Kein Problem und keine Mathematik
Der Showmaster sagt zur Kandidatin: Wenn Sie nicht Tür 1 nehmen, gebe ich ihnen Tür 2 und 3 dafür. Sie dürfen dann beide öffnen.
Viele kennen es schon, das sogenannte Ziegenproblem: In der Fernsehshow Let‘s make a deal (Geh‘ aufs Ganze) muss ein Kandidat eine von 3 Türen wählen, hinter der er sich einen Gewinn erhofft.
Danach öffnet der Showmaster eine der beiden anderen Türen, hinter der sich eine Niete (Ziege) befindet, und fragt den Kandidaten, ob er bei seiner Wahl bleibt oder zur dritte, noch verschlossene Tür wechselt. Der kann sich jetzt fragen:
- Soll ich bei meiner Wahl bleiben?
- Ist es besser zu wechseln?
- Oder ist es egal, weil die Chancen 50:50 stehen?
Die meisten Menschen sind der Meinung, es ist besser zu wechseln.
Der Einspruch der Skeptiker
Doch Skeptiker sagen: Es ist egal, also fifty-fifty, oder sogar von Nachteil, denn man könne nie wissen, welche Strategie der Spielleiter hat, ob er parteiisch oder unparteiisch ist. Theoretisch könnte er manipulativ sein, und diesen Faktor dürfe man nicht ignorieren.
Doch welchen Spielraum könnte der Showmaster haben, der es ihm erlaubt, eine „Strategie“ anzuwenden? Schließlich öffnet er bekanntlich immer eine Tür mit einer Ziege. Es ist also nicht so, dass er dem einen Kandidaten den Tausch anbietet und einem anderen nicht. In diesem Fall wäre die durchschnittliche Gewinnwahrscheinlichkeit vielleicht tatsächlich 50:50.
Alles, was er tun könnte, wäre, die Kandidaten unterschiedlich stark zum Wechsel zu drängen. Eine Kandidatin, die das richtige Tor bereits gewählt hat und ihm sehr sympathisch ist, wird er wahrscheinlich nicht wiederholt fragen: „Wollen sie nicht doch zum anderen Tor wechseln?“ Bei einem ihm unsympathischen Kandidaten macht er das vielleicht doch schon mal.
Und selbst wenn er unparteiisch ist (oder zumindest glaubt, es zu sein), könnte er unbewusst Signale aussenden, die den Kandidaten/die Kandidatin beeinflussen.
Doch würde der Spielleiter das tatsächlich tun, hätte das schon längst jemand bemerkt. Warum, erkläre ich am Ende dieser Seite.
Gruppenaufteilung, Schalen-Variante und Tabellarische Betrachtung
Diese drei Darstellungsformen zeigen auf unterschiedlichen Wegen, was passiert, wenn der Showmaster eine Tür öffnet oder die Kandidatin wechselt oder bei ihrer Wahl bleibt.
Die Gruppenaufteilung
Die Kandidatin wählt Tor 1. Anschließend teilen wir die Tore in Gruppen ein. Aus dem gewählten Tor bilden wir Gruppe A, aus den nicht gewählten die Gruppe B.

Man sieht sofort: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gewinn in Gruppe B ist, ist doppelt so hoch wie für Gruppe A. Doch würde die Kandidatin in dieser Situation zur Gruppe B wechseln, hätte sie noch zwischen Tor 2 und 3 zu wählen. Das halbiert die Gewinnwahrscheinlichkeit wieder.
Öffnet der Showmaster ein Tor in dieser Gruppe, fällt dieser zweite Wahlvorgang weg, doch die Gewinnwahrscheinlichkeit für Gruppe B ändert sich nicht – sie bleibt bei 2/3. Sie wurde zu Beginn des Spiels festgelegt und kann sich deshalb (durch das Öffnen eines oder auch mehrerer Tore) unmöglich ändern.
Der Kandidat wechselt nicht die Tür, sondern die Gruppe
Vor dem Öffnen hatten Tor 2 + 3 einzeln eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 und gemeinsam 2/3. Nach dem Öffnen besitzen sie zusammen immer noch 2/3, doch das geöffnete hat jetzt den Wert Null (0/3) und das geschlossene den Wert 2/3.
Tor 3 hat den Wahrscheinlichkeitswert von Tor 2 geerbt und ist ab jetzt der alleinige Wahrscheinlichkeitsträger in Gruppe B:

Zwei Türen im Tausch gegen eine
Öffnet der Moderator Tür 2, besteht Gruppe B nur noch aus einer wählbaren Tür, obwohl ihr Wahrscheinlichkeitswert zwei repräsentiert. Wenn man will, kann man den Vorgang auch so beschreiben:
Der Moderator bietet dem Kandidaten zwei Türen zum Tausch an, von denen er eine bereits geöffnet hat. (Die geöffnete gibt´s sozusagen gratis dazu. Sie ist zwar für nichts gut, schaden tut sie aber auch nicht.)
Noch deutlicher zeigt es dieses Szenario:
Anstatt dass der Spielleiter Tür 2 öffnet und die Kandidatin die Möglichkeit bekommt, zu Tür 3 zu wechseln, bietet er ihr an, Tür 1 direkt gegen Tür 2 + 3 einzutauschen, die sie dann auch beide öffnen darf.
Denn ob der Showmaster die eine Tür öffnet und die Kandidatin die andere oder der Showmaster keine und die Kandidatin beide, ist völlig egal.
Die Schalen-Variante (Los-Methode)
Stell dir folgendes Spiel vor:
Auf einem Tisch stehen 2 Schalen. In der linken liegt 1 Los und in der rechten liegen 2. Eins der drei Lose ist der Gewinn eines Autos, die beiden anderen sind Nieten. Nur der Spielleiter weiß, welches Los gewinnt. Dann entfernt er eine Niete aus der rechten Schale und fordert die Kandidatin auf, ein Los zu wählen.
Sollte sich der Gewinn tatsächlich in der rechten Schale befinden (was in 2 von 3 Fällen der Fall ist), besteht immer noch die fünfzigprozentige Gefahr, die Niete zu erwischst. Entfernt der Showmaster diese Niete, besteht diese Gefahr jedoch nicht mehr. Alles klar?
Das entspricht dem Öffnen einer Tür.
In diesem Spieleszenario geschieht das gleiche wie in dem mit den Türen und den Ziegen. Es sollte leicht zu erkennen sein. Im Prinzip ist es dasselbe Spiel, nur auf eine andere Art gespielt.
Die Schalen-Variante zeigt jedoch, warum sich durch das Öffnen einer Tür die Wahrscheinlichkeiten für die anderen Türen nicht ändern können: Entfernt der Spielleiter eine Niete aus der rechten Schale, verändert das nicht die Verteilung der Lose in den Schalen. Es bleibt bei der Wahrscheinlichkeitsverteilung von 1/3 für die linke und 2/3 für die rechte Schale, auch wenn die inzwischen nur noch 1 Los enthält.
Ändert man die Schalen-Variante etwas ab, sieht man, dass es sogar egal ist, ob dieses Spiel mit oder ohne Schalen gespielt wird (wie es bei der Tür-Variante der Fall ist):
Die unsichtbaren Schalen
Auf einem Tisch stehen 2 Schalen.
In der linken liegt 1 Los und in der rechten liegen 2.
Eins der drei Lose ist der Gewinn eines Autos, die beiden anderen sind Nieten.
Nur der Spielleiter weiß, welches Los gewinnt.
Nun die Abwandlung:
Der Spielleiter nimmt die Lose aus den Schalen heraus und legt sie vor die Schalen auf den Tisch. Vor der linken Schale liegt jetzt 1 Los und vor der rechten 2.
Dann entfernt er ein Los (eine Niete), das vor der rechten Schale liegt und nimmt auch beide Schalen vom Tisch.
Jetzt liegen also nur noch zwei Lose auf dem Tisch. Jemand, der erst jetzt hinzukommt und nicht weiß, was der Showmaster getan hat, wird denken müssen, dass die Wahrscheinlichkeiten für beide Lose gleich hoch sind.
Doch wer gesehen hat, was zuvor passiert ist, weiß, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit für das rechte Los doppelt hoch ist.
Wer also glaubt oder der Meinung ist, nach dem Öffnen der 2. Tür wären die Wahrscheinlichkeiten für Tür 1 + 3 statt 1/3 und 2/3 jetzt 1/2 und 1/2, verhält sich wie jemand, der nicht weiß, wie es dazu kam, dass vor ihm zwei scheinbar gleichberechtigte Lose auf dem Tisch liegen.
Alles, was uns als Angehöriger der Fifty-fifty-Fraktion deshalb gelingen muss, ist zu erkennen, dass Tür 2 + 3 (bzw. die Türen, die die Kandidatin nicht gewählt hat) in einer imaginären „Schale“ stehen.
Die tabellarische Betrachtung
Die Tabellarische Aufstellung macht es ebenfalls deutlich. Wir wissen, im Durchschnitt wird jede Kandidatin/jeder Kandidat bei jedem 3. Spiel das richtige Tor auswählen. Davon lässt sein ableiten:

Aus statistischer Sicht ist es also immer vorteilhaft, zu wechseln: Zweimal pro drei Spiele wählt der Kandidat eine Ziege, doch er wechselt und bekommt das Auto. Doch nur einmal pro drei Spiele bekommt er das Auto, wenn er nicht wechselt.
Kein mathematisches Rätsel
Ich betrachte das Ziegenproblem deshalb nicht als mathematisches Rätsel (als das es manchmal bezeichnet wird), sondern eher als eine Art der assoziativen Täuschung – im Sinn einer optischen Täuschung. Im Grunde genommen ist es einfach, doch das Öffnen der Tür verwirrt uns – ohne dass wir es merken. Es ist wie bei einem Illusionisten, der mit überflüssigen Bewegungen und allerlei Schnickschnack unsere Aufmerksamkeit vom wirklichen Geschehen ablenkt.
Wenn wir „verwirrt“ sind, ist folgende Beobachtung von zentraler Bedeutung: Durch das Öffnen eine Tür glauben wir, zusätzliche Informationen erhalten zu haben. Wir denken, jetzt etwas zu wissen, das wir zuvor nicht wussten. Doch das stimmt nicht!
Wir wissen jetzt zwar, dass sich hinter Tür 2 eine Ziege verbirgt, doch indirekt wussten wir das vorher auch schon. Wir wussten, dass entweder Tür 2 oder 3 eine Ziegentür sein muss. Wir wussten nur nicht, welche. Öffnet der Spielleiter Tür 3, wechseln wir zu Tür 2, öffnet er Tür 2, wechseln wir zu Tür 3. Es ist gleichbedeutend und austauschbar. Eine von beiden Türen musste es schließlich sein und aus diesem Grund ist es völlig unwichtig, welche es ist.
Die siamesischen Türen
Wenn wir also wissen, dass Tür 2 eine Ziege ist, ist es dasselbe, als wüssten wir, dass Tür 3 eine Ziege ist. Deswegen hilft uns das Wissen, hinter welcher Türen sich eine Ziege verbirgt, nicht weiter, denn in dieser Phase des Spiels sind Tür 2 und 3 im Prinzip miteinander identisch:
Sie fungieren zunächst als Platzhalter für die aufzudeckende Ziege in Gruppe B.
Doch weil der Moderator eine Tür öffnet und somit die Anzahl der wählbaren Türen auf zwei reduziert, lassen wir uns irritieren. Wir glauben, es jetzt nur noch mit zwei Türen zu tun zu haben und dass die Wahrscheinlichkeiten für diese sich neu verteilen. Vorher hatten wir drei Türen zu je 1/3, jetzt haben wir zwei zu je 1/2 – denken wir. Doch das wäre nur dann so, wenn der Kandidat NICHT zuvor eine Tür gewählt hätte.
Zwei mögliche Szenarien
- Szenario:
Würde der Moderator Tor 2 öffnen, bevor der Kandidat ein Tor wählt, wären die Wahrscheinlichkeiten für Tor 1 und 3 tatsächlich gleich hoch:
Von drei Toren, von denen jedes 1/3 Gewinnwahrscheinlichkeit besitzt (zusammen also 100 %), wird ein Verlierer-Tor entfernt und aus der Konkurrenz genommen. Es gibt jetzt nur noch zwei Tore. Diese besitzen jetzt zusammen die 100 Prozent. Jedes Tor bekommt die Hälfte.
- Szenario:
Im 1. Szenario reduziert der Moderator die Tore einfach von drei auf zwei, indem er eins eliminiert. Das eigentliche Spiel beginnt erst danach.
Doch wenn der Kandidat Tor 1 wählt, bevor der Showmaster ein Tor öffnet, ist die Situation eine andere: Es sind immer noch drei Tore im Spiel: 2 geschlossene und 1 geöffnetes.
Dass eins der Tore bereits geöffnet wurde, hat keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung, denn diese wurde zu Beginn des Spiels festgelegt. Sie kann sich durch das Öffnen eines Tores (oder sogar aller) unmöglich ändern.
Meine Vermutung: Wenn wir glauben, die Gewinnwahrscheinlichkeit wäre für die restlichen 2 Tore 50:50, verwechseln wir das zweite Szenario mit dem ersten.
Der manipulative Showmaster
Oben stehende Beobachtungen und Überlegungen gehen davon aus, dass der Showmaster natürlich immer eine Tür öffnet (andernfalls hätte die Aufgabenstellung keinen Sinn und soweit ich weiß, wurde das Spiel auch nie anders gespielt) und die Kandidatin selbstverständlich nicht manipuliert, also vollkommen neutral ist und niemanden suggestiv beeinflusst.
Doch nehmen wir einmal an, er tut es doch – absichtlich oder unbewusst. Es ist interessant, dass auch dann der Wechsel zum anderen Tor aus statistischer Sicht die Gewinnchance verdoppelt.
Der konfuse Kandidat
Wenn der Showmaster den Kandidaten manipuliert, bedeutet das nicht auch, dass es ihm immer gelingt. Schließlich darf er dem Kandidaten/der Kandidatin keine offensichtlichen Zeichen geben. Das würde schnell jemand mitkriegen und deshalb müsste er sehr subtil vorgehen. Trotzdem müssen die Signale gut verständlich sein – andernfalls verlieren sie ihre Wirkung.
Manipuliert der Spielleiter den Kandidaten, wird dieser die Hilfe (oder scheinbare Hilfe, die ins Verderben führt) deshalb nicht immer bemerken. Oder er wird die subtilen Hinweise falsch interpretieren und das Gegenteil tun. Und manchmal wird er nur denken, der Showmaster gibt ihm heimliche Tipps und sich dann anders entscheiden, denn in einer Welt, in der der Showmaster korrupt ist, wird auch das vorkommen. Das alles kann zum Vorteil oder Nachteil der Kandidatinnen und Kandidaten sein.
Niemand der Zuschauer dürfte auch nur den geringsten Verdacht haben, dort könnte etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Auf lange Sicht geht so etwas jedoch nie gut. Mit Sicherheit hätten das aufmerksame Zuschauer in den 1960er und 1970er-Jahren längst bemerkt und es wäre öffentlich bekannt geworden.
Alles zusammen betrachtet, werden die unterschiedlichen Szenarien sich gegeneinander aufheben und auf die Gewinnwahrscheinlichkeit keinen signifikanten Einfluss haben.
Der faule Showmaster
Eine weitere Theorie ist der „faule Showmaster“, der (vielleicht unbewusst) bevorzugt das Tor öffnet, das ihm am nächsten ist. Davon lässt sich ableiten: Öffnet er das etwas weiter entfernte Tor, steckt das Auto hinter dem näheren. Denn ist das Auto hinter keins von beiden, hätte er keinen Grund den weiteren Weg zu gehen und würde das näherliegende Tor öffnen.
Doch auch das hätten aufmerksame Zuschauer bemerkt, denn am Ende eines jeden Spiels sind alle Tore geöffnet. Früher oder später wäre deshalb jemandem Folgendes aufgefallen: Wählt der Kandidat Tor 1 oder 2, und das Auto steckt auch dahinter, öffnet der Showmaster, wenn er auf der rechten Seite steht, immer Tor 3. Oder: Wählt der Kandidat Tor 3, und das Auto steckt auch dort, öffnet der Showmaster immer Tor 2 usw.
Einen interessanten Artikel mit anschließender Diskussion zur Kontrovers um das Ziegenproblem findet man HIER
Einfacher so erklärt:
Wenn ich einThor („Wer Thor ohne h schreibt, ist ein Tor, Schopenhauer) gewählt habe, so sitze ich mit 2/3 auf einer Ziege. Wenn der Showmaster mir nun eine Ziege eliminiert, ist das Thor, das noch übrig bleibt, statistisch besser, weil es nur zu einem Drittel auf einer Ziege sitzt. Also wechseln.