Offen­heit erzeugt Wei­ter­ent­wick­lung


Vor der Kulisse einer futuristischen Metropole stehen drei Astronauten vor mehreren Mikrofonen und werden von vielen Menschen umringt, die auf eine Rede warten. Über den Astronauten und den Leuten schwebt ein scheibenförmiges Raumschiff.

Offen­heit bedeu­tet Ver­än­de­rung

Uns ist nicht bewusst, dass unse­re Mei­nun­gen nur Schnapp­schüs­se unse­res augen­blick­li­chen geis­ti­gen und intel­lek­tu­el­len Ent­wick­lungs­stan­des sind.

Meis­tens hal­ten wir unse­re Mei­nun­gen für objek­tiv und end­gül­tig. Men­schen, die ihre Mei­nun­gen und Ansich­ten zu oft ändern, emp­fin­den wir als unzu­ver­läs­sig. Doch bei Mei­nungs­än­de­run­gen han­delt es sich stets um intel­lek­tu­el­le Wei­ter­ent­wick­lun­gen, denn objek­ti­ve und end­gül­ti­ge Mei­nun­gen gibt es nicht – wir wün­schen sie uns nur.

Es gibt zwei Arten von Mei­nungs­än­de­run­gen: Die eine ist das Ergeb­nis eines Ent­wick­lungs­pro­zes­ses, die ande­re eher eine Lau­ne auf­grund von Tages­ein­flüs­sen.

Oft wer­den Lau­nen und Mei­nun­gen aber mit­ein­an­der ver­wech­selt, sodass wir zwi­schen Wei­ter­ent­wick­lung und Fluk­tua­ti­on nicht immer unter­schei­den kön­nen. Aus die­sem Grund leh­nen wir gene­rel­le Offen­heit ab, da wir den damit ver­bun­de­nen mög­li­chen Mei­nungs­wech­sel mit Lau­nen­haf­tig­keit und Unbe­re­chen­bar­keit gleich­set­zen.

Offen­heit statt Bere­chen­bar­keit

Es wird von uns kei­ne rich­ti­ge oder authen­ti­sche Mei­nung erwar­tet, solan­ge sie nicht zu exzen­trisch ist. Es geht um Bestän­dig­keit, aus der Bere­chen­bar­keit resul­tiert. Und die ist nur gege­ben, wenn wir unse­re Mei­nun­gen und Lebens­ein­stel­lun­gen nicht stän­dig ändern. Tat­säch­li­che Offen­heit bedeu­tet:

Neue Gedan­ken, Gefüh­le und Asso­zia­tio­nen nicht ver­drän­gen oder tabui­sie­ren.

Unbe­kann­te Wege gehen, wenn uns die alten nicht mehr gefal­len oder selt­sam erschei­nen.

Nicht beim Alten blei­ben, nur weil ande­re das tun oder es von uns erwar­tet wird.

Neu­gie­rig sein auf alles, was unbe­kannt ist.

Sich selbst weni­ger ernst neh­men, damit wir uns unse­ren neu­en Gedan­ken und Asso­zia­tio­nen öff­nen kön­nen.

Das fällt uns in der Regel schwer, da wir fast alle die sprich­wört­li­chen Gewohn­heits­tie­re sind. Wir wol­len uns in unse­rer Haut wohl­füh­len und das geht am bes­ten mit dem Alt­ver­trau­ten.

Schein­ba­re Offen­heit

Offen­heit ver­langt also, für Unbe­kann­tes emp­fäng­lich zu sein. Damit das mög­lich ist, müs­sen wir uns dafür inter­es­sie­ren und es begrü­ßen. Sagt bei­spiels­wei­se jemand: „Ich bin offen dafür, ande­ren Men­schen Gewalt anzu­tun“, ist er nicht offen, son­dern ein Zyni­ker, denn Gewalt gegen ande­re ist nichts Neu­es. Neu wäre in die­sem Zusam­men­hang der Ver­zicht auf Gewalt zur Durch­set­zung der eige­nen Inter­es­sen.

Die stän­di­ge Bereit­schaft für Neu­es fällt uns schwer, denn sie kann Unge­wiss­heit und Unsi­cher­heit bedeu­ten, was wie­der­um Stress erzeugt. Wir wis­sen nicht, ob das Neue, dem wir uns öff­nen, auch einen Vor­teil bie­tet – denn nur dar­um geht es uns letzt­end­lich. Die­se oppor­tu­nis­ti­sche Ein­stel­lung soll­ten wir uns abge­wöh­nen.

Außer­dem möch­ten wir mit unse­rer neu­en Emp­fin­dung nicht allein sein. Auch die­sen Trieb soll­ten wir über­win­den. Da uns das sel­ten gelingt, blei­ben wir lie­ber beim Alten, denn damit lässt es sich in einer Gesell­schaft, in der Kon­for­mi­tät sehr wich­tig ist, gut leben.


Ein Mann liegt auf dem Rücken und starrt in den Himmel. Ein helles Licht strahlt von ihm aus. Um ihn herum stehen und knien Männer und Frauen und warten auf etwas. Im Hintergrund eine steinerne Festung.

Nut­zen und Sinn­haf­tig­keit von Offen­heit

Als offe­ne und ent­spann­te Men­schen besit­zen wir kei­ne Ideo­lo­gien und kei­nen Glau­ben, denn bei­de blo­ckie­ren unse­ren Ver­stand und kön­nen uns ver­bit­tern las­sen.

Wir dür­fen uns natür­lich fra­gen, wel­chen Nut­zen Offen­heit denn über­haupt bie­tet. Meis­tens haben wir kei­nen Bezug zu unse­rem inne­ren Selbst, wis­sen also nicht, war­um wir so den­ken und füh­len, wie wir es tun. Wir tun es ein­fach und die Hin­ter­grün­de (die Ent­ste­hungs­ge­schich­te unse­rer Mei­nun­gen und Ansich­ten) sind uns egal, solan­ge wir mit die­sem Den­ken und Füh­len nicht allei­ne sind.

Mit allem, was kei­nen Nut­zen für unser All­tags- und Berufs­le­ben hat, kön­nen wir nichts anfan­gen. Wir kön­nen unser stan­dar­di­sier­tes Leben auch leben, ohne stän­dig für neue Ein­drü­cke, Gedan­ken und Erfah­run­gen offen zu sein. Wir ent­wi­ckeln uns dann zwar nicht wei­ter, aber dar­an haben wir sowie­so kein Inter­es­se.

Inwie­weit pro­fi­tie­ren wir also von Offen­heit? Macht geis­ti­ge Emp­fäng­lich­keit uns erfolg­rei­cher im Beruf und im sozia­len Belan­gen? Meis­tens wahr­schein­lich nicht.

Offen­heit kann unse­re Kar­rie­re sogar ver­schlep­pen oder ver­hin­dern, denn es kommt dar­auf an, was Kar­rie­re uns bedeu­tet und in wel­cher Bran­che wir tätig sind. Sie kann jedoch hel­fen, uns zu „bes­se­ren“ Men­schen zu machen. Das klingt zwar ziem­lich idea­lis­tisch, ist bei genaue­rer Betrach­tung aber logisch: Offen­heit för­dert see­li­sche Gesund­heit (weil wir unse­ren Geist nicht „ver­stop­fen“) oder hilft, sie zu erhal­ten, weil wir uns im Inne­ren nicht ver­kramp­fen.

Ent­spann­ter Blick auf das Neue

Ist unser Ver­stand offen, ist er einem Gefäß ähn­lich, in das Ein­drü­cke und Erleb­nis­se unge­fil­tert ein­drin­gen. Wir kön­nen die­se beob­ach­ten und ver­ste­hen ler­nen. Dabei dür­fen und sol­len wir uns Zeit las­sen.

Blei­ben wir wäh­rend dabei ent­spannt, wer­den wir nicht ver­ein­nahmt und beein­flusst. Wir sind dann in der Lage, das, was wir als wert­voll oder inter­es­sant ein­stu­fen, wei­ter­hin zu ver­fol­gen, und über­neh­men neue Mei­nun­gen nicht ein­fach so – also unge­prüft.

Zeigt sich im wei­te­ren Ver­lauf dann doch, dass sie feh­ler­haft sind, kön­nen wir sie ohne Ver­lust­ängs­te wie­der ver­wer­fen, da wir uns mit ihnen nicht iden­ti­fi­zie­ren. Auf­grund unse­rer Offen­heit kön­nen wir unse­re Gedan­ken und Mei­nun­gen ent­spannt betrach­ten und nach Bedarf revi­die­ren. Unser Selbst­ver­ständ­nis wird nicht von geis­ti­gen Kon­di­tio­nie­run­gen defi­niert.

Uto­pie der Offen­heit

Je mehr eine Gesell­schaft aus offe­nen Men­schen besteht, des­to fried­li­cher und freund­li­cher ist sie als Gan­zes. Denn alles Destruk­ti­ve wie Krieg, Gewalt, Miss­brauch, Aus­beu­tung und der­glei­chen, wur­zelt letzt­end­lich in unse­rer Ver­schlos­sen­heit.

Ver­schlos­sen­heit begüns­tigt Ideo­lo­gien und Dog­ma­tis­mus, för­dert den krank­haf­ten Ego­is­mus und zwang­haf­tes Ver­hal­ten. Geis­tig ver­schlos­se­ne Men­schen sind leicht mani­pu­lier­bar, da sie sich selbst kaum ken­nen.

Will die Mensch­heit sich wei­ter­ent­wi­ckeln (und das muss sie, wenn sie eine brauch­ba­re Zukunft haben will) muss es sehr viel mehr Men­schen mit einem frei­en, neu­gie­ri­gen und for­schen­den Ver­stand geben als bis­her.

Unvor­ein­ge­nom­men­heit im Den­ken kann aber nicht ver­ord­net oder gelehrt wer­den. Auch müs­sen wir zuerst erken­nen, dass Wei­ter­ent­wick­lung wich­tig ist, um uns der Offen­heit öff­nen zu kön­nen. Das ist bis­her kaum der Fall. Sobald sich dar­an etwas ändert, ändern wir uns und damit auch die Welt.


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