, auch wenn er sich später von ihnen abgewandt hat. Allerdings: Nur diesem Volk hatte Jehova sich geoffenbart – vor allen anderen hielt er sich verborgen und vernichtete sogar einige.
Gott wusste also, dass die anderen Völker noch nicht einmal das theoretische Potenzial besaßen, seinen Anforderungen gerecht werden zu können. Das kann die von Gott verschmähten Völker natürlich sehr neidisch und eifersüchtig machen.
Die jüdischen Weltverschwörer
Verschwörungsideologen, Neonazis und verwandte Gruppierungen behaupten, Juden würden seit Jahrhunderten die gesamte Menschheit heimlich manipulieren und ausbeuten. Sie sollen das hinterlistigste, betrügerischste und raffinierteste Volk sein, das es auf diesem Planeten gibt.
Doch wenn die Juden so viel kriminelle Macht, Einfluss und Geld besitzen, wieso sind sie dann so erfolglos und keine Weltmacht? Warum gehört ihnen (75 Jahren nach der Neugründung Israels) nicht schon längst das gesamte Gebiet um Israel herum?
Eine weltumspannende kriminelle Organisation der schlimmsten Sorte sollte auch fähig sein, ihre Interessen durchzusetzen. Wozu das ganze Geld, die kriminelle Energie, der Einfluss auf Politik und Wirtschaft, wenn man davon nicht profitiert?
Schlechtes Management und Einfältigkeit
Den Juden gelingt es seit Jahrzehnten nicht, einen eigenen stabilen Staat aufzubauen. In Israel herrscht seit Staatsgründung unausgesprochen eine Art des permanenten Ausnahmezustands. Juden in der ganzen Welt müssen es sich tagtäglich gefallen lassen, beleidigt, beschimpft, bedroht und auf offener Straße angegriffen zu werden.
Warum sollte eine Organisation, die das Böse personifiziert und seit Jahrhunderten im Verborgenen die Fäden in der ganzen Welt zieht, sich das gefallen lassen?
Das würde bedeuten: Die Juden sind zwar bösartig, hinterhältig und verlogen, gleichzeitig aber auch extrem unfähig. Sie lassen es zu, seit Jahrhunderten gegängelt zu werden, ertragen ein Pogrom mach dem anderen und lassen sich immer wieder demütigen. Richtig auf die Beine gestellt bekommen sie auch nichts. Nur im Geld-Scheffeln sind sie angeblich erfolgreich, können diesen Reichtum aber nicht nutzbringend für die Situation ihrer Leute in Israel und dem Rest der Welt einsetzen.
Enteignung der Palästinenser
Hätten die Juden, als man ihnen 1947 anbot, auf palästinensischem Gebiet einen neuen Staat gründen zu dürfen, gesagt: „Wir nehmen das Angebot an, aber nur, wenn die große Mehrheit der Palästinenser nichts dagegen hat“, wäre alles okay gewesen.
Die Art und Weise, wie der Staat Israel 1948 entstand, ist ziemlich fragwürdig. Er wurde gegen den Willen der Palästinenser auf deren Territorium errichtet, umgeben von anderen Staaten, die damit nicht einverstanden waren. Das war nicht nur unsensibel, sondern auch dumm. Denn aus diesem Grund gibt es bis heute permanent Konflikte zwischen dem restlichen Palästina und Israel.
Israel muss sich gegen seine Nachbarstaaten abschotten und überleben nur, weile es von den USA und der NATO beschützt und unterstützt wird. Das ist auf Dauer kein akzeptabler Zustand und es gibt auch keine Anzeichen, dass er sich irgendwann einmal ändern könnte. Wenn doch, wird es wohl noch 100 Jahre dauern.
Die Situation ist absurd: Die Palästinenser werden auf ihrem eigenen Territorium als Staat nicht anerkannt, währen die Juden dort ihren eigenen gründen durften. Palästina hatte nichts getan, was eine solche Enteignung gerechtfertigt hätte.
Allerdings: Heute, über 70 Jahre nach der Neugründung Israels in Jahr 1948, wurden sehr viele Menschen dort geboren. Die israelische Bevölkerung besteht jetzt überwiegend aus Einheimischen, die deswegen das legitime Recht haben, Israel ihre Heimat zu nennen und dort leben zu dürfen.
Die Gründung Israels auf palästinischem Gebiet war zwar unrechtmäßig und ein großer Fehler, kann allerdings nicht mehr rückgängig gemacht werden, ohne ein neues Unrecht zu begehen.
Eine künstliche, funktionale Feindschaft
Unabhängig davon ist Israel nicht anders als alle anderen Staaten in der Welt: Es macht Politik, die genauso egoistisch und kurzsichtig ist, wie die Politik der meisten Staaten. Es nutzt seine Möglichkeiten zur Vorteilssicherung auf Kosten anderer Länder – das machen im Prinzip alle Nationen der Welt!
Israel hat sich in den letzten Jahrzehnten in eine Art Polizeistaat verwandelt oder ist zumindest auf den Weg dort hin. Doch auch das kann kein fundamentaler Vorwurf sein, denn viele andere Staaten praktizieren eine noch viel schlimmere Politik gegen die eigene Bevölkerung. Gegen diese Länder (beispielsweise Türkei, Russland, Brasilien, Belarus, Syrien etc.), in denen Kritik an der Regierung bereits als Terrorismus bezeichnet wird, haben Antisemiten nichts – meistens gefallen ihnen diese Länder sogar.
Wir können dem Staat Israel also nichts vorwerfen, was wir vielen anderen nicht ebenfalls vorwerfen können.
Beim Antisemitismus handelt es sich deshalb um eine künstliche Feindschaft mit einer zweckgebundenen Funktion. Sollten wir es irgendwann nicht mehr nötig haben, anderen Menschen, Volksgruppen oder sogar ganzen Völkern Machenschaften, Böswilligkeiten, Intrigen oder Betrügereien zu unterstellen, um unsere eigenen Fehler vor uns selbst besser verstecken zu können, brauchen wir keine Feindschaften mehr. Dann wird auch der Antisemitismus verschwinden, denn alles Künstliche zerfällt, wenn es nicht aufrechterhalten wird.
„In der modernen Menschheitsgeschichte vor 1948 ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Land von Juden überfallen oder sonst wie geschädigt wurde. “
Ohne irgendeiner Form des Antisemitismus das Wort reden zu wollen: aber dies stimmt historisch nicht ganz. Im altsüdarabischen Himjaren-Reich bekannte sich die Herrscherdynastie ab etwa 400 u. Z. zum Judentum (das in der hohen und späten Antike noch eine missionierende Religion war). Vor dem Hintergrund militärischer Konflikte mit dem am anderen Ufer des Roten Meeres, also im heutigen Äthiopien gelegenen christlichen Reich von Aksum kam es nach dem Putsch von Yusuf Asʾar Yathʾar (522 u. Z.) zu Verfolgungen der himjarischen Christen durch das jüdische Herrscherhaus. Dies dürfte den einzigen Fall in der Weltgeschichte darstellen, wo es zu religiöser Unterdrückung von Christen durch Juden gekommen ist. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Himyar und https://de.wikipedia.org/wiki/Yusuf_As%CA%BEar_Yath%CA%BEar
Danke für den Hinweis. Habe den zitierten Satz entsprechen angepasst.