Russland nötigt seine Nachbarländer, der NATO beizutreten
Hätte Russland die Ukraine nicht bedroht und angegriffen und auch nicht signalisiert, seine anderen Nachbarländer früher oder später einmal dem neuen russischen Reich einfügen zu wollen, hätte keins dieser Länder einen Grund gehabt, bei der NATO um Mitgliedschaft anzufragen. Putins Behauptung, er hätte die Ukraine angreifen müssen, um die Ausbreitung der NATO im Osten zu verhindern, ist daher eine Lüge.
Die NATO hat nichts getan, was Russland zu einen Angriff auf die Ukraine hätte provozieren können. Putins behauptet, die NATO hätte ihr Versprechen, sich im Osten nicht weiter ausbreiten zu wollen, gebrochen, ist eine Lüge.
Nicht die NATO will sich im Osten ausbreiten, sondern Russlands Nachbarländer haben einfach nur Angst vor Russland.
Nur aus diesem Grund haben einige der ehemaligen Satelliten-Staaten der ehemaligen Sowjetunion die NATO um eine Mitgliedschaft gebeten: Sie wollen einfach nicht überfallen werden! Kann man ihnen das etwa verübeln?
Die NATO hat kein Versprechen gebrochen
Die NATO hat niemals gesagt: „Sollte Russland seine Nachbarländer angreifen oder bedrohen, und diese dann deshalb bei uns um Schutz in Form einer Mitgliedschaft anfragen, werden wir wegschauen und sagen, dass geht uns nichts an.“ Putin und seine Sympathisanten tun aber so, als hätte sie das oder etwas Sinngemäßes gesagt. Doch die NATO hat nur gesagt, sich nicht aus expansionistischen Gründen im Osten auszuweiten – und das hat sie auch nicht getan.
Durch seinen Angriff auf die Ukraine hat Putin die Ukraine, Schweden und Finnland genötigt, die NATO um einen Beitritt zu bitten. Wie gesagt: Diese Länder haben einfach nur Angst vor Russland. Das ist der einzige Grund für ihr Mitgliedgesuch bei der NATO.
Friedensappelle
Auf dem Wahlplakat der Partei „Die Basis“ stand: „Wie viele Tote braucht der Frieden?“ Dieser Spruch suggeriert, es wäre besser, die Ukraine gäbe auf, damit niemand mehr sterben muss.
Auch andere argumentieren so, beispielsweise Sahra Wagenknecht, die Stalin relativiert, weil er die Sowjetunion (mit brutalem Terror, millionenfachem Massenmord, millionenfacher Versklavung und exzessiver Ausplünderung) zu einer Weltmacht gemacht hat – so als wäre das wichtiger als das Wohl der Bürger. Außerdem Alice Schwarzer, Eugen Drewermann (der früher einmal als fortschrittlicher Theologe galt, jetzt aber nur noch verbittert ist, an weltweite Verschwörungstheorien glaubt, wie beispielsweise die Corona-Lüge und den Great Reset, und Verständnis für pädophile Kleriker hat), Margot Käßmann, Reichsbürger und natürlich auch viele AfD- und Links-Partei-Wähler.
Nur keine toten Russen mehr
Doch würde die Ukraine aufgeben, würden das mit Sicherheit nicht bedeuten, dass niemand mehr stirbt: Es würden nur keine Russen mehr sterben – das ist alles! Die russischen Soldaten hätten selbstverständlich das starke Bedürfnis, sich an den Ukrainern für ihren massiven Widerstand zu rächen, durch den viele russische Soldaten zu Tode gekommen sind.
Und es ist bekannt, dass in der russischen Armee ein extrem raues und hartes Klima herrscht. Als russischer Soldat hat man es nicht leicht. Die Gewalt, die im Inneren der russischen Arme herrscht, findet natürlich auch im Verhalten der Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung ihren Ausdruck.
Würde die Ukraine also aufgeben, würden das den Tod vieler ukrainischer Zivilisten bedeuten, man würde foltern und auch viele Frauen vergewaltigen. Das haben die russischen Soldaten bereits seit Beginn ihres Überfalls getan und es gibt keinen Grund zu der Annahme, sie würden damit aufhören, nur weil die Ukraine sich „ergibt“. Möglicherweise würde dieses Verhalten dann zunächst sogar noch zunehmen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die oben genannten Personen und Gruppierungen das nicht wissen.
Wenn also gefordert wird, die Ukraine sollte sich besser ergeben, damit niemand mehr stirbt, ist das nur Rhetorik. Es geht diesen Leuten in erster Linie gar nicht um Frieden. Es ist ihre Sympathie für Putin und den Autoritarismus, die sie denken und reden lässt.
Bei den Putin-Sympathisanten handelt es sich überwiegend um Menschen, die vom Verlauf ihres Lebens aus unterschiedlichen Gründen stark frustriert und enttäuscht sind. Diesen Lebensfrust kompensieren und sublimieren sie, indem sie in der offenen und freien Gesellschaft (den westlichen Demokratien) den eigentlichen Feind der Menschheit sehen (obwohl sie es so radikal natürlich nicht formulieren würden).
Als verbitterte und autoritär denkende Menschen fällt es ihnen schwer, sich in Krisenzeiten kreativ und lebendig für die Gesellschaft einzusetzen. Hierfür fehlt ihnen die geistige Beweglichkeit. Mit ihrer Sympathie für Putin (bzw. dem autoritären Prinzip an sich) zeigen sie, von den Herausforderungen und Ansprüchen des 21. Jahrhunderts persönlich überfordert zu sein.
Angst vor einem Atomkrieg
Sie sagen, weil Russland eine Atommacht ist und man keinen Atomkrieg riskieren darf, sollte die Ukraine besser aufgeben. Doch auch dieses Argument ist konstruiert. Denn wir können davon ausgehen, dass sie das nicht sagen würden, wären die USA der Aggressor in einem solchen Konflikt. Würden beispielsweise die USA Mexiko überfallen und diesem Land das Existenzrecht absprechen, würden sie nicht sagen, Mexiko solle aufgeben, um keinen Atomkrieg zu riskieren.
Natürlich ist das spekulativ, es ist aber auch bekannt, dass die oben genannten Leute und Gruppierungen die USA in dem Maße ablehnen, wie sie Russland, den Gegenspieler zur offenen und freien Welt, mögen. Deswegen ist die Vermutung nicht abwegig, sie würden in einem solchen Fall sagen: „Das darf man den USA nicht durchgehen lassen. Deshalb müssen wir Mexiko dauerhaft unterstützen, selbst wenn wir damit einen Atomkrieg riskieren.“
Neonazis in der Ukraine
Putin behauptet, die Ukraine angreifen zu müssen, weil dort Neonazis das Land regieren und die Bevölkerung misshandeln. Nazis sind Faschisten und Faschismus ist eine Gewaltherrschaft, der kommunistischen Gewaltherrschaft ähnlich. Nur in den Ideologien unterscheiden sich diese autoritären Staatsformen voneinander – nicht im Charakter.
Als 1939 Nazi-Deutschland die UdSSR überfiel, war es nicht so, dass zwei unverträgliche politische Systeme aneinandergerieten (so wie Demokratie und Diktatur). Kommunisten und Faschisten benutzen zur Durchführung ihrer Interessen das gleiche Mittel: Brutalste Gewalt und es wird auch sehr viel gelogen und betrogen. Hitler-Deutschland und die UdSSR waren deshalb keine Gegner im eigentlichen Sinn, sondern nur Konkurrenten um die Vorherrschaft.
Heutzutage sind Faschismus und Kommunismus bzw. unterschiedliche Formen der Autokratie keine Konkurrenten mehr, sondern eher potenziell Verbündete. (Man erkennt das auch gut daran, dass Linksextremisten und Rechtsextremisten heute gemeinsam gegen etwas demonstrieren, obwohl sie doch diametral miteinander verfeindet sind.)
Beide haben die gleichen Interessen und Ambitionen (die Herrschaft über das Volk mittels brutaler Gewalt), die sie lediglich auf unterschiedliche Arten, mit unterschiedlichen Ideologien rechtfertigen und realisieren.
Neonazis in Russland
Putin begründet seinen Krieg gegen die Ukraine mit der Tatsache, dass es in der Ukraine Neonazis gibt. Doch in fast allen Ländern der Erde gibt es heutzutage Neonazis. Selbst in Israel gibt es inzwischen jüdische Neonazis!
Ginge es ihm also um die Bekämpfung von Neonazis, hätte er selbstverständlich erst die im eigenen Land bekämpft. Denn auch dort gibt es heute welche, wahrscheinlich sogar mehr als in der Ukraine. Gegen diese hat Putin jedoch nichts. Wie kann das sein? Sind russische Neonazis etwa gute Neonazis?
Putin tut das, was bereits die Nazis perfekt beherrschten: Anderen das vorwerfen, was man selbst machen.
So wie Nazi-Deutschland 1939 behauptete, Deutschland hätte sich nur gegen einen polnischen Angriff gewehrt, behauptet Putin dasselbe bei seinem Überfall auf die Ukraine. Alle wissen, das ist gelogen, und alle wissen auch, dass es alle wissen.
Keine Lust, Teil eines demokratischen und freien Europas zu sein
Putin meint, im 21. Jahrhundert immer noch mit Krieg und Gewalt Politik machen zu können.
Alles, was Russland tun müsste, wäre, seine Nachbarländer nicht mehr als persönlichen Einflussbereich zu verstehen. Russland in Gestalt von Putin will nicht wahrhaben, dass es die Welt und damit den Geist des mittleren 20. Jahrhunderts nicht mehr gibt.
Putin tut so, als hätte er so etwas wie ein „traditionelles Überfallsrecht“ auf die Nachbarstaaten Russlands und hat erwartet, dass der Westen und die NATO wegsehen und es ihm erlauben, sich zumindest einige seiner Nachbarländer zu nehmen.
In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts hätte die Weltgemeinschaft Russland den Überfall auf ein europäisches Nachbarland vielleicht noch durchgehen lassen. Doch wir leben heute in einer anderen Welt, in der ein solches imperialistisches Verhalten in Europa nicht mehr toleriert wird.
Das 20. Jahrhundert ist vorbei
Die europäische Welt im 21. Jahrhundert kann keine mehr sein, in der ein Land sich einfach ein Nachbarland nimmt. Das war vor 100 Jahren vielleicht noch üblich und wurde von anderen Ländern toleriert, solange diese selbst darunter nicht zu leiden hatten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Putin hat jedoch nicht verstanden, dass es die Welt von damals nicht mehr gibt. In Russland herrscht noch immer der Geist der 1980er-Jahre. Deswegen kann die Weltgemeinschaft es nicht zulassen, was Putin gerade tut.
Als Putin 2001 im Deutschen Bundestag eine Rede hielt und den Kalte Krieg für beendet erklärte, haben alle gedacht, Russland würde jetzt beginnen sich der Welt zu öffnen und mehr Demokratie zulassen. Doch er hatte wohl eher gemeint, weiterhin eine Politik betreiben zu können, wie sie im 20. Jahrhundert üblich war – nur unbehelligt von den westlichen Staaten.
Putins Politik
Wenn sich Russland in Gestalt von Putin irgendwie gedemütigt oder ungerecht behandelt fühlt, liegt das nicht an einer ungerechten Behandlung vom Westen und der NATO. Russland hat sich durch sein aggressives Verhalten lediglich isoliert. Putin führte Krieg gegen Tschetschenien, Abchasien, Südossetien und Georgien, bedroht allgemein seine Nachbarstaaten und lässt oppositionelle Politiker umbringen, sowie andere unliebsame Person, beispielsweise kritische Journalisten. Das macht er vor der Weltöffentlichkeit. Durch all das hat Russland sich von der freien und offenen Welt distanziert und letztendlich isoliert.
Wie ist es möglich, dass Putins Sympathisanten (die sich selbst als Demokraten bezeichnen) Putin sein Verhalten nicht übel nehmen? Schließlich lässt er keine Kriminellen oder Terroristen umbringen oder wegsperren und die Kriege, die er führt, sind keine Verteidigungskriege. Die Leute, die er umbringen oder wegsperren lässt, haben seine Politik lediglich kritisieren und fordern mehr Demokratie in Russland.
Dafür kann es nur einen Grund geben: Sie selbst sind keine echten Demokratiefreunde – sie sind es nur formell. Menschen, die im Leben nicht den Erfolg oder die Befriedigung finden, wie sie es sich wünschen, neigen tendenziell dazu, die Gesellschaft dafür verantwortlich zu machen.
Das Märchen von der Gegnerschaft zwischen Russland und dem Westen
Putin versteht die NATO bzw. den Westen als Gegenspieler, aber das müsste nicht sein. Russland hätte die Möglichkeit, sich dem westlichen Standard anzupassen, also auch ein offenes, demokratisches und freies Land zu werden. Aber das will Putin nicht bzw. die russischen sozial-politischen Strukturen lassen eine Demokratisierung nicht zu.
„Putinversteher“ sympathisieren sich mit Putin, weil Russland in ihren Augen von der westlichen Welt, der NATO, der UNO und der EU gedemütigt, provoziert und betrogen wurde. Dabei hat keine dieser Organisationen etwas getan, das als demütigend oder provozierend gewertet werden könnte.
Der Westen kritisiert lediglich das imperialistische und aggressive Vorgehen Putins, da dies der heutigen Zeit nicht mehr angemessen ist.
Putin will seit Amtsantritt einfach nicht darauf verzichten, weiterhin Russland autokratisch und diktatorisch zu regieren. Politische Konkurrenz lässt er entweder umbringen oder steckt sie ins Gefängnis. All das wissen die Putin-Versteher, doch es stört sie nicht.
Kein Interesse an einem modernen Russland
Warum ist Putin nicht an einem modernen Russland interessiert, das gleichberechtigt neben den anderen Staaten existiert? Wahrscheinlich liegt es daran, dass die westeuropäischen Staaten offen und frei sind, und von Offenheit und Freiheit fühlt er sich bedroht, da beides seine Macht einschränken würde.
Als er 2001 im Bundestag eine Rede hielt und den Kalten Krieg als beendet erklärte, haben viele ihm das geglaubt. Ironisch gesehen hatte er in Wahrheit aber eher gemeint: „Der Kalte Krieg ist vorbei, weil der heiße wieder beginnt.“ Nicht gegen Deutschland, sondern gegen die ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion.
Mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen war Putin willkommen, doch mehr Offenheit und einen kultivierteren Umgang mit Russlands Nachbarvölkern wollte er hingegen nicht.
Die angebliche Demütigung Russlands
Das Deprimierende ist, viele Intellektuelle, die sich als fortschrittliche Denker verstehen, relativieren Putins Verhalten. Beispielsweise sagte Richard David Precht, der Westen und die NATO hätten Russland gedemütigt, was Putin provoziert hat, die Ukraine anzugreifen.
Doch woraus besteht diese Demütigung? Etwa daraus, dass der Westen Putins Politik und Verhalten kritisiert (Kriege gegen seine Nachbarländer, militärische Unterstützung des syrischen Diktators Assad beim Kampf gegen das eigene Volk und die Beseitigung der politischen Opposition und kritischer Journalisten im eigenen Land)?
Dass Länder wie Estland, Lettland und Litauen der NATO beigetreten sind, hat Putin durch sein Drohverhalten gegen diese Länder selbst provoziert. Hätte sich Russland als freundliches und friedliches Nachbarland gezeigt, hätten diese Länder keinen Grund gehabt, der NATO beizutreten, und hätten es wahrscheinlich auch nicht getan.
Putins Sympathisanten
Die Leute, die Verständnis für Putins Verhalten haben, leiden alle mehr oder weniger unter fundamentalem Lebensfrust. Sie leben in einer offenen und freien Gesellschaft, haben also alle Möglichkeiten, können diese jedoch nicht nutzen und sich nicht so entwickeln, wie sie es gerne täten. Vielleicht bekommen sie nicht genügend Anerkennung und Aufmerksamkeit. Dieses permanente unterschwellige Gefühl der Unzufriedenheit braucht ein Ventil.
Es kann überall beobachtet werden: Manche Menschen, die vom Verlauf ihres Lebens frustriert bzw. enttäuscht sind, sympathisieren sich mit Putin und anderen Autokraten. Das kann kein Zufall sein. Gleiches gilt für Verschwörungsgläubige. Ich nenne dieses Verhalten deshalb »Das Unzufriedenheitssyndrom«.
Ein verschwörungstheoretisch ambitioniertes Gemüt
Die Leute, die Verständnis für Russlands Vorgehen haben, sind politisch immer am linken und rechten Rand angesiedelt. Diese Beobachtung ist interessant, denn eigentlich sollte man annehmen, dass entweder nur linkspolitisch oder nur rechtspolitisch ambitionierte Menschen auf Putins Seite stehen können. Deshalb scheint es diesen Leuten gar nicht um Putins Politik zu gehen, die sie für gut oder unterstützenswert halten, sondern um ihre Abneigung gegen die westliche demokratische, offene und freie Welt.
Allgemein bekommen sie nicht das Maß an Aufmerksamkeit, das sie gerne hätten. Obwohl die meisten Putin-Freunde nicht an die großen Verschwörungen glauben (beispielsweise Mondlandungslüge, Reptiloide, Erdkugelverschwörung, Deep State etc.), misstrauen sie doch mehr oder weniger stark den demokratischen und offenen Systemen, obwohl sie sich selbst als Demokraten verstehen oder sogar als echte Demokraten (obwohl sie im Denken und Empfinden autoritär veranlagt sind).
Sie fordern die Ukraine zu Friedensverhandlungen auf, aber niemals Russland. Warum nur? Schließlich ist Russland der Aggressor. Und wenn man jemanden auffordert, mit dem Kämpfen aufzuhören, dann sollte es doch stets der Angreifer sein – oder nicht?