Homo­pho­bie


The­se 1: Homo­se­xua­li­tät ist unna­tür­lich

Homo­pho­be Men­schen behaup­ten oft, Homo­se­xua­li­tät wäre unna­tür­lich, käme in der Natur also nicht vor, wäre eine Form der Per­ver­si­on und müss­te aus die­sen Grün­den ver­bo­ten oder sogar bekämpft wer­den. Die Beob­ach­tun­gen zei­gen jedoch, der Anteil homo­se­xu­el­ler Men­schen ist nur gering­fü­gig höher als bei Tie­ren. Etwa 5–10 Pro­zent aller Men­schen sind homo­se­xu­ell und im Tier­reich ist der Anteil etwa genau­so hoch.

Eine sexu­el­le Vari­an­te

Nie­mand weiß, ob die Natur irgend­et­was damit bezweckt, man­che Men­schen und Tie­re dar­auf zu polen, das glei­che Geschlecht sexu­ell und part­ner­schaft­lich attrak­tiv zu fin­den. Es könn­te eine ver­steck­te funk­tio­nel­le Absicht dahin­ter ste­cken oder auch eine zufäl­li­ge „Fehl­schal­tung“, die jedoch ohne Aus­wir­kun­gen ist, da sie kei­nen Scha­den anrich­tet: Nach wie vor wächst die Welt­be­völ­ke­rung rasant an und der Anteil schwu­ler Män­ner und les­bi­scher Frau­en hat in den letz­ten Jahr­tau­sen­den auch nicht zuge­nom­men. Homo­se­xua­li­tät ist ledig­lich eine natür­li­che Vari­an­te, wie es von allen Din­gen in der Welt Vari­an­ten gibt.

Homo­se­xu­el­le Men­schen (bes­ser gesagt: Män­ner) wer­den heut­zu­ta­ge in libe­ra­len Län­dern ledig­lich stär­ker in der Öffent­lich­keit wahr­ge­nom­men. Dort gibt es nicht mehr die zwin­gen­de Not­wen­dig­keit, sich als homo­se­xu­el­ler Mensch ver­ste­cken zu müs­sen.

Bei­spiels­wei­se muss­ten im Mit­tel­al­ter schwu­le Män­ner damit rech­nen, umge­bracht zu wer­den (was übri­gens auch für Links­hän­der und rot­haa­ri­ge Men­schen galt). Heu­te besteht die­se Gefahr in den meis­ten Län­dern nicht mehr.

Nur eine Anders­ar­tig­keit

Homo­se­xua­li­tät ist weder eine Krank­heit noch Per­ver­si­on und auch nichts, was man sich aus­sucht, son­dern nur eine Anders­ar­tig­keit, eine Abwei­chung von der Norm.

Und Anders­ar­tig­kei­ten (also Unge­wohn­tes) leh­nen wir in der Regel ab, wenn wir kei­ne ent­spann­te Ein­stel­lung zum Leben haben. Das Mot­to »Leben und leben las­sen« kann uns dann ein Dorn im Auge sein.

Als homo­pho­be Men­schen sind wir meis­tens auch natio­na­lis­tisch ein­ge­stellt, gegen Aus­län­der und ganz all­ge­mein kei­ne Men­schen­freun­de. Was nicht so ist wie wir selbst, mögen wir ein­fach nicht.

Auch Links­hän­der benut­zen nicht absicht­lich ihre lin­ke statt der rech­ten Hand als pri­mä­res Greif­werk­zeug – die Natur hat sie so geschaf­fen. Doch im Mit­tel­al­ter wur­den sie manch­mal aus dem glei­chen Grund getö­tet wie homo­se­xu­el­le Men­schen: Man emp­fand Links­hän­dig­keit und Homo­se­xua­li­tät als wider­na­tür­lich, als Teu­fels­werk, das als böse galt.

Selbst Imma­nu­el Kant, der gro­ße Auf­klä­rer der Moder­ne, hielt die lin­ke Hand noch als min­der­wer­tig. Und auch heu­te glau­ben noch etwa 2 Pro­zent aller Men­schen, die Links­hän­dig­keit wäre unna­tür­lich. Doch auch hier stellt sich die Fra­ge: War­um soll­te jemand etwas mit der lin­ken Hand tun, wenn er es mit der rech­ten viel bes­ser kann?

Weib­li­che Homo­se­xua­li­tät

Übri­gens: Gegen weib­li­che Homo­se­xua­li­tät haben homo­pho­be Men­schen (die über­wie­gend Män­ner sind) in der Regel nichts. Bei­spiels­wei­se darf die AfD-Vor­sit­zen­de Ali­ce Wei­del homo­se­xu­ell sein, obwohl die aller­meis­ten AfD-Anhän­ger der Mei­nung sind, dass Homo­se­xua­li­tät eine kran­ke Per­ver­si­on ist.

Homo­pho­be Men­schen scheint es daher gar nicht um die Homo­se­xua­li­tät selbst zu gehen. Der Anblick von zwei Män­ner, die sich küs­sen, ist für hete­ro­se­xu­el­le Män­ner ein­fach nur unero­tisch – das ist alles. Zwei sich küs­sen­de Frau­en kön­nen für Män­ner jedoch sehr sti­mu­lie­rend sein.

Die Natür­lich­keit der Unna­tür­lich­keit

Doch selbst wenn Homo­se­xua­li­tät unna­tür­lich wäre (was sie nicht ist, da sie in der Natur vor­kommt), könn­te man den Schwu­len und Les­ben kei­nen Vor­wurf machen, denn vie­les in der Men­schen­welt ist unna­tür­lich: Unse­re Autos, Fern­se­her, Han­dys, Flug­zeu­ge, Welt­raum­ra­ke­ten, Com­pu­ter, Bücher, Musik­in­stru­men­te, Toi­let­ten sowie vie­le ande­re Erfin­dun­gen sind nicht natür­lich ent­stan­den. Auch unse­re Riten, Bräu­che, Tra­di­tio­nen und Gesell­schafts­sys­te­me sind es nicht: All das ist unna­tür­lich und nie­mand stört sich dar­an.

Schon in der Stein­zeit haben wir begon­nen, Werk­zeu­ge aus Tier­kno­chen, Stei­nen oder Ästen her­zu­stel­len. Wir kochen oder bra­ten unse­re Nah­rung, bevor wir sie essen und lau­fen auch nicht nackt her­um. Es gibt noch Tau­sen­de wei­te­re Bei­spiel für Unna­tür­lich­kei­ten. Man könn­te also sagen: Der Mensch hat die Unna­tür­lich­keit erfun­den, kul­ti­viert und nütz­lich gemacht. Ohne unse­re Unna­tür­lich­kei­ten säßen wir wahr­schein­lich immer noch in Höh­len.

Das unna­tür­li­che Ver­hal­ten der Tie­re

Aber auch in der Tier­welt beob­ach­ten wir Unna­tür­lich­kei­ten: Biber fäl­len Bäu­me und bau­en Stau­däm­me dar­aus. Del­fi­ne benut­zen Schwäm­me, um ihre Schnau­ze bei der Nah­rungs­su­che vor Ver­let­zun­gen zu schüt­zen. Amei­sen züch­ten Pil­ze auf Blät­tern und Vögel benut­zen Blät­ter und Zwei­ge zum Nest­bau und zur Pols­te­rung. Man­che Tie­re benut­zen sie sogar als Werk­zeug. Sie alle miss­brau­chen und zweck­ent­frem­den Pflan­zen, um dar­aus etwas her­zu­stel­len, das es sonst nicht geben wür­de.

Die­ses Ver­hal­ten kann als unna­tür­lich inter­pre­tiert wer­den, denn wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass die Pflan­zen ihre Blät­ter, Zwei­ge und Äste nicht haben wach­sen las­sen, damit Tie­re oder Men­schen irgend­et­was her­stel­len.

Mit ande­ren Wor­ten: Auch die sog. Unna­tür­lich­keit ist letzt­end­lich natür­lich, was wie­der­um bedeu­tet: Eigent­lich gibt es kei­ne Unna­tür­lich­keit, son­dern nur Umge­stal­tun­gen und Modi­fi­ka­tio­nen, also Mög­lich­kei­ten, die genutzt wer­den kön­nen oder auch nicht.

Homo­se­xua­li­tät jedoch kann nie­mals unna­tür­lich sein, denn es gibt sie auch zu glei­chen Tei­len in der von Men­schen unbe­rühr­ten Tier­welt. Oder wol­len Schwu­len­has­ser etwa behaup­ten, die schwu­len Tie­re hät­ten sich die Homo­se­xua­li­tät bei den Men­schen abge­schaut?

The­se 2: Homo­se­xua­li­tät ist erlern­bar

Man­che Men­schen sagen, Homo­se­xua­li­tät wäre erlern­bar und letzt­end­lich eine Gewohn­heit und freie Wahl. Das bedeu­tet, zumin­dest theo­re­tisch könn­te jeder Mensch schwul oder les­bisch wer­den, also auch homo­pho­be Men­schen.

Schwu­len­has­ser müss­ten sich daher die Fra­ge gefal­len las­sen: „Du könn­test dir vor­stel­len, Män­ner attrak­tiv zu fin­den?“ Und wenn sie ehr­lich sind, müss­ten sie ant­wor­ten: „Im Prin­zip … theo­re­tisch schon.“ Denn es macht kei­nen Sinn zu sagen: „Alle Men­schen könn­ten theo­re­tisch homo­se­xu­ell wer­den, nur ich nicht.“

Erlern­ba­re (also abge­schau­te oder nach­ge­mach­te) Homo­se­xua­li­tät kann mit fol­gen­der Ana­lo­gie beschrie­ben wer­den: Ange­nom­men, wir lie­ben Scho­ko­la­de, Grün­kohl mögen wir jedoch über­haupt nicht. Doch dann beob­ach­ten wir einen Arbeits­kol­le­gen in der Kan­ti­ne beim Essen von Grün­kohl, wor­auf­hin Scho­ko­la­de uns plötz­lich nicht mehr schmeckt und wir den Kohl jetzt so lecker fin­den, wie zuvor die Scho­ko­la­de.

Anders aus­ge­drückt meint die The­se von der erlern­ba­ren Homo­se­xua­li­tät: Schwu­le Män­ner wür­den sich eigent­lich wie alle ande­ren Män­ner auch zu Frau­en hin­ge­zo­gen füh­len, die­sen Trieb jedoch igno­rie­ren oder unter­drü­cken und sich statt­des­sen dem zuwen­den, was sie nicht mögen.

Doch war­um soll­te das jemand tun?

Hete­ro­se­xu­ell trotz Frau­en­man­gel

Wür­de die Theo­rie von der erlern­ba­ren Homo­se­xua­li­tät stim­men, müss­te es in den Regio­nen der Welt, in denen es Frau­en­man­gel gibt, über­durch­schnitt­lich vie­le schwu­le Män­ner geben. Homo­se­xua­li­tät wäre dort auch weni­ger geäch­tet, da durch den hohen Anteil schwu­ler Män­ner Homo­se­xua­li­tät eine grö­ße­re Akzep­tanz hät­te.

Bei­spiels­wei­se gibt es in Indi­en und Chi­na in vie­len länd­li­chen Gegen­den deut­lich weni­ger Frau­en als Män­ner, weil weib­li­che Föten dort bevor­zugt abge­trie­ben wer­den. Vie­le Män­ner fin­den dort aus die­sem Grund kei­ne oder nur schwer eine Part­ne­rin.

Doch der Anteil homo­se­xu­el­ler Män­ner ist dort nicht höher als im Rest des Lan­des und der Welt. Und Homo­se­xua­li­tät ist dort auch nicht weni­ger geäch­tet als in ande­ren schwu­len­feind­li­chen Län­dern.

Das beweist end­gül­tig: Die The­se von der erlern­ba­ren Homo­se­xua­li­tät ist falsch.

Sexua­li­tät, Befan­gen­heit und Men­schen­scheu

Wir soll­ten end­lich ler­nen zu akzep­tie­ren, dass die Natur und das Leben viel­sei­tig sind.

Als erwach­se­ne Men­schen soll­ten wir fähig sein, Abwei­chun­gen von der Norm zumin­dest tole­rie­ren zu kön­nen, wenn sie uns irri­tie­ren, ohne dahin­ter gleich einen Zer­set­zungs­akt oder eine bös­ar­ti­ge Per­ver­si­on zu ver­mu­ten. Wenn wir unan­ge­nehm davon berührt sind, liegt das an uns selbst.

Homo­pho­bie (die nur dem Wort­laut nach eine Angst ist, son­dern eigent­lich eine funk­tio­nel­le Feind­schaft) ist nur eine Form von Men­schen­feind­lich­keit. Frau­en­feind­lich­keit, Anti­se­mi­tis­mus und Aus­län­der­feind­lich­keit sind es eben­falls.

Wir müs­sen auch nicht nach­voll­zie­hen kön­nen, wie es mög­lich ist, dass ein Mann einen ande­ren Mann ero­tisch anzie­hend fin­den kann. Er wird es schon selbst wis­sen – und mehr ist auch nicht nötig. Außer­dem geht es uns nichts an, denn es beein­träch­tigt weder unser Leben noch die Gesell­schaft.

Angst vor der Sexua­li­tät

Es ist bekannt, dass ein Teil der Schwu­len­has­ser-Com­mu­ni­ty selbst schwul ist oder zumin­dest homo­ero­ti­sche Ten­den­zen kennt. Sie füh­len sich in einer rei­nen Män­ner­ge­mein­schaft wohl. Eini­ge von ihnen glau­ben, ihre homo­ero­ti­schen Gefüh­le durch eine aggres­si­ve Schwu­len­feind­lich­keit abtö­ten zu kön­nen. Doch manch­mal ist es ein­fach auch nur Tar­nung nach dem Mot­to: „Was ich beschimp­fe und bekämp­fe, kann ich ja selbst nicht sein.“

Letzt­end­lich ist die Ableh­nung der Homo­se­xua­li­tät dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass sie uns dar­an erin­nert, sexu­el­le Lebe­we­sen zu sein – genau wie Tie­re. Man­che Men­schen haben ein Pro­blem mit die­ser Tat­sa­che. Je ange­spann­ter unse­re Bezie­hung zu unse­rer eige­nen Sexua­li­tät ist (egal ob es uns bewusst ist oder nicht), des­to weni­ger mögen wir es, in der Öffent­lich­keit dar­an erin­nert zu wer­den.

Bezeich­nen wie Homo­se­xua­li­tät also als unna­tür­lich oder krank­haft, kon­stru­ie­ren wir nur ein Argu­ment, mit dem wir unse­re irra­tio­na­le Angst vor der Sexua­li­tät – egal wel­che Form sie hat – ratio­na­li­sie­ren wol­len. Zusätz­lich erzeu­gen wir uns so einen wei­te­ren Feind, der uns als Pro­jek­ti­ons­flä­che für unse­ren aus­ge­la­ger­ten Lebens­frust dient. Mehr steckt meis­tens nicht dahin­ter.

4 Gedanken zu „Homo­pho­bie“

    • Wenn du nicht beim Man­ne lie­gen willst, ist das dei­ne Sache. Jeder soll­te die Frei­heit haben, das selbst zu ent­schei­den. Wenn ich irgend­wann dafür in die Höl­le kom­me, dann ist das ganz allein mein Schick­sal, ich scha­de nie­man­dem damit – und das Risi­ko gehe ich ein.

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  1. Die Schwu­li­tät beginnt mit der Puber­tät, sie ist eine gene­ti­sche Prä­gung durch die gene­tisch gestör­te Meta­mor­pho­se und geht mit der psy­chi­schen Fehl­rei­fung ein­her. Psy­cho­sen ent­wi­ckeln durch man­gel­haf­te medi­zi­ni­sche Auf- und Abklä­rung und sich selbst impli­zie­ren­de Fehl­prä­gung. Das Coming Out ist in der Regel der Reset, die Ini­zia­li­sie­rung in Ritus, Kul­tus und Habi­tus des Anders­seins.

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