
Dummheit ist Einsichtsverweigerung
Dummheit ist ein Tabuthema. Das ist auch kein Wunder, denn wir sind alle mehr oder weniger dumm. Es fällt uns schwer, darüber zu sprechen, ohne ein diffuses Gefühl der Ratlosigkeit. So ist das bei Dummen.
Deswegen halten wir uns mit gegenseitigen Dummheitsvorwürfen weitestgehend zurück. Wir wollen nicht unsensibel oder indiskret sein und behandeln Dummheit als eine Art Handicap, für das man nicht verantwortlich ist.
Wenn wir darauf verzichten, andere auf ihre Dummheiten hinzuweisen, tun wie unserer intellektuellen Beweglichkeit auf Dauer keinen Gefallen und nehmen dem Dummen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Anders als beispielsweise das Tourettesyndrom, von dem die Betroffenen gezwungen werden, dumme Sache zu sagen und zu tun, ist Dummheit keine Erkrankung, sondern eine Form der Verweigerung von Einsicht oder Erkenntnis.
Und da wir mehr oder weniger alle Lebensbereiche haben, in denen wir Einsichtsverweigerung praktizieren, akzeptieren wir auch die Dummheit unserer Mitmenschen. Die Ursachen für diese Verweigerung mögen vielseitig sein, doch im Kern haben sie alle den gleichen Ursprung: das “Nicht-Wissen-Wollen” von den unangenehmen Aspekten unserer Existenz.
Dummheit im Netz: Selbstverstärkung durch einseitige Recherche
Das Internet kann dumme Menschen schlauer machen, aber auch die Dummheit dummer Menschen vergrößern. Wer sich ernsthaft interessiert und sein Wissen erweitern will, kann „schlauer“ werden, wer jedoch nur nach Bestätigung für eine bestimmte Meinung sucht, wird dumm bleiben oder auch langfristig dümmer werden.
Wer ernsthaft interessiert ist und nicht nach Bestätigung sucht, wird viele verschiedene Webseiten aufsuchen und ernsthaft lesen, um sich eine allgemeine Meinung über ein bestimmtes Thema zu machen. Wer nur nach einer Bestätigung für eine bereits feststehende Meinung sucht, schaut sich deshalb nur die Seiten an, auf denen das steht, was er bereits glaubt und deshalb hören will.
Man informiert sich also gar nicht, sondern bestärkt nur die bereits bestehende Meinung und ist an einer Meinungsbildung nicht interessiert. Diese Art der „Informationsbildung“ ist nur ein Alibi: Man kann dann behaupten, recherchiert zu haben, obwohl man das gar nicht getan hat. Als Verschwörungstheoretiker gehen wir überwiegend so vor.
Dumm ist der, der dumm bleibt
»Dumm sein« kann einen verführerischen Vorteil haben, denn als Dumme sind wir nur eingeschränkt für unsere Handlungen verantwortlich.
Doch auch dann müssen wir die Konsequenzen unserer Handlungen tragen. Als dumme Menschen ist uns das egal, denn meistens interessiert uns nur der augenblickliche Nutzen einer Sache oder Handlung.
- Die negativen Konsequenzen werden erst in der Zukunft eintreten, vielleicht bleiben sie aber auch aus, suggerieren wir uns.
- In der Zukunft sieht sowieso alles anders aus, und wer weiß, wie die Dinge sich entwickeln werden, betäuben wir unsere dunkle Vorahnung von dem zukünftigen Ärger.
- Was ich nicht weiß (weil ich es gar nicht wissen will), macht mich nicht heiß, scheint das Motto hinter diesem Versteckspiel zu sein, das wir Leben nennen.
Raffinierte Dummheit
Wir wenden diese Prinzipien an, um den unangenehmen Aspekten des Daseins aus dem Weg zu gehen. Das klappt sehr gut, solange die Auswirkungen unseres oft kurzsichtigen Verhaltens noch irgendwie handhabbar sind. Und sind sie es irgendwann nicht mehr, sind wir sehr erfindungsreich im Umgang mit ihnen:
Wir verlagern unsere Probleme in die Zukunft (kümmern uns nicht um sie, ignorieren sie) oder geben ihnen neue Namen, um sie nicht als das wahrnehmen zu müssen, was sie sind: selbst verschuldete Hemmnisse unserer Entwicklung. Andere oder spätere Generationen (gerne auch unser zukünftiges Ich) werden das Problem schon irgendwie meistern, reden wir uns unausgesprochen ein.
Doch warum verhalten wir uns so oft und auch sehenden Auges dumm und selbstschädigend? Auf den nächsten zwei Seiten versuche ich darauf eine Antwort zu geben.
DIE DUMMHEIT DER GESELLSCHAFT IST UNSERE DUMMHEIT