Das Nichts


Das Nichts kann kein Etwas sein

Eine Struktur von ineinanderfließenden Strängen

Es ist nicht mög­lich, über das Nichts nach­zu­den­ken, ohne es zu einem Etwas zu machen.

Das heißt, es ist gar nicht mög­lich, über das Nichts nach­zu­den­ken. Tun wir es trotz­dem, beschäf­ti­gen wir uns ledig­lich mit einer Fan­ta­sie, einer Vor­stel­lung, die wir uns vom Nichts machen.

Wir wis­sen nicht, ob es irgend­wo „da drau­ßen“ in irgend­ei­ner unbe­kann­ten „Dimen­si­on“ (mög­li­cher­wei­se außer­halb oder jen­seits des Uni­ver­sums) etwas gibt, das dem ent­spricht, was wir mei­nen, wenn wir vom Nichts reden. Soll­te es tat­säch­lich mehr als ein Ide­al oder eine intel­lek­tu­el­le Spie­le­rei sein, han­delt es sich viel­leicht um ein unbe­kann­tes Exis­tenzprin­zip, das jen­seits der Räum­lich­keit, Zeit­lich­keit, Kon­ti­nui­tä­ten und Wahr­neh­mun­gen ver­or­tet ist und sich des­halb unse­ren Asso­zia­ti­ons­mög­lich­kei­ten ent­zieht.

Des­we­gen sind all unse­re Bemü­hun­gen, ernst­haft etwas über das Nichts zu eru­ie­ren, zum Schei­tern ver­ur­teilt.

Die Gren­zen unse­res Asso­zia­ti­ons­po­ten­zi­als

Allein mit dem, was wir Ver­stand nen­nen (einem ima­gi­nä­ren Werk­zeug, bei dem wir nie wirk­lich wis­sen, ob es auch rich­tig funk­tio­niert), wer­den wir nie raus­krie­gen, wie der Hin­ter­grund des Phä­no­mens der Exis­tenz beschaf­fen ist (qua­si die „Büh­ne“, auf der es sich ema­niert hat) und was er bedeu­tet.

Ent­fernt man bei­spiels­wei­se in einem Gedan­ken­ex­pe­ri­ment die kom­plet­te Exis­tenz (das Uni­ver­sum inkl. Raum und Zeit), bleibt dann etwas zurück, das man als »exis­ten­zi­el­les Nichts« bezeich­nen könn­te?

Soll­te es uns irgend­wann ein­mal mög­lich sein (viel­leicht in 10 Tau­send Jah­ren), mit super-super­licht­schnel­len Raum­schif­fen den „Ereig­nis­ho­ri­zont des Uni­ver­sums“ phy­si­ka­lisch auf­zu­su­chen, um dort direkt vor Ort Nach­for­schun­gen anzu­stel­len, könn­ten sich viel­leicht ech­te brauch­ba­re Ansät­ze zur Erfor­schung eines real­exis­tie­ren­den Nichts auf­tun.

Ich kanns mir vor­stel­len, also gibt’s das auch irgend­wo

Schwar­ze Löcher ver­ra­ten sich durch die von ihnen erzeug­te Raum­ver­zer­rung. Das Nichts besitzt sol­che Schat­ten­wurf­ei­gen­schaf­ten wesens­be­dingt nicht.

Das Nichts hat sei­nen Ursprung viel­leicht in fol­gen­der Asso­zia­ti­on: Da es ein Etwas gibt (die Exis­tenz, das Uni­ver­sum), muss oder könn­te es auch das Gegen­teil oder einen Gegen­pol dazu geben.

Als Moti­va­tor, an die­se Mög­lich­keit zu glau­ben eig­net sich die Theo­rie vom Teil­chen-Anti­teil­chen Kon­zept aus der Phy­sik: Alle Ele­men­tar­teil­chen besit­zen ihr per­sön­li­ches Anti­teil­chen, einen Gegen­pol – war­um das Prin­zip des Exis­tie­rens dann nicht auch?

Doch in Anbe­tracht der Tat­sa­che, dass wir noch nicht ein­mal wirk­lich ver­stan­den haben, was ein Etwas ist (also Mate­rie, Raum, Zeit, Ener­gie, aber auch Gedan­ken, Bewusst­sein und selbst Wahr­neh­mung), ist es ziem­lich gewagt zu glau­ben, wis­sen zu kön­nen, was ein Nichts sein könn­te.

Die Wahr­neh­mung des Nichts

Um etwas mit Wor­ten beschrei­ben zu kön­nen, die mehr als theo­re­ti­sche und ver­meint­lich logi­sche Über­le­gun­gen sind, müs­sen wir die­ses Etwas in irgend­ei­ner Form wahr­neh­men. Da uns das beim Nichts aber nicht mög­lich ist, sind unse­re For­schungs­er­geb­nis­se nie­mals mehr als Theo­rien. Unser Phi­lo­so­phie­ren und Nach­den­ken dar­über kann daher nie mehr als das Phi­lo­so­phie­ren über eine rei­ne Idee sein.

Egal, was auch immer wir tun und wel­che Sys­te­me, Phi­lo­so­phien, Dia­lek­ti­ken, Ideo­lo­gien, Glau­bens­rich­tun­gen, Denk­wei­sen oder Metho­den wir benut­zen, um das Wesen des Nichts aus­zu­leuch­ten: Wenn die­se Metho­den auch bei der Ergrün­dung eines ETWAS funk­tio­nie­ren, tau­gen sie zur Erfor­schung des Nichts nichts.

Tat­sa­che ist: Alle Metho­den, die uns zur Ver­fü­gung ste­hen, wur­den von „Etwas-Wesen“ in einer „Etwas-Welt“ ent­wi­ckelt. Wenn wir glau­ben, sie auf etwas anwen­den zu kön­nen, das der Etwas-Welt nicht ange­hört, haben wir nicht ver­stan­den, wor­um es bei der Nichts­for­schung geht.

Die Null-Dimen­si­on

Wenn wir uns mit dem Nichts beschäf­ti­gen, ver­ges­sen wir meis­tens, dass es sich dabei um ein von uns erdach­tes oder pos­tu­lier­tes Phä­no­men han­delt. Denn wir reden nicht des­we­gen davon, weil wir es gese­hen oder sonst wie erfah­ren haben, son­dern weil wir fähig sind, es uns vor­zu­stel­len und anschlie­ßend mit kon­stru­ier­ten logi­schen Über­le­gun­gen plau­si­bel zu machen.

Um das Nichts bes­ser ver­ste­hen zu kön­nen, hilft es viel­leicht, wenn wir es zu einer Dimen­si­on erklä­ren: Den­ken wir uns zu den drei bekann­ten räum­li­chen Dimen­sio­nen zwei wei­te­re hin­zu, haben wir fol­gen­de Hier­ar­chie:

  • Null­te Dimen­si­on: Nichts — kein Punkt
  • Ers­te Dimen­si­on: unend­lich klei­ner Punkt — ein Punkt
  • Zwei­te Dimen­si­on: unend­lich dün­ne Linie (ers­te Dimen­si­on des Stan­dard­mo­dells) — zwei (Eck-)Punkte
  • Drit­te Dimen­si­on: unend­lich dün­ne Flä­che (zwei­te Dimen­si­on des Stan­dard­mo­dells) — drei oder mehr (Eck-)Punkte auf einer Ebe­ne
  • Vier­te Dimen­si­on: 3‑dimensionaler Raum, Wür­fel, Pyra­mi­de etc. (drit­te Dimen­si­on des Stan­dard­mo­dells) — vier oder mehr (Eck-)Punkte

Eine Zeit­di­men­si­on (nor­ma­ler­wei­se unse­re 4., hier wäre sie die 5.) fällt in die­sem Modell weg, da nicht ein­deu­tig geklärt wer­den kann, an wel­cher Stel­le sie in der Rang­fol­ge ein­zu­fü­gen wäre. Denn wenn wir uns bei­spiels­wei­se eine Flä­chen­welt (Flat­land) vor­stel­len kön­nen, dann nur, weil es auch in ihr, wie im 3‑dimensionalen Raum, einen zeit­li­chen Ablauf der Gescheh­nis­se gibt.

Die Zeit­di­men­si­on muss also (oder kann?) kei­ne sein, die erst spä­ter hin­zu­kommt. Doch wo genau sie ein­zu­fü­gen wäre, lie­ße sich ohne wei­te­re Unter­su­chun­gen nicht sagen. Des­halb gibt es in die­sem Modell auch kei­ne – nötig wäre sie ohne­hin nicht. Auch des­we­gen, weil bis heu­te nicht geklärt ist, ob das, was wir als Zeit wahr­neh­men, über­haupt eine Dimen­si­on ist.

Bereits die 1. Dimen­si­on (der unend­lich klei­ne Punkt) käme als Kan­di­dat für das Nichts in Betracht, denn etwas »unend­lich Klei­nes« ist genau­so wenig vor­stell­bar wie ein »unend­lich Gro­ßes« oder »das Nichts«. Trotz­dem ist ein unend­lich klei­ner Punkt mehr, als kein Punkt.

Im erwei­ter­ten Dimen­sio­nen-Modell ent­spricht das Nichts also der Null-Dimen­si­on. Das hilft uns zwar auch nicht wei­ter, das Wesen des Nichts bes­ser zu ver­ste­hen, durch die Ein­ord­nung in das hier­ar­chisch auf­ge­bau­te Dimen­sio­nen-Modell, bekom­men wir jedoch einen ver­an­schau­lich­ten Ansatz für die­ses unmög­li­che Unter­fan­gen.


Das Spiel mit dem Nichts

Das rea­le Nichts kann sei­ne Exis­tenz nur in der Nicht-Exis­tenz haben.

Das Nichts kann nur dann wahr­haf­tes Nichts sein, wenn es nichts ist. Das heißt: Damit es exis­tie­ren kann, darf es nicht exis­tie­ren. Das ergibt jedoch kei­nen Sinn, und so erken­nen wir unser Phi­lo­so­phie­ren dar­über als das, was es von Beginn an ist: eine intel­lek­tu­el­le Spie­le­rei.

Andern­falls wäre das Nichts eine ande­re Art des Daseins, eine uns völ­lig fremd­ar­ti­ge Exis­tenz- oder Ener­gie­form, die es noch zu ent­de­cken gäbe (bei­spiels­wei­se außer­halb des Uni­ver­sums). Doch dadurch wäre es kein wirk­li­ches Nichts. Des­we­gen ist »das Nichts als ein Etwas« ein Wider­spruch in sich selbst.

Eigent­lich ist die Beschäf­ti­gung mit dem Nichts aus­ge­spro­chen müßig. Es gibt Tau­sen­de Bücher, die sich damit befas­sen und bei allen ist das Ergeb­nis wahr­schein­lich das glei­che: Nichts! Doch die Idee, das intel­lek­tu­el­le Kon­zept vom Nichts, fas­zi­niert uns offen­bar. Des­we­gen haben wir es erdacht.

Wir wis­sen, dass es ein Etwas (das Uni­ver­sum) gibt, also asso­zi­ie­ren wir uns das Gegen­stück, weil wir es (als neu­gie­ri­ge Lebe­we­sen) kön­nen.

Wir sind fähig, Sät­ze zu bil­den, die kei­nen Sinn erge­ben und wir sind fähig, uns Din­ge aus­zu­den­ken, die es nicht gibt oder kei­nen Sinn haben. Wir kön­nen uns das Nichts den­ken, also tun wir es auch. Nur aus die­sem Grund gibt es das Nichts für uns.


Die pola­re Logik unse­res Den­kens

Viel­leicht ist auch unse­re Nei­gung, in Pola­ri­tä­ten zu den­ken, dafür ver­ant­wort­lich, dass wir uns genö­tigt füh­len, ein Nichts zu asso­zi­ie­ren: Wir kön­nen uns das eine nicht ohne sein Gegen­teil vor­stel­len.

Von Hel­lig­keit kön­nen wir nur spre­chen, weil es auch Dun­kel­heit gibt, von Wär­me nur, weil es Käl­te gibt, von Bewusst­sein nur, weil es Unbe­wusst­sein gibt usw. Und auf die­ser Logik grün­det auch unse­re Annah­me, dass es das Nichts geben muss oder könn­te. „Es gibt ein Etwas, also muss es auch sein Gegen­stück geben“, ist unser Gedan­ke. Doch dabei über­se­hen wir Fol­gen­des:

Dun­kel­heit und Hel­lig­keit sind nicht wirk­lich zwei sich ergän­zen­de, pola­re Grö­ßen oder Wer­te, die sich gegen­über­ste­hen, denn Dun­kel­heit besitzt kei­nen Ener­gie­wert – auch kei­nen nega­ti­ven. Es gibt eigent­lich kei­ne »Dun­kel­heit«, son­dern nur die Abwe­sen­heit von Licht. Die­se Abwe­sen­heit nen­nen wir Dun­kel­heit. Wenn es nicht so wäre, müss­te fol­gen­des Expe­ri­ment mög­lich sein:

In einem Raum, indem es weder Dun­kel­heit noch Hel­lig­keit gibt, müss­ten wir Hel­lig­keit oder Dun­kel­heit erzeu­gen kön­nen. Doch das ist nicht mög­lich, denn schon die­sen spe­zi­el­len Raum gibt es nicht.

Pola­ri­tät und Schein­po­la­ri­tät

Das Glei­che gilt für vie­le ande­re Pola­ri­tä­ten: Käl­te ist nur die Abwe­sen­heit von Wär­me, Unbe­wusst­sein die Abwe­sen­heit von Bewusst­sein. Dun­kel­heit, Käl­te und Unbe­wusst­sein kön­nen nicht erzeugt wer­den, indem bei­spiels­wei­se Ener­gie hin­zu­ge­fügt wird. Die­se Zustän­de blei­ben zurück, wenn Licht, Wär­me und Bewusst­sein ent­fernt wer­den. Lee­re (ein lee­res Gefäß) bleibt zurück, wenn wir den Inhalt des Gefä­ßes ent­fer­nen. Anders­her­um geht es nicht: Wir kön­nen kei­ne Lee­re hin­ein­tun oder ent­fer­nen, denn wir kön­nen mit einem Nichts nicht han­tie­ren, son­dern nur mit einem Etwas.

Wir kön­nen kein Nichts irgend­wo hin­tun, und damit ein Etwas ver­drän­gen. Des­we­gen ist es auch nicht mög­lich, mit einem Etwas ein Nichts zu ver­drän­gen. Wir kön­nen nur ein Etwas durch an ande­res Etwas erset­zen.

Wir kön­nen Käl­te, Dun­kel­heit oder Unbe­wusst­sein nicht hin­zu­tun und haben anschlie­ßend dann mehr davon. Wenn man ein Nichts zu einem Etwas hin­zu­tut, ist das Etwas anschlie­ßend nicht klei­ner. Tau­send plus null erge­ben immer noch tau­send. All das sind viel­leicht müßi­ge Gedan­ken, die aller­dings Spaß machen kön­nen. Denn alles, was wir uns vor­stel­len und aus­den­ken kön­nen, macht Spaß, wenn es inter­es­sant ist – es muss nicht unbe­dingt Sinn erge­ben.

Die­se Ana­lo­gien zei­gen, das Nichts ist gar kein wirk­li­ches Nichts. Irgend­je­mand hat ein­mal sinn­ge­mäß gesagt: „Alles, was wir uns vor­stel­len kön­nen, gibt es irgend­wo und irgend­wann im Uni­ver­sum auch.“ Doch bei die­ser Behaup­tung han­delt es sich nur um einen Satz, den wir schnell aus­spre­chen, aber nicht veri­fi­zie­ren kön­nen.

Alle Theo­rien über das Nichts wer­den des­halb (zumin­dest in abseh­ba­rer Zeit) immer Gedan­ken­spie­le blei­ben. Und so ver­hält es sich auch mit dem, was ich hier schrei­be: Es ist nur ein Spiel.


2 Gedanken zu „Das Nichts“

  1. Das All und das Nichts.

    Das All muss alles sein, was wirk­lich ist. Es kann nichts geben, das außer­halb des Alls exis­tiert, sonst wäre das All nicht das All.

    Das All muss unend­lich sein, denn es gibt sonst nichts, das All zu defi­nie­ren, zu beschrän­ken, zu begren­zen.

    Es muss unend­lich sein in der Zeit oder ewig – es muss immer fort­dau­ernd exis­tiert haben, denn es gibt nichts, von dem es hät­te erschaf­fen wer­den kön­nen – und etwas kann nie­mals aus nichts ent­ste­hen, und wenn es jemals nichts gewe­sen wäre, nur für einen Augen­blick, wür­de es jetzt nicht sein. Es muss immer, fort­dau­ernd exis­tiert haben, denn es gibt nichts, von dem es zer­stört wer­den könn­te. Es kann nie nicht sein, auch nicht nur für einen Augen­blick, denn etwas kann nie­mals nichts wer­den.

    Es muss unend­lich sein im Raum, es muss über­all sein, denn es gibt kei­nen Ort außer­halb des Alls, es kann nicht anders als zusam­men­hän­gend im Rau­me sein, ohne Lücken, Auf­hö­ren, Tren­nung oder Unter­bre­chung, denn es gibt nichts, das sei­nen Zusam­men­hang unter­bre­chen oder tren­nen könn­te, nichts, das die Lücken aus­fül­len könn­te.

    Es muss unend­lich sein in der Macht oder abso­lut, denn es gibt nichts, von dem es begrenzt, ein­ge­schränkt, zurück­ge­hal­ten, gestört oder bedingt wer­den könn­te – es ist kei­ner ande­ren Macht unter­tan, weil es kei­ne ande­re Macht gibt.

    Genau das, was es jetzt ist – das All – muss es immer gewe­sen sein und muss es immer blei­ben.

    Etwas ande­res, in das es sich hät­te umän­dern kön­nen, hat es nie gege­ben, gibt es jetzt nicht und wird es nie geben. Dar­aus, dass das All unend­lich, abso­lut, ewig und unver­än­der­lich ist, folgt, dass:
    ALLES,WAS ENDLICH,BEDINGT,WECHSELND UND FLIE­ßEND IST,NICHT DAS ALL SEIN KANN. UND DA ES TAT­SÄCH­LICHNICHTS“ AUßER­HALB DES ALLS GIBT,MÜSSEN ALLE UND JEDE END­LI­CHEN DIN­GE IN WIRK­LICH­KEIT SOVIEL WIENICHTSSEIN.

    Bei den Bud­dhis­ten ist das NICHTS oder an Nichts den­ken eine Meditationshilfe,um sich von Gedan­ken zu befrei­en.

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