Relative Wahrheiten
„Alle Wahrheiten sind relativ, bis auf die, dass alle Wahrheiten relativ sind“, ist ein lustiger Spruch, mehr aber auch nicht.
Denn viele andere Wahrheiten sind ebenfalls nicht relativ. Beispielsweise ist die Aussage „Es ist absolut wahr, dass es mich gibt“ eindeutig und nicht relativ.
Inhalt
Von Wahrheit zu sprechen, macht nur Sinn, wenn auch die Möglichkeit zur Unwahrheit besteht. Der Satz „Es ist wahr, dass es mich gibt“ ist zwar korrekt, wirkt jedoch wie eine logische Trivialität – ein Gedanke, der sich selbst bestätigt und daher überflüssig erscheint. Schließlich setzt allein das Aussprechen dieser Aussage meine Existenz bereits voraus.
Grenzfälle der Wahrheiten
Der Satz „Es regnet oder es regnet nicht“ erscheint zunächst eindeutig, doch seine Anwendung birgt Herausforderungen: Wo genau verläuft die Grenze zwischen Regen und Nicht-Regen?
Wenn die Luft feucht genug ist, sodass sich mikroskopisch kleine Tröpfchen bilden, die jedoch nicht als Nieselregen niedergehen können, regnet es noch nicht. Es muss aber eine Grauzone zwischen Wasserdampf und den ersten sichtbaren Tropfen geben, auch wenn sie nur kurz besteht. Eine solche Unschärfe existiert bei Aussagen wie „Es ist wahr, dass es mich gibt“ nicht.
Wir sollten uns daher hüten, die Wahrheit grundsätzlich als relativ zu betrachten. Sie ist es nur unter außergewöhnlichen Umständen – etwa, wenn Naturgesetze oder Kausalität aufgehoben sind. Im Alltag jedoch ist sie weitgehend konstant.
Wir können darauf vertrauen, dass die Welt tatsächlich existiert, so wie sie uns erscheint. Unser Leben, mit all seinen Freuden, Leiden und Irrationalitäten, ist wirklich.
Virtuelle Wahrheiten
Viele objektive Wahrheiten lassen sich philosophisch anzweifeln – theoretisch fast alle. Nur wenige sind unwiderlegbar. Zum Beispiel ist die Existenz meines Schreibtischs eine offensichtliche Tatsache. Doch ob er genauso existiert, wie er uns erscheint, können wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen.
Es ist denkbar, dass die Welt, wie wir sie wahrnehmen, lediglich ein Konstrukt unseres Geistes ist – eine Vorstellung oder gar eine Illusion. Unsere nächtlichen Träume sind ein Beweis dafür, dass virtuelle Welten existieren können.
Die einzige Wahrheit, die absolut gewiss ist, ist unsere Existenz als Bewusstsein: „Ich denke, also bin ich“. Selbst wenn wir uns unsere Existenz nur einbilden könnten, bedürfte dies unserer Existenz als denkendes Wesen.
Doch diese Überlegungen sind philosophische Spielereien. Im Alltag sind sie irrelevant. Was zählt, ist das, was für unser Leben Bedeutung hat.
Wahrheitskategorien
Objektive, allgemeine Wahrheiten – universelle Gültigkeit
Die Welt der Dinge, Fakten und naturwissenschaftlichen Gesetze. Sie existieren unabhängig von unserer Wahrnehmung – auch wenn wir nicht immer sicher sind, ob sie genau so sind, wie sie uns erscheinen.
Subjektive, relative Wahrheiten – persönliche Gültigkeit
Die Welt der Geschmäcker, Meinungen und individuellen Perspektiven. Diese Wahrheiten sind persönlich und wandelbar – heute wahr, morgen falsch.
Unscharfe Wahrheiten – virtuelle Gültigkeit
Die Welt der Theorien, Vermutungen und Überzeugungen. Sie existieren in unserem Geist und entziehen sich oft der endgültigen Überprüfung.
Formelle Wahrheiten – suggestive Gültigkeit
Die Welt der Täuschungen, Lügen und diplomatischen Floskeln. Diese Wahrheiten dienen häufig sozialen oder politischen Zwecken und sind manchmal notwendig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wahr ist, was wir für wahr halten
Die Wahrheit ist oft subjektiv, denn was für den einen gilt, kann für den anderen das Gegenteil bedeuten. Ein einfaches Beispiel: Spinat schmeckt dem einen und dem dem anderen nicht.
In diesem Sinne ist es zugleich wahr, dass Spinat schmeckt, und ebenso, dass er es nicht tut. Solche individuellen Wahrheiten sind persönlich und variabel. Die Aussage „Spinat schmeckt“ ist somit sowohl wahr als auch falsch – abhängig von der Perspektive.
Wenn wir uns auf „die Wahrheit“ berufen, um eine Meinung oder Behauptung zu untermauern, tun wir das meist aus der Perspektive subjektiver Wahrheiten. Diese erscheinen uns objektiv, weil sie unsere eigenen sind. Dabei vergessen wir, dass unsere Erfahrungen und Ansichten von Natur aus begrenzt sind.
Daraus ergibt sich ein verbreitetes Missverständnis: Wir neigen dazu, anderen Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn sie unsere Wahrnehmung nicht teilen. Unsere persönliche Realität erscheint uns wie die einzig wahre, weil wir sie unmittelbar erleben und kaum alternative Perspektiven anerkennen.
Missbrauch des Ausdrucks Wahrheit
Wir sprechen oft von Wahrheit, aber selten aus ehrlichem Interesse an ihr. Vielmehr interessiert sie uns, wenn sie unsere Position stärkt oder uns Vorteile verschafft. In solchen Momenten geben wir uns als Wahrheitsliebende und nutzen sie strategisch für unsere Zwecke.
Umgekehrt ignorieren, leugnen oder relativieren wir die Wahrheit, wenn sie uns schadet. Diese Flexibilität im Umgang mit der Wahrheit macht den Spruch „Die Wahrheit ist relativ“ so beliebt. Eigentlich sollte klar sein, dass Wahrheit sich auf objektive Tatsachen bezieht.
Doch viele dieser Tatsachen sind unangenehm. Sie konfrontieren uns mit Aspekten der Realität, die wir vermeiden möchten. Daher neigen wir dazu, das als wahr zu betrachten, was unsere Sichtweise bestätigt oder uns nützt.
Dieses Verhalten ist nachvollziehbar, weil niemand gern mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert wird. Dennoch führt es dazu, dass die Wahrheit oft weniger gesucht wird, als wir behaupten – und ihre Relativierung oder Manipulation eher die Regel als die Ausnahme darstellt.
Das Wahrheits-Etikett der Truther-Szene
Obwohl wir häufig von Wahrheit sprechen, interessiert sie uns oft nur, wenn sie uns einen Vorteil verschafft. Ist das nicht der Fall, relativieren oder ignorieren wir sie. Der beliebte Satz „Die Wahrheit ist relativ“ wird oft benutzt, um unangenehmen Fakten auszuweichen.
Wo plakativ von Wahrheit die Rede ist, findet man sie oft am wenigsten. Ein Beispiel ist die Social-Media-Plattform Truth Social von Donald Trump. Der Name suggeriert eine Hingabe an die Wahrheit, doch tatsächlich handelt es sich um ein Portal, das Lügen als Wahrheit und Wahrheit als Lüge inszeniert.
Dieses Phänomen findet sich auch in der sogenannten Truther-Szene: Hier wird „Wahrheit“ oft als Kampfbegriff benutzt, um subjektive Überzeugungen zu rechtfertigen. Doch echte Wahrheiten benötigen keine plakative Inszenierung – sie sprechen für sich.
Je penetranter betont wird, etwas sei „wahr“, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese „Wahrheit“ einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Wirkliche Wahrheitsliebe zeigt sich in nüchterner Offenheit – nicht in aufdringlicher Selbstvergewisserung.
Die einzige Wahrheit die der Mensch am Ende seines Lebens erfährt ist die,dass alles gelogen war.
Vor der Wahrheit fürchten sich mehr,als vor der Lüge. Denn die Wahrheit ist die einzige Waffe,die keine Waffe der Gewalt ist.
Die Menschen zu belügen, ist leichter,als sie davon zu überzeugen,dass sie belogen wurden sind.
Außer natürlich das, was du glaubst und meinst, nicht wahr? Oder meinst du etwa, dass auch das, was du denkst und glaubst, sich am Ende deines Lebens als Lüge entpuppen wird? Dann solltest du am besten jetzt schon aufhören, an diese Lügen zu glauben.
Ja, und auf dich trifft diese Regel ganz besonders zu. Denn wer an Wahrheit interessiert ist, orientiert sich im Leben nicht an dem, was andere geschrieben oder gesagt haben. Und sowie es aussieht, hast du alles, was du denkst und glaubst, von anderen Leuten übernommen. Es wurde nur geschrieben, weil man wusste, das es Leute gibt, denen das gefällt. An der Wahrheit interessierte Menschen behaupten nicht einfach etwas, ohne es anschließend zu erklären. Denn eine Behauptung ist ohne Erklärung wertlos. Das sollte jeder Wahrheitsinteressiert wissen.