Rhe­to­rik und Selbst­ver­ständ­nis der Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen


Eine Vollmondnacht. Leute sitzen in einem Kreis und malen Bilder. In ihrer Mitte sitzt ein Riesenbaby und bläst in ein Horn. Die Szene ist wie durch einen Schleier zu sehen und mit Spinnweben überzogen.

Miss­brauch der Aus­drü­cke Fak­ten, Bewei­se und Alter­na­ti­ven


Din­ge, die ich mir nicht vor­stel­len kann oder die ich „nicht ver­ste­he“, kann es nicht geben, denn ich bin sehr intel­li­gent. Des­we­gen ver­ste­he ich so gut wie alles. Aus die­sem Grund muss es sich bei allem, was ich angeb­lich „nicht ver­ste­he“, um Irr­tü­mer, Fäl­schun­gen oder Lügen han­deln.

Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen, Truther und Ver­schwö­rungs­auf­de­cker spre­chen gern von Alter­na­ti­ven, um ihre Behaup­tun­gen dis­kus­si­ons­fä­hig zu machen. Wer sich mit ihren Bewei­sen und Fak­ten beschäf­tigt, wür­de frü­her oder spä­ter deren Rich­tig­keit erken­nen – sagen sie.

Gelingt einem das jedoch nicht (kann man in den als Fak­ten bezeich­ne­ten Behaup­tun­gen weder Bewei­se noch Indi­zi­en erken­nen), wird man schnell als igno­rant, dis­kus­si­ons­un­wil­lig oder gehirn­ge­wa­schen abge­tan. Fra­gen sind nicht erlaubt.

Ihre Argu­men­te bestehen über­wie­gend aus Behaup­tun­gen, die sie nie erklä­ren oder begrün­den. For­dert man sie dazu auf, wer­den sie oft unge­hal­ten und ihr Ton­fall wird zuneh­mend aggres­si­ver.

Die­se aggres­si­ve Rhe­to­rik – nicht sel­ten mit Beschimp­fun­gen und Belei­di­gun­gen gespickt – ist der Ersatz für eine ech­te und inhalt­li­che Argu­men­ta­ti­on. Beson­ders ger­ne zitie­ren sie auch den soge­nann­ten „gesun­den Men­schen­ver­stand“, den sie ihrer Mei­nung nach besit­zen.

Der gesun­de Men­schen­ver­stand

Glau­be nie­mals etwas, nur weil es geschrie­ben steht und sei miss­trau­isch, wenn man dir das erzählt, was du hören willst“, soll­te das Mot­to eines jeden gesun­den, also kri­ti­schen Ver­stan­des sein.

Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen ver­sto­ßen jedoch stän­dig gegen die­se Grund­re­gel. Sobald jemand etwas sagt, das ihnen gefällt, sind sie glück­lich. Das liegt dar­an, dass sie sich eigent­lich gar nicht für Ver­stan­des­ar­beit inter­es­sie­ren. Sie benut­zen bzw. miss­brau­chen den Aus­druck „gesun­der Men­schen­ver­stand“ nur. Es ist eine Form von Tot­schlag­ar­gu­ment, das stets dort zum Ein­satz kommt, wenn man sei­ne Mei­nung nicht begrün­den kann, sie aber trotz­dem nicht rela­ti­vie­ren will:

Es ist halt so, wie es ist. Die­se Erkennt­nis ver­dan­ke ich mei­nem gesun­den Men­schen­ver­stand. Des­halb weiß ich, dass jeder, der die Din­ge nicht so sieht wie ich, ent­we­der ein Lüg­ner ist oder gehirn­ge­wa­schen wur­de.

Das ist eine ein­fa­che, anspruchs­lo­se „Tech­nik“, mit der man sich gegen Kri­tik und Zwei­fel immu­ni­sie­ren kann: Unser selbst attes­tier­ter gesun­der Men­schen­ver­stand sagt uns ein­fach, dass wir ihn haben.

Doch: Soll­te es einen gesun­den Men­schen­ver­stand geben, dann wür­de er einem sagen, dass es unklug ist, ihn in einer Dis­kus­si­on als Argu­ment ein­zu­set­zen. Tun wir es trotz­dem, glau­ben wir nur ihn zu besit­zen. Statt­des­sen spricht unser selbst­ver­lieb­tes Ich, das sich natür­lich nicht ein­ge­ste­hen kann, sich irren zu kön­nen, und letzt­end­lich an einem ech­ten „gesun­den Ver­stand“ gar nicht inter­es­siert ist.

Vor­ge­täusch­te Dis­kus­si­ons­be­reit­schaft

Das ist grob ver­ein­facht die For­mel, mit der Ver­schwö­rungs­auf­de­cker ihren Glau­ben veri­fi­zie­ren. Denn um mehr geht es ihnen nicht. Ihre (sel­te­ne) Dis­kus­si­ons­be­reit­schaft ist nur offi­zi­ell und eine Art Trick, mit dem sie haupt­säch­lich sich selbst über den fik­ti­ven Cha­rak­ter ihrer Ideen hin­weg­täu­schen.

Abge­se­hen von ein paar weni­gen Ver­schwö­rungs­theo­rien, die zumin­dest theo­re­tisch wahr sein kön­nen (bei­spiels­wei­se die Mond­lan­dungs­lü­ge), sind ihre Ideen oft nur alber­ne Infan­ti­li­tä­ten – sie­he bei­spiels­wei­se die Hohl­welt- oder den Schei­ben­welt­my­thos.

Ande­ren Ver­schwö­run­gen (Chem­trails, World Trade Cen­ter, jüdi­sche Welt­ver­schwö­rung, Coro­na-Lüge etc.) fehlt es jedoch an Plau­si­bi­li­tät und Sinn­haf­tig­keit. Beob­ach­tungs­an­sät­ze gibt es eben­falls kei­ne. All das igno­rie­ren Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen. Sie glau­ben es, weil sie es glau­ben wol­len, denn es gefällt ihnen.

Wirk­li­che Dis­kus­sio­nen fin­den nie­mals statt, weil die­se uner­wünscht sind. Denn Dis­kus­sio­nen leben vom kon­tro­ver­sen Aus­tausch unter­schied­li­cher Mei­nun­gen und Ideen. Dazu sind sie unfä­hig bzw. so etwas wol­len sie gar nicht.

Kom­mu­ni­ka­ti­on unmög­lich

Wer in Inter­net­fo­ren oder Blogs ver­sucht, mit ihnen ins Gespräch zu kom­men und ein­fa­che, aber ernst­haf­te Fra­gen stellt, wird schnell als Troll oder Stö­ren­fried beschimpft und ver­jagt. Denn alles, wor­um es ihnen geht, ist die Bestä­ti­gung ihrer Res­sen­ti­ments gegen­über der offe­nen und frei­en Gesell­schaft, denn mit der kom­men sie nicht klar.

Indem sie sich immer wie­der selbst und gegen­sei­tig die glei­chen Geschich­ten erzäh­len, „indok­tri­nie­ren“ sie sich gegen­sei­tig selbst. In einer sol­chen Situa­ti­on sind Neu­gier und kri­ti­sche, nüch­ter­ne Fra­gen nur Stö­ren­frie­de.

Im Grun­de genom­men sind Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen unso­zia­le Ego­zen­tri­ker, die nicht ein­se­hen wol­len, dass man für die Gesell­schaft, in der man lebt und von der man pro­fi­tiert, auch mal etwas tun muss.

Mehr gibt es dar­über nicht zu sagen.


REP­TI­LO­IDE


2 Gedanken zu „Rhe­to­rik und Selbst­ver­ständ­nis der Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gen“

  1. Es ist gut möglich,dass von der Regie­rung selbst bestimm­te Ver­schwö­rungs­theo­rien in den Umlauf gebracht werden,um Vor­ur­tei­le zu bedienen,oder zu schü­ren und die Theo­rien per se als unglaub­wür­dig und absurd zu brand­mar­ken.
    Geziel­te Fehl­in­for­ma­ti­on.

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    • Die Regie­rung selbst hat weder Zeit noch Inter­es­se, sich für irgend­wel­chen Ver­schwö­rungs­theo­rien zu inter­es­sie­ren. Schon immer. Die­se Leu­te haben genug ande­re Pro­ble­me und genug ande­re Sachen zu tun, als das sie Zeit und Muße haben könn­ten, bei irgend­wel­chen Mani­pu­la­ti­ons-Spie­len mit­zu­ma­chen.

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