Behauptungen sollten begründet werden können
Eine Behauptung ohne Begründung besitzt keinen Wert, denn es ist keine Kunst etwas zu behaupten — das kann jeder.
Stellen wir eine Behauptung auf, sollten wir diese auch begründen. Die Begründung muss unsere Behauptung hinreichend erklären. Tut sie das nicht, sollten wir nach einer besseren suchen. Finden wir keine, sollten wir unsere Behauptung noch einmal überprüfen und ggf. revidieren.
Wenn Person A sagt: Hinter den Bergen befindet sich ein Wald und Person B sagt: Hinter den Bergen befindet sich ein See, dann müssen beide erklären können, warum sie das denken oder zu wissen glauben — wenn sie ernst genommen werden wollen.
Behauptet jedoch nur Person A zu wissen, was hinter dem Berg ist, muss die andere nicht erklären, warum sie das nicht tut. Die Erklärungspflicht hat allein die behauptende Person.
Behauptungskategorien
Tatsachenbehauptung
„Die Erde bewegt sich auf einer Bahn um die Sonne.“ Ist nur formell eine Behauptung, sondern eher eine Tatsachenfeststellung, denn wir können es beobachten.
Informationsbehauptung
„Die Musik gefällt mir nicht.“ Ist ähnlich der ersten Kategorie, denn wir können davon ausgehen, dass ich keinen Grund zur Lüge habe. Im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung könnte das jedoch der Fall sein, denn Informationen sind nicht immer richtig. Doch höchstwahrscheinlich stimmt sie.
Wahrscheinlichkeitsbehauptung
„Im Keller müsste noch eine Flasche Wein sein.“ Ich bin in dem Glauben, noch im Besitz einer Flasche Wein zu sein. Wahrscheinlich stimmt das, trotzdem könnte ich mich irren. Wir haben aber keinen Grund, an meiner Aussage grundsätzlich zu zweifeln.
Vermutungsbehauptung
„Wenn du dieses Buch liest, wirst du schlauer sein als vorher.“ Ich übertrage ein persönliches Erlebnis auf andere. Ich berücksichtige dabei nicht den subjektiven Charakter meiner Erfahrung. Das, was für mich gilt, muss für andere nicht auch gelten. Ob ich recht habe, wird sich erst noch beweisen müssen. Könnte stimmen oder auch nicht.
Glaubensbehauptung
„Gott erschuf den Menschen.“ Ich gebe einen überlieferten Glaubenssatz wieder. Meine Behauptung ist keine Erfahrung und reflektiert kein Wissen. Sie ist eine Äußerung, die weder widerlegt noch bestätigt werden kann.
Selbsterklärenden Behauptungen gibt es nicht
Begründen wir eine Behauptung, ist es ratsam, sorgfältig dabei vorzugehen. Unsere Begründung darf keine weitere Behauptung sein, was leider oft der Fall ist, ohne dass es uns auffällt: Wir wiederholen unsere Äußerung lediglich etwas ausführlicher oder mit anderen Worten und denken, dadurch wäre sie nachvollziehbar oder selbsterklärend.
Wir sollten unsere Behauptungen anhand von Beispielen und weiterführenden Gedanken plausibel machen:
Warum sind wir dieser Meinung?
Beispiele, die zeigen, wie wir zu dieser Meinung gekommen sind.
Wo kann man das, was wir behaupten, beobachten?
Kann mein Gesprächspartner meine Logik oder Argumentation nachvollziehen?
Sind uns diese Fragen egal, legen wir wahrscheinlich keinen oder nur wenig Wert darauf, dass unserer Behauptung überhaupt stimmt. Wir mögen dann nur die Idee dahinter. Sind wir hingegen wirklich von der Richtigkeit unserer Behauptung überzeugt, werden wir uns auch die Mühe machen, sie verständlich darzulegen und logisch zu begründen.
Lehnen wir es ab, unsere Behauptung zu begründen, liegt das oft daran, dass wir sie für eine apriorische Tatsache halten. Die Frage nach der Erklärung empfinden wir dann vielleicht als absichtliches Störfeuer oder Provokation. Wir denken, unser Gesprächspartner hat uns schon richtig verstanden, stellt sich aber dumm und verstehen die Aufforderung zur Begründung als Angriff.
Subjektive Logik
Logik ist ein Prinzip, mit dem wir oft und gerne argumentieren, sobald wir eine Meinung oder Ansicht vertreten. Wir sagen: “Das ist doch logisch”, und glauben, weitere “Erklärungen” wären deshalb unnötig. Wir empfinden es als überflüssig, unsere Logik zu überprüfen, weil wir a priori davon ausgehen, dass sie richtig ist. Überprüfen wir sie trotzdem, benutzen wir dazu oft unsere eigenen Kriterien, die ebenfalls subjektive Annahmen sind. Sie ist für uns richtig, weil wir sie als richtig etikettieren. Das ist im Großen und Ganzen die »Beweisführung«, mit der wir unsere Logik verifizieren.
Werden wir aufgefordert, etwas logisch zu begründen, neigen wir also dazu, unsere subjektive Wahrnehmung zu verallgemeinern. Wir sprechen dann gern vom »gesunden Menschenverstand«, den wir uns kurzerhand selbst attestieren und der uns die Aufgabe abnimmt, unsere Behauptung oder Meinung plausibel zu machen.
Diese Neigung wird durch unsere Unfähigkeit gefördert, nicht immer zwischen Subjektivität und Objektivität unterscheiden zu können. Allerdings wollen wir das oft auch gar nicht, denn dann müssten wir uns Fragen stellen, die uns nicht gefallen.
Subjektive Objektivität
Wir können beispielsweise nicht nachvollziehen, warum ein anderer Mensch eine Musikform, eine Speise oder eine Mode mag, die uns selbst nicht gefällt. Da wir aber gelernt haben, dass Geschmäcker unterschiedlich sein können, sind wir fähig, andere Geschmäcker zu tolerieren.
Schwierig wird es, wenn wir zwischen einer objektiven Tatsache und einer subjektiven Wahrnehmung unterscheiden sollen, denn Letzteres hat für uns — aus unserer subjektiven Perspektive — oft einen objektiven Anschein. Diese Unfähigkeit zur objektiven Beurteilung unserer Wahrnehmungen ist umso stärker ausgeprägt, je mehr wir emotional von einer Meinung abhängig sind.
Verklausulierte Logik
Selbstverständlich wissen wir, Zenons Paradoxon von Achilles und der Schildkröte ist nicht wirklich stimmig. Trotzdem fasziniert es uns, denn sonst würden wir nicht seit Jahrtausenden darüber philosophieren und Abhandlungen dazu verfassen. Doch es besitzt nur deshalb eine philosophische Relevanz, weil seine suggestive Formulierung diese Assoziation herausfordert.
Es ist eigentlich gar kein Paradoxon, sondern bloß ein rhetorisches Konstrukt, das uns zu Assoziationen verleitet, die von der dargestellten Situation gar nicht ableitbar wären, würden wir aufmerksam zuhören. Doch das tun wir nicht. Denn was beschreibt Zenon?
1. Etappe: Achilles startet von Punkt 1 (der Startlinie) und läuft zu Punkt 2, dem Ort, an dem die Schildkröte sich befand, als er von Punkt 1 startete.
2. Etappe: Ohne anzuhalten oder seine Geschwindigkeit zu mindern, läuft er von Punkt 2 weiter zu Punkt 3, dem Ort, an dem die Schildkröte sich befand, als Achilles Punkt 2 erreichte.
3. Etappe: Wieder ohne anzuhalten oder langsamer zu werden, läuft Achilles weiter von Punkt 3 zu Punkt 4, dem Ort, an dem die Schildkröte sich befand, als er Punkt 3 erreichte. Und so weiter, und so fort …
Jede Etappe ist kürzer als die vorangegangene. Irgendwann sind sie so kurz, dass sie gegen null gehen. Das bedeutet: Bevor Achilles eine neue Etappe starten kann, hat er den nächsten Etappenpunkt bereits erreicht. Achilles überholt die Schildkröte also nicht deshalb nicht, weil es ihm aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, sondern weil ab einem gewissen Punkt sein Etappenstart mit seinem Etappenziel verschmelzen.
In der dargestellten, idealisierten Szene ist es nämlich gar nicht Achilles Aufgabe die Schildkröte zu überholen, sondern nur ihre Höhe zu erreichen. Und das gelingt ihm auch. Achilles erreicht sein Ziel schon, doch das ist eben nicht das Ende der Strecke, sondern die Position der Schildkröte.
Die Geschichte von Achilles und der Schildkröte ist somit kein Paradoxon. Das Paradoxon, das wir in dieser Erzählung zu erkennen glauben, ist nur das Resultat der verklausulierten Formulierung von Zenon, die uns etwas assoziieren lässt, was gar nicht da ist.
Die dargestellte Szene hat ein entscheidendes Logikfehler: Sie wäre theoretisch stimmig, wenn Achilles Schritte kleiner sind als die der Schildkröte und nach jeder Etappe kleiner werden und ins »unendlich Kleine« tendieren. Das ist jedoch nicht möglich. Bekäme die Schildkröte beispielsweise nur einen halben Meter Vorsprung, würde Achilles sie bereits nach einem Schritt überholt haben!
Eigentlich ist es also absurd, darüber zu philosophieren. Dass wir es trotzdem tun, zeigt: Wir hören oft nicht richtig zu, sehen nicht richtig hin, lesen nicht richtig und sind obendrein leicht mit Effekten zu beeinflussen. Selbst die Intelligentesten unter uns.
Logik kann einfach sein
Logik ist eigentlich etwas Einfaches. Sie setzt allerdings eine Fähigkeit voraus, die wir nicht immer besitzen: Die Fähigkeit, Fakten, Geschehnisse oder Umstände (technisch gesprochen: Daten) mit Abstand zu betrachten, wahrzunehmen und zu beurteilen. Denn meistens sind wir ziemlich zerstreut und abgelenkt, weil wir emotional eingebunden sind — also abhängig von einem bestimmten Ergebnis unserer „Untersuchung“. Und das auf einer Ebene, die uns gar nicht bewusst ist. Deshalb übersehen wir vieles oder interpretieren die Daten falsch. In diesem Zustand befinden wir uns leider fast unser gesamtes Leben.
Sicherlich spielt der Komplexheitsgrad auch eine wichtige Rolle. Wer nachvollziehen will, wie eine mechanische Uhr im Detail funktioniert, muss schon ein Uhrmacher sein.
Doch normalerweise sind die Umstände, Situationen und Sachverhalte, mit denen wir es im Leben zu tun haben, bei Weitem nicht so komplex, wie eine mechanische Uhr. So ist es beispielsweise leicht nachzuvollziehen, dass Friedlichkeit und Freundlichkeit für alle Menschen gut sind und deswegen auch für den Einzelnen. Will man freundlich und friedlich behandelt werden (was im Prinzip auf jeden zutrifft) ist es absolut zwingend und logisch, sich selbst freundlich und friedlich zu verhalten.
Doch seltsamerweise verschließen wir uns oft der einfachen Logik des Lebens. Handeln oder denken wir unlogisch, liegt das also nicht unbedingt an unserer Unfähigkeit dazu, sondern weil Logik uns den Spaß am irrationalen Leben verderben kann. Krieg kann Spaß machen, weil er Abenteuer beinhaltet, doch in der Rückschau ist er schrecklich. Trotzdem wollen wir nicht darauf verzichten. Das ist extrem unlogisch.
Fehler sind nicht das Problem — entscheidend ist der Wille, der dahintersteckt.
Nach Kant: das Wollen.
Wenn Journalisten Informationen und Beiträge nach ihrer persönlichen Weltanschauung auswählen und das auch noch objektiv begründen wollen, dann habe ich ein Problem mit der Nachvollziehbarkeit.
Ja klar gibt es das, denn Journalisten sind letztendlich auch nur normale Menschen und deshalb beeinflussbar oder subjektiv. Manchmal geht es aber auch nur um die Karriere, sodass ein Journalist das schreibt, was man von ihm hören will. Bei rechtsesoterischen Journalisten beobachtet man das oft.
Im Großen und ganz ist die Medienlandschaft in Deutschland aber objektiv. Natürlich gibt es Journalisten, die absichtlich Falschnachrichten veröffentlichen, um sich einen Namen zu machen. Aber geschummelt und betrogen wird überall. Ich denke, Wissenschaftler, Politiker, Kaufmänner, Taxifahrer etc. schummel auch nicht weniger oder mehr als andere Leute.
Allerdings weiß ich nicht, was das mit dem Thema »Behauptungen« zu tun hat. Doch … jetzt sehe ich es: Journalisten behaupten auch manchmal etwas, ohne es zu begründen, genau wie alle anderen Menschen ebenfalls. Ich denke aber, dass die meisten sich die Mühe geben, seriös und objektiv zu sein. Zumindest in Deutschland. Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten achtet man beispielsweise immer noch sehr stark auf Seriosität. Bei den privaten Fernsehanstalten ist das leider nicht so oft der Fall. Da berichtet man eher das, was die Leute hören wollen.