Behaup­tun­gen


Behaup­tun­gen soll­ten begrün­det wer­den kön­nen

Eine Behaup­tung ohne Begrün­dung besitzt kei­nen Wert, denn es ist kei­ne Kunst etwas zu behaup­ten – das kann jeder.

Stel­len wir eine Behaup­tung auf, soll­ten wir die­se auch begrün­den kön­nen. Die Begrün­dung muss dann unse­re Behaup­tung aus­rei­chend erklä­ren. Tut sie das nicht, soll­ten wir nach einer bes­se­ren suchen. Fin­den wir kei­ne, soll­ten wir unse­re Behaup­tung noch ein­mal über­prü­fen und ggf. revi­die­ren.

Behaup­tet bei­spiels­wei­se jemand etwas sehr Unwahr­schein­li­ches, das nir­gend­wo beob­ach­tet oder abge­lei­tet wer­den kann, muss er die Behaup­tung auch aus­rei­chend erklä­ren (wenn er ernst genom­men wer­den will). Tut er das nicht, darf er sich nicht wun­dern, wenn ihm nicht geglaubt und viel­leicht auch über ihn gelacht wird.

Die Per­son, die etwas nicht behaup­tet bzw. sich einer Behaup­tung nicht anschließt, muss hin­ge­gen nicht erklä­ren, war­um sie das nicht tut. Nur der Behaup­ten­de hat eine Erklä­rungs­pflicht.

Selbst­er­klä­ren­de Behaup­tun­gen gibt es nicht

Begrün­den wir eine Behaup­tung, ist es rat­sam, sorg­fäl­tig dabei vor­zu­ge­hen. Unse­re Begrün­dung darf kei­ne wei­te­re Behaup­tung sein. Lei­der ist das oft doch der Fall, ohne das wir es mer­ken: Wir wie­der­ho­len unse­re Äuße­rung ledig­lich aus­führ­li­cher oder mit ande­ren Wor­ten und den­ken, jetzt wäre sie nach­voll­zieh­bar.

Wird uns unse­re Behaup­tung nicht geglaubt, soll­ten wir sie anhand fol­gen­der und ähn­li­cher Fra­gen prü­fen und noch ein­mal reka­pi­tu­lie­ren:

  • War­um bin ich die­ser Mei­nung?
  • War­um ist sie mir so wich­tig?
  • Wo kann man mei­ne Behaup­tung beob­ach­ten?
  • Kann mein Gesprächs­part­ner mei­ne Logik oder Argu­men­ta­ti­on nach­voll­zie­hen?

Sind uns die­se Fra­gen egal, legen wir wahr­schein­lich kei­nen oder nur wenig Wert dar­auf, dass unse­re Behaup­tung über­haupt stimmt. Wir mögen dann nur die Idee dahin­ter. Sind wir hin­ge­gen wirk­lich von ihr über­zeugt, wer­den wir uns auch die Mühe geben, sie ver­ständ­lich dar­zu­le­gen und logisch zu begrün­den. Es ist uns wich­tig, dass man uns nicht nur glaubt, son­dern auch rich­tig ver­steht.

Leh­nen wir es ab, unse­re Behaup­tung zu begrün­den, kann das auch dar­an lie­gen, dass wir sie für eine aprio­ri­sche Tat­sa­che hal­ten. Die Fra­ge nach der Erklä­rung emp­fin­den wir dann viel­leicht als absicht­li­ches Stör­feu­er, Pro­vo­ka­ti­on oder auch Bös­ar­tig­keit.

Behaup­tungs­ka­te­go­rien

Tat­sa­chen­be­haup­tung
„Die Erde bewegt sich auf einer Bahn um die Son­ne.“ Ist nur for­mell eine Behaup­tung, son­dern eher eine Tat­sa­chen­fest­stel­lung, denn wir kön­nen es beob­ach­ten.

Infor­ma­ti­ons­be­haup­tung
„Die Musik gefällt mir nicht.“ Ist ähn­lich der ers­ten Kate­go­rie, denn wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass ich kei­nen Grund zur Lüge habe. Im Gegen­satz zur Tat­sa­chen­be­haup­tung könn­te das jedoch der Fall sein, denn Infor­ma­tio­nen sind nicht immer rich­tig. Doch höchst­wahr­schein­lich stimmt sie.

Ver­mu­tungs­be­haup­tung
„Wenn du die­ses Buch liest, wirst du schlau­er sein als vor­her.“ Ich über­tra­ge ein per­sön­li­ches Erleb­nis auf ande­re. Ich berück­sich­ti­ge dabei nicht den sub­jek­ti­ven Cha­rak­ter mei­ner Erfah­rung. Das, was für mich gilt, muss für ande­re nicht auch gel­ten. Ob ich recht habe, wird sich erst noch bewei­sen müs­sen. Könn­te stim­men oder auch nicht.

Glau­bens­be­haup­tung
„Gott erschuf den Men­schen.“ Ich gebe einen über­lie­fer­ten Glau­bens­satz wie­der. Mei­ne Behaup­tung ist kei­ne Erfah­rung und reflek­tiert kein Wis­sen. Sie ist eine Äuße­rung, die weder wider­legt noch bestä­tigt wer­den kann.


Sub­jek­ti­ve Logik

Logik ist ein Prin­zip, mit dem wir oft und ger­ne argu­men­tie­ren, wenn wir eine Mei­nung oder Ansicht ver­tre­ten. Wir sagen: „Das ist doch logisch!“, und glau­ben, damit wären alles klar. Wir emp­fin­den es als über­flüs­sig, unse­re Logik zu über­prü­fen, weil wir ein­fach davon aus­ge­hen, dass sie rich­tig ist.

Über­prü­fen wir sie trotz­dem, benut­zen wir dazu oft unse­re eige­nen Kri­te­ri­en, die eben­falls sub­jek­ti­ve Annah­men sind. Das ist im Gro­ßen und Gan­zen die Beweis­füh­rung, mit der wir unse­re Logik veri­fi­zie­ren.

Wir nei­gen also dazu, unse­re sub­jek­ti­ve Wahr­neh­mung zu ver­all­ge­mei­nern. Das machen wir ganz selbst­ver­ständ­lich. Wir spre­chen dann ger­ne vom »gesun­den Men­schen­ver­stand«, der uns die Auf­ga­be abnimmt, über unse­re Behaup­tung oder Mei­nung ernst­haft nach­zu­den­ken.

Die­se Nei­gung wird durch unse­re Unfä­hig­keit geför­dert, nicht immer zwi­schen Sub­jek­ti­vi­tät und Objek­ti­vi­tät unter­schei­den zu kön­nen. Aller­dings wol­len wir das oft auch gar nicht, denn dann müss­ten wir uns Fra­gen stel­len, die uns nicht gefal­len.

Sub­jek­ti­ve Objek­ti­vi­tät

Wir kön­nen bei­spiels­wei­se nicht nach­voll­zie­hen, war­um ein ande­rer Mensch eine Musik­form, eine Spei­se oder eine Mode mag, die uns selbst nicht gefällt. Da wir aber gelernt haben, dass Geschmä­cker unter­schied­lich sein kön­nen, sind wir fähig, ande­re Geschmä­cker zu tole­rie­ren.

Schwie­rig wird es, wenn wir zwi­schen einer objek­ti­ven Tat­sa­che und einer sub­jek­ti­ven Wahr­neh­mung unter­schei­den sol­len, denn Letz­te­res hat für uns – aus unse­rer sub­jek­ti­ven Per­spek­ti­ve – oft einen objek­ti­ven Anschein. Die­se Unfä­hig­keit zur objek­ti­ven Beur­tei­lung unse­rer Wahr­neh­mun­gen ist umso stär­ker aus­ge­prägt, je mehr wir emo­tio­nal von einer Mei­nung abhän­gig sind.

Ver­klau­su­lier­te Logik

Eine Rennbahn in Spiralen und Schildkröten und kleinen Achillesse, die herumlaufen.

Selbst­ver­ständ­lich wis­sen wir, Zen­ons Para­do­xon von Achil­les und der Schild­krö­te ist nicht wirk­lich stim­mig. Trotz­dem fas­zi­niert es uns, denn sonst wür­den wir nicht seit Jahr­tau­sen­den dar­über phi­lo­so­phie­ren und Abhand­lun­gen dazu ver­fas­sen. Doch es besitzt nur des­halb eine phi­lo­so­phi­sche Rele­vanz, weil sei­ne sug­ges­ti­ve For­mu­lie­rung die­se Asso­zia­ti­on her­aus­for­dert.

Es ist eigent­lich gar kein Para­do­xon, son­dern bloß ein rhe­to­ri­sches Kon­strukt, das uns zu Asso­zia­tio­nen ver­lei­tet, die von der dar­ge­stell­ten Situa­ti­on gar nicht ableit­bar wären, wür­den wir auf­merk­sam zuhö­ren. Doch das tun wir nicht. Denn was beschreibt Zen­on?

1. Etap­pe: Achil­les star­tet von Punkt 1 (der Start­li­nie) und läuft zu Punkt 2, dem Ort, an dem die Schild­krö­te sich befand, als er von Punkt 1 star­te­te.

2. Etap­pe: Ohne anzu­hal­ten oder sei­ne Geschwin­dig­keit zu min­dern, läuft er von Punkt 2 wei­ter zu Punkt 3, dem Ort, an dem die Schild­krö­te sich befand, als Achil­les Punkt 2 erreich­te.

3. Etap­pe: Wie­der ohne anzu­hal­ten oder lang­sa­mer zu wer­den, läuft Achil­les wei­ter von Punkt 3 zu Punkt 4, dem Ort, an dem die Schild­krö­te sich befand, als er Punkt 3 erreich­te. Und so wei­ter und so fort …

Jede Etap­pe ist kür­zer als die vor­an­ge­gan­ge­ne. Irgend­wann sind sie so kurz, dass sie gegen null gehen. Das bedeu­tet: Bevor Achil­les eine neue Etap­pe star­ten kann, hat er den nächs­ten Etap­pen­punkt bereits erreicht. Achil­les über­holt die Schild­krö­te also nicht des­halb nicht, weil es ihm aus irgend­ei­nem Grund nicht mög­lich ist, son­dern weil ab einem gewis­sen Punkt sein Etap­pen­start mit sei­nem Etap­pen­ziel ver­schmel­zen.

In der dar­ge­stell­ten, idea­li­sier­ten Sze­ne ist es näm­lich gar nicht Achil­les Auf­ga­be, die Schild­krö­te zu über­ho­len, son­dern nur ihre Höhe zu errei­chen. Und das gelingt ihm auch. Achil­les erreicht sein Ziel schon, doch das ist eben nicht das Ende der Stre­cke, son­dern die Posi­ti­on der Schild­krö­te.

Die Geschich­te von Achil­les und der Schild­krö­te ist somit kein Para­do­xon. Das Para­do­xon, das wir in die­ser Erzäh­lung zu erken­nen glau­ben, ist nur das Resul­tat der ver­klau­su­lier­ten For­mu­lie­rung von Zen­on, die uns etwas asso­zi­ie­ren lässt, was gar nicht da ist. Wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen, wie Archil­les Schritt­län­ge und die Grö­ße der Schild­krö­te, wer­den ein­fach weg­ge­las­sen.

Die dar­ge­stell­te Sze­ne hat ein ent­schei­den­des Feh­ler: Sie wäre theo­re­tisch stim­mig, wenn Achil­les Schrit­te klei­ner als die der Schild­krö­te wären und nach jeder Etap­pe klei­ner wer­den und ins »unend­lich Klei­ne« ten­die­ren. Das ist jedoch nicht mög­lich. Bekä­me die Schild­krö­te bei­spiels­wei­se nur einen hal­ben Meter Vor­sprung, wür­de Achil­les sie bereits mit einem Schritt über­ho­len!

Eigent­lich ist es also absurd, dar­über zu phi­lo­so­phie­ren. Dass wir es trotz­dem tun, zeigt: Wir hören oft nicht rich­tig zu, sehen nicht rich­tig hin, lesen nicht rich­tig und sind oben­drein leicht mit Effek­ten zu beein­flus­sen. Selbst die Intel­li­gen­tes­ten unter uns.

Logik kann ein­fach sein

Logik ist eigent­lich etwas Ein­fa­ches. Sie setzt aller­dings eine Fähig­keit vor­aus, die wir nicht immer besit­zen: die Fähig­keit, Fak­ten, Gescheh­nis­se oder Umstän­de (tech­nisch gespro­chen: Daten) mit Abstand zu betrach­ten, wahr­zu­neh­men und zu beur­tei­len. Denn meis­tens sind wir ziem­lich zer­streut und abge­lenkt, weil wir emo­tio­nal ein­ge­bun­den sind – also abhän­gig von einem bestimm­ten Ergeb­nis unse­rer „Unter­su­chung“. Und das auf einer Ebe­ne, die uns gar nicht bewusst ist. Des­halb über­se­hen wir vie­les oder inter­pre­tie­ren die Daten falsch. In die­sem Zustand befin­den wir uns lei­der fast unser gesam­tes Leben.

Sicher­lich spielt der Grad der Kom­ple­xi­tät auch eine wich­ti­ge Rol­le. Wer nach­voll­zie­hen will, wie eine mecha­ni­sche Uhr im Detail funk­tio­niert, muss schon ein Uhr­ma­cher sein.

Doch nor­ma­ler­wei­se sind die Umstän­de, Situa­tio­nen und Sach­ver­hal­te, mit denen wir es im Leben zu tun haben, bei Wei­tem nicht so kom­plex wie eine mecha­ni­sche Uhr. So ist es bei­spiels­wei­se leicht nach­zu­voll­zie­hen, dass Fried­lich­keit und Freund­lich­keit für alle Men­schen gut sind und des­we­gen auch für den Ein­zel­nen. Will man freund­lich und fried­lich behan­delt wer­den (was im Prin­zip auf jeden zutrifft) ist es abso­lut zwin­gend und logisch, sich selbst freund­lich und fried­lich zu ver­hal­ten.

Doch selt­sa­mer­wei­se ver­schlie­ßen wir uns oft der ein­fa­chen Logik des Lebens. Han­deln oder den­ken wir unlo­gisch, liegt das also nicht unbe­dingt an unse­rer Unfä­hig­keit dazu, son­dern weil Logik uns den Spaß am irra­tio­na­len Leben ver­der­ben kann. Krieg kann Spaß machen, weil er Aben­teu­er beinhal­tet, doch in der Rück­schau ist er schreck­lich. Trotz­dem wol­len wir nicht dar­auf ver­zich­ten. Das ist extrem unlo­gisch.


2 Gedanken zu „Behaup­tun­gen“

  1. Feh­ler sind nicht das Pro­blem – ent­schei­dend ist der Wil­le, der dahin­ter­steckt.
    Nach Kant: das Wol­len.
    Wenn Jour­na­lis­ten Infor­ma­tio­nen und Bei­trä­ge nach ihrer per­sön­li­chen Welt­an­schau­ung aus­wäh­len und das auch noch objek­tiv begrün­den wol­len, dann habe ich ein Pro­blem mit der Nach­voll­zieh­bar­keit.

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    • Ja klar gibt es das, denn Jour­na­lis­ten sind letzt­end­lich auch nur nor­ma­le Men­schen und des­halb beein­fluss­bar oder sub­jek­tiv. Manch­mal geht es aber auch nur um die Kar­rie­re, sodass ein Jour­na­list das schreibt, was man von ihm hören will. Bei recht­se­so­te­ri­schen Jour­na­lis­ten beob­ach­tet man das oft.

      Im Gro­ßen und ganz ist die Medi­en­land­schaft in Deutsch­land aber objek­tiv. Natür­lich gibt es Jour­na­lis­ten, die absicht­lich Fal­sch­nach­rich­ten ver­öf­fent­li­chen, um sich einen Namen zu machen. Aber geschum­melt und betro­gen wird über­all.

      Ich den­ke, Wis­sen­schaft­ler, Poli­ti­ker, Kauf­män­ner, Taxi­fah­rer, Brief­trä­ger, Bus­fah­rer etc. schum­meln auch nicht weni­ger oder mehr als ande­re Leu­te.

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