Krea­ti­ve Klug­hei­ten


Fried­lich­keit

Ein Mensch sitzt in der Mittel eines Energiewirbels und ist ganz ruhig.

Es gibt drei wich­ti­ge krea­ti­ve Klug­hei­ten: Fried­lich­keit, Fan­ta­sie und Selbst­kri­tik. Sie sind das Fun­da­ment einer eman­zi­pier­ten, moder­nen und glo­ba­len Mensch­heit.

Die wich­tigs­te aller Klug­hei­ten ist heut­zu­ta­ge die Fried­lich­keit. Unse­re Fried­lich­keit soll­te idea­ler­wei­se einem inne­ren Bedürf­nis ent­spre­chen. Denn solan­ge wir Anlei­tun­gen oder Vor­bil­der benö­ti­gen, um fried­lich und freund­lich durchs Leben gehen zu kön­nen, wer­den die­se immer mal wie­der ver­sa­gen.

Natür­lich ist es gut, wenn wir auf­grund eines Vor­bil­des (zum Bei­spiel Jesus oder Bud­dha) fried­lich und freund­lich unser Leben gestal­ten. Dabei spielt es kei­ne Rol­le, ob es die­se Vor­bil­der tat­säch­lich gibt oder gab. Auch als fik­ti­ve Legen­den oder Mythen funk­tio­nie­ren sie.

Doch bes­ser ist es, ohne sie aus­kom­men. Freund­lich­keit und Fried­lich­keit, die Vor­bil­der oder Leh­ren benö­ti­gen, sind im Prin­zip Nach­ah­mun­gen und müs­sen auf­recht­erhal­ten wer­den. Nach­ah­mung erlahmt jedoch frü­her oder spä­ter oder sie mutie­ren zu etwas ande­res.

Die gelern­te Fried­lich­keit

Fried­lich­keit und Freund­lich­keit dür­fen kei­ne Küns­te sein, die es zu beherr­schen gilt, denn jede Kunst ver­sagt irgend­wann. Die­se Form der Fried­lich­keit ist ange­lernt, und das bedeu­tet, sie kann (und wird es meis­tens irgend­wann auch) wie­der ver­lernt wer­den.

Es gab bestimmt schon vie­le Men­schen, die auf­grund eines Vor­bil­des oder einer Leh­re ihr Leben fried­lich und freund­lich gestal­te­ten. Doch dann ist etwas Schreck­li­ches pas­siert, sodass sie ihren Glau­ben an das Vor­bild oder die Leh­re ver­lo­ren haben.

Wir dür­fen Fried­lich­keit aber nicht mit Pas­si­vi­tät ver­wech­seln oder gleich­set­zen. Es ist selbst­ver­ständ­lich legi­tim, kör­per­li­che Angrif­fe mit Gewalt abzu­weh­ren. Lei­der wird das Recht auf Ver­tei­di­gung von Gewalt­lieb­ha­bern oft als Recht­fer­ti­gung ihrer Aggres­si­vi­tät miss­braucht. Legi­ti­me Gewalt kann daher nur einen defen­si­ven Cha­rak­ter besit­zen. Das soll­te allen klar sein.

Fried­lich­keit ohne Vor­bil­der

Wir müs­sen also ler­nen, unab­hän­gig von Vor­bil­dern oder Leh­ren fried­lich und freund­lich mit­ein­an­der aus­zu­kom­men. Wir müs­sen ler­nen, ohne beson­de­ren Grund oder Bedin­gung fried­lich und freund­lich zu sein, und dür­fen unse­re Fried­lich­keit nicht von bestimm­ten Umstän­den abhän­gig machen, denn die ändern sich mit der Zeit.

Fried­lich­keit und Freund­lich­keit soll­ten Teil unse­res Wesens sein. Die­se For­de­rung ist sicher­lich uto­pisch, trotz­dem gibt es auf Dau­er kei­ne Alter­na­ti­ve: Wenn wir als Mensch­heit in einer glo­ba­len Welt eine gute Zukunft haben wol­len, müs­sen wir die­se Uto­pie wahr wer­den las­sen. Das bedeu­tet:

Wenn wir nicht gewalt­tä­tig sind, nicht betrü­gen, ande­re Men­schen nicht aus­beu­ten, aus­rau­ben oder miss­brau­chen, dann nur, weil der Cha­rak­ter unse­res Gemüts das nicht erlau­ben wür­de.

Anmer­kung:
Das Wort »Lie­be« kommt auf die­ser Web­sei­te nicht zum Ein­satz. Der Spruch „All you need is love“ ist viel zu hoch gegrif­fen, denn es muss nicht gleich Lie­be sein. Freund­lich­keit ist voll­kom­men aus­rei­chend.

Außer­dem ist Lie­be ein Ide­al, unter dem jeder etwas ande­res ver­ste­hen kann. Im Namen der Lie­be wur­den schon schreck­li­che Din­ge getan. Wir miss­brau­chen die­sen Begriff auch oft, um Taten zu recht­fer­ti­gen, die sonst nicht akzep­tier­bar sind. Des­we­gen ist es bes­ser, auf ihn zu ver­zich­ten und durch Freund­lich­keit und Fried­lich­keit zu erset­zen.

Fried­lich­keit kann nie­mals so inter­pre­tiert wer­den, dass sie Gewalt­hand­lun­gen mit ein­schließt – Lie­be jedoch schon. Und Freund­lich­keit sagt ein­fach nur Ja zum ande­ren Men­schen.


Fan­ta­sie, das Tor zur Krea­ti­vi­tät

Fan­ta­sie muss mehr sein, als ein Instru­ment zur Ablen­kung vom All­tag, des­halb ist es klug, ein mög­lichst rei­ches Fan­ta­sie­le­ben zu haben. Fan­ta­sie, beson­ders die träu­me­ri­sche, wird all­ge­mein belä­chelt oder sogar ver­ach­tet. Der all­täg­li­che Kon­kur­renz­kampf ver­langt von uns, mit bei­den Bei­nen auf dem soge­nann­ten Boden der Tat­sa­chen zu ste­hen, und da ist kein Platz für Träu­me­rei­en.

„Schus­ter, bleib bei dei­nen Leis­ten“, ist ein belieb­ter alter Spruch. Wage nie mehr als das, was dir tra­di­tio­nell zuge­dacht ist, lau­tet das unaus­ge­spro­che­ne Mot­to dahin­ter.

Ein­falls­reich­tum und Fan­ta­sie wer­den in For­schung und Wis­sen­schaft erwar­tet. In der Unter­hal­tungs­in­dus­trie (Fan­ta­sy, Sci­ence-Fic­tion, Mys­tery) ist Fan­ta­sie ein gro­ßes Geschäft. Aller­dings erschöpft sich die­se in einem Sam­mel­su­ri­um von Ste­reo­ty­pen, die sich peri­odisch wie­der­ho­len und in Kli­schees ste­cken geblie­ben sind. Die kom­mer­zi­el­le Fan­ta­sie ist stan­dar­di­siert und eigent­lich gar kei­ne, son­dern bloß ein gutes Geschäft.

Stan­dar­di­sier­te Fan­ta­sie

In einem Zimmer sitzt ein junger Mann an einem Computer und taucht in seine Fantasiewelt ein.

Jen­seits der Fan­ta­sie unse­rer Sci­ence-Fic­tion oder Hor­ror-Fil­me besteht unser Leben fast nur aus den stän­dig wie­der­keh­ren­den Abläu­fen: Arbeit, Kon­sum und Frei­zeit­ge­stal­tung. Fan­ta­sie ist eine Ware, die wir kon­su­mie­ren, um der Trist­heit unse­res All­tags­le­bens für kur­ze Zeit zu ent­kom­men. Doch nicht wir fan­ta­sie­ren oder träu­men, son­dern tau­chen in die Fan­ta­sien ein, die ande­re für uns ent­wi­ckelt haben.

Sie ist sehr wich­tig für unse­re Ent­wick­lung, beson­ders in unse­rer Kind­heits­pha­se. Ohne Fan­ta­sie gäbe es kaum wert­vol­le Erfin­dun­gen. Sie ist eine der Haupt­trieb­fe­dern aller Ent­wick­lun­gen, ohne die wir viel­leicht noch in Höh­len säßen. Ohne sie gäbe es wahr­schein­lich kei­ne Wis­sen­schaft und Tech­nik, kei­ne Kunst und kei­ne Lite­ra­tur.

Die Sache ver­hält sich näm­lich so: Wir wis­sen nicht immer, ob eine Idee krea­ti­ves Poten­zi­al besitzt. Leh­nen wir ver­rück­te und ver­spon­ne­ne Ideen ab, weil sie kei­nen Sinn erge­ben oder ande­ren nichts sagen, neh­men wir uns die Mög­lich­keit, unse­ren Hori­zont zu erwei­tern. Denn manch­mal ver­ste­cken sich die guten, genia­len Ideen hin­ter den schlech­ten. Um an die guten zu kom­men, müs­sen wir also die schlech­ten zulas­sen. Und das bedeu­tet: Wir soll­ten Blöd­sinn den­ken, alber­ne und ver­rück­te Ideen lie­ben, her­um­spin­nen und unse­rer Fan­ta­sie frei­en Lauf las­sen.


Selbst­kri­tik

Die kritische Betrachtung der eigenen Gedanken.

Klug ist es, unser eige­nes Den­ken kri­tisch zu betrach­ten. Denn oft sind unse­re Mei­nun­gen und Ansich­ten nur Kopien, die wir irgend­wo auf­ge­grif­fen haben oder uns ein­ge­prägt wur­den. Wir haben sie nie ernst­haft über­prüft. Des­we­gen soll­ten wir als Erwach­se­ne ein gesun­des Miss­trau­en gegen­über dem Boll­werk unse­rer ein­ge­schrie­be­nen Gedan­ken haben. Wer glaubt, einen gesun­den Men­schen­ver­stand zu haben, soll­te sich vor die­sem bes­ser in Acht neh­men.

Kon­di­tio­nier­tes Den­ken erken­nen

Es ist klug, das eige­ne Den­ken auf Authen­ti­zi­tät zu über­prü­fen. Das ist nicht leicht, denn nach wel­chen Kri­te­ri­en sol­len wir dabei vor­ge­hen? Es gibt jedoch eine Tech­nik, die uns dabei hel­fen kann: Zuerst müs­sen wir das Kunst­stück fer­tig­brin­gen, all das, was wir den­ken und mei­nen, zu igno­rie­ren.

Bild­lich gespro­chen, ver­schie­ben wir unse­re Ansich­ten und Mei­nun­gen aus unse­rem Haupt­spei­cher in den Papier­korb. Dann holen wir sie ein­zeln wie­der her­vor, legen sie in den Zwi­schen­spei­cher und prü­fen sie anhand fol­gen­der Kri­te­ri­en:

  • Woher weiß ich das?
  • Was bedeu­tet es für mich, so zu den­ken?
  • War­um gefal­len mir die­se Gedan­ken?
  • Habe ich das selbst erlebt oder beob­ach­tet?
  • Reflek­tiert die­ses Den­ken mei­ne eige­ne Erfah­rung?
  • Ist es zwin­gend, wie ich in die­ser Ange­le­gen­heit den­ke?
  • Was wäre, wenn es anders ist, und was wür­de das für mich bedeu­ten?
  • Was weiß ich wirk­lich dar­über?
  • Woher will ich wis­sen, dass ich etwas rich­tig ver­stan­den habe?

Anhand sol­cher und ähn­li­cher Fra­gen betrach­ten wir unse­re Mei­nun­gen und Über­zeu­gun­gen. Sind wir wirk­lich dar­an inter­es­siert und ehr­lich zu uns selbst, wer­den wir ein paar fin­den, die nicht wirk­lich die unse­ren sind. Wir glau­ben es nur, weil man uns gesagt hat, dass wir es glau­ben sol­len. Viel­leicht erken­nen wir sogar, dass fast alles, wovon wir über­zeugt sind, einen frem­den Ursprung hat.

Wie gesagt, ist das schwie­rig, denn unse­re Mei­nun­gen, Ansich­ten und Über­zeu­gun­gen sind ein Teil unse­rer Iden­ti­tät, die im Lau­fe vie­ler Jah­re ent­stan­den ist. Meis­tens ist es uns dabei egal, ob sie echt sind oder nur kopier­te Scha­blo­nen. Es kommt auf uns an: Wir müs­sen es wol­len – das ist die unan­ge­neh­me Vor­be­din­gung.

Das befrei­te Den­ken

Doch wenn es uns gelingt, wer­den wir uns ver­än­dern. Zukünf­ti­ge Mei­nun­gen ver­tre­ten wir authen­ti­scher, da sie wirk­lich unse­re sind. Wir kön­nen uns zwar nicht immer sicher sein, uns nicht zu irren, doch die­ses Risi­ko ist eine der Vor­aus­set­zun­gen für krea­ti­ves und offe­nes Den­ken.

Wir haben jetzt jedoch die Mög­lich­keit, unse­re Mei­nun­gen und Ansich­ten zu ändern oder zu rela­ti­vie­ren, ohne uns selbst als wider­sprüch­lich zu emp­fin­den. Wir wis­sen, dass wir nicht voll­kom­men sind und kogni­ti­ve Pro­zes­se stets einen Wand­lungs­pro­zess unter­lie­gen. Wir kön­nen uns ent­spannt selbst beob­ach­ten.

Wir sind nicht mehr dar­an inter­es­siert, eine vor­de­fi­nier­te Mei­nung zu haben, nur weil unse­re Freun­de oder Eltern so den­ken oder es von uns erwar­tet wird. Wir sind jetzt unab­hän­gig und gleich­zei­tig neu­gie­rig und wol­len die Din­ge selbst ent­de­cken und ver­ste­hen. Außer­dem haben wir Ver­ständ­nis für die Mei­nun­gen ande­rer, auch wenn wir sie nicht tei­len. Wir kön­nen leben­dig dar­über dis­ku­tie­ren, ohne uns per­sön­lich ange­grif­fen zu füh­len, wenn man nicht so denkt wie wir.

End­lich sind wir erwach­sen.


EMO­TIO­NA­LE KLUG­HEIT


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