Sahra Wagen­knecht


Sahra Wagen­knecht und die Ver­harm­lo­sung der Dik­ta­tur

Sahra Wagen­knecht rela­ti­viert Sta­lin, weil er die Sowjet­uni­on zu einer Welt­macht gemacht hat. Das hat er aller­dings mit bru­ta­lem Ter­ror, mil­lio­nen­fa­chem Mas­sen­mord, mil­lio­nen­fa­cher Ver­skla­vung und der exzes­si­ven Aus­plün­de­rung der Gesell­schaft getan (Bei­spiels­wei­se, indem er Ern­te­er­trä­ge der rus­si­schen Land­wirt­schaft ans Aus­land ver­kauf­te, was ihm Devi­sen ein­brach­te, in Russ­land aber Mil­lio­nen Hun­ger­to­te zur Fol­ge hat­te.).

Wohl und Leben der rus­si­schen Bür­ger waren ihm also defi­ni­tiv egal, denn sonst hät­te er das nicht getan. Bei allem, was eine Regie­rung tut, soll­te es doch nur dar­um gehen, die Lebens­qua­li­tät der Bür­ger zu erhö­hen. Was nützt es einem schon, Bür­ger einer Welt­macht zu sein, wenn man in Angst und Elend leben muss?

Bei der sog. „Säu­be­rung“ wur­den haupt­säch­lich harm­lo­se Men­schen umge­bracht, die nie­man­den etwas getan hat­ten und ein­fach nur ihr Leben in Frie­den leben woll­ten. Dage­gen hat­te Sta­lin etwas. Er ließ sie töten, weil er die Macht hat­te, es zu befeh­len. Auch das stört Sahra Wagen­knecht nicht.

Anmer­kung:
Nach die­ser Logik müss­te Wagen­knecht viel­leicht auch Hit­ler rela­ti­vie­ren, denn der woll­te Deutsch­land auch nur grö­ßer und mäch­ti­ger machen – auf Kos­ten der Bevöl­ke­rung. Dass ihm das nicht gelun­gen ist, war nicht wirk­lich sei­ne Schuld. Die Umstän­de haben ihn dar­an gehin­dert und er hat Feh­ler gemacht. Wür­de sie ihn also auch rela­ti­vie­ren, wäre er erfolg­reich gewe­sen?

Der Insek­ten­staat, Vor­bild des Kom­mu­nis­mus

Das gesichts­lo­se Kol­lek­tiv (eine abs­trak­te Idee nach dem Vor­bild eines Insek­ten­staa­tes) ist Sahra Wagen­knecht wich­ti­ger als das Wohl des real exis­tie­ren­den, füh­len­den und den­ken­den Men­schen. Den gibt es immer nur als Indi­vi­du­um – nie­mals als Kol­lek­tiv-Mensch. Doch Men­schen sind im Kom­mu­nis­mus, Sozia­lis­mus und Faschis­mus nur eine Sache, nur »Men­schen­ma­te­ri­al«, mit dem der Herr­scher zur Aus­ge­stal­tung des Staa­tes tun und las­sen kann, was immer er will.

Des­halb hat sie wahr­schein­lich auch für Putins Han­deln Ver­ständ­nis, der mit sei­nem Über­fall auf die Ukrai­ne Russ­land auch nur wie­der zu einer Super­macht machen will (obwohl Russ­land immer noch das größ­te Land der Welt ist und nie auf­ge­hört hat, eine Super­macht zu sein).

Der Staat ist Wagen­knecht wich­ti­ger als die Men­schen, die in ihm leben

Auch wenn sie inzwi­schen angeb­lich anders über die DDR denkt, und nicht mehr so ver­herr­licht, wie noch vor 20 oder 30 Jah­ren, hat sie ihre Mei­nung über die­sen Staat und den Sozia­lis­mus nicht grund­le­gend geän­dert. Die DDR-Füh­rung hat aus ihrer Sicht ledig­lich Feh­ler gemacht, und Feh­ler kom­men nun mal vor. Noch immer bedau­ert sie es, dass die DDR ein­ge­gan­gen ist.

Wer bei­spiels­wei­se dabei erwischt wur­de, ille­gal die DDR ver­las­sen zu wol­len, wur­de oft ein­fach erschos­sen (meis­tens von hin­ten). Für Wagen­knecht war das höchs­tens nur ein Feh­ler (Und Mar­got Hon­ecker tat es in einem Inter­view mit einem Ach­sel­zu­cken ab.). Dabei hät­te die DDR-Füh­rung sich eigent­lich freu­en kön­nen, dass jemand, der nicht am Auf­bau des Sozia­lis­mus mit­wir­ken will, das Land ver­las­sen will.

Eine Gesell­schafts­form, in der der ein­zel­ne Mensch ent­mün­digt und ent­rech­tet wird, ist für Wagen­knecht eine gute Sache. Haupt­sa­che, dem Staat als Orga­nis­mus geht es gut (obwohl es der DDR nie gut ging). Was inter­es­siert da schon die ein­zel­ne „Amei­se“?

Wolf Bier­mann sagt sehr tref­fend in der Wochen­zei­tung »Die Zeit« über die Sym­pa­thi­san­ten von Sahra Wagen­knecht und der AfD: „Die, die zu fei­ge waren in der Dik­ta­tur, rebel­lie­ren jetzt ohne Risi­ko gegen die Demo­kra­tie. Den Bequem­lich­kei­ten der Dik­ta­tur jam­mern sie nach, und die Mühen der Demo­kra­tie sind ihnen fremd.“


Der Wil­le des Vol­kes inter­es­siert Wagen­knecht nicht

Sie behaup­tet, die Mehr­heit der Deut­schen wären gegen wei­te­re Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne und die­sen Wil­len soll­te man respek­tie­ren. Doch bis­her hat sie sich nie für den Wil­len eines Vol­kes inter­es­siert.

Die gro­ße Mehr­heit der ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger hat­ten die Mau­er bei­spiels­wei­se nicht gewollt, doch die­ser Wil­len ist ihr egal. Den Fall der Mau­er und damit den Wil­len der ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger bezeich­net sie als »Kon­ter­re­vo­lu­ti­on«. In Wirk­lich­keit hat sie der Wil­len der ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger nie inter­es­siert.

Und dass die Men­schen den Sozia­lis­mus auch nie gewollt hat­ten, ist ihr eben­falls völ­lig egal. Sta­lin, der den Wil­len des rus­si­schen Vol­kes mit Füßen trat, rela­ti­viert sie. Und für Putin, der sei­ne poli­ti­schen Geg­ner in der Öffent­lich­keit umbrin­gen lässt, hat sie Ver­ständ­nis. Wenn sie den Wil­len eines Vol­kes rich­tig zitiert, dann nur, soll­te ihr die­ser ein­mal zufäl­lig ent­ge­gen­kom­men. Doch das geschieht so gut wie nie.

Ähn­lich wie die Natio­nal­so­zia­lis­ten nach ver­lo­re­nem Krieg die Mil­lio­nen Mas­sen­mor­de hin­ter den Fron­ten und in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ver­tei­dig­ten, rela­ti­vier­ten oder leug­ne­ten, ver­tei­digt, rela­ti­viert oder leug­net sie die Grau­sam­kei­ten im Sozia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus. Mag ja sein, dass der Staat Russ­land davon pro­fi­tier­te – die rus­si­schen Bür­ger taten das mit Sicher­heit nicht!

Das Indok­tri­na­ti­ons­syn­drom

Soll­te Sahra Wagen­knecht nicht gemerkt haben, dass die DDR eine Dik­ta­tur war, kann man ihr Tat­sa­chen­blind­heit vor­wer­fen – was einer sozia­len und intel­lek­tu­el­len Unzu­rech­nungs­fä­hig­keit gleich­kä­me. Doch ich den­ke, sie wuss­te, dass die DDR kei­ne Demo­kra­tie, son­dern nur eine Dik­ta­tur war, die sich nicht für die Inter­es­sen der Bür­ger inter­es­sier­te – genau wie sie.

Wäre sie im Natio­nal­so­zia­lis­mus auf­ge­wach­sen und kul­ti­viert wor­den, wür­de sie wahr­schein­lich den Natio­nal­so­zia­lis­mus jetzt so ver­tei­di­gen, wie sie die ehe­ma­li­ge DDR ver­tei­digt und ihr nach­trau­ert.

Früh­kind­li­che Kon­di­tio­nie­rung

Sahra Wagen­knecht wur­de in ihrer Kind­heit ein­ge­trich­tert, dass Sta­lin ein guter Mann war. Und sie hat es natür­lich geglaubt, weil Kin­der alles glau­ben, was ihnen die Erwach­se­nen, ihre Auto­ri­täts­per­so­nen, sagen. Spä­ter wird die­ser Glau­be dann zur Über­zeu­gung, von der man sich nicht mehr tren­nen kann, ohne sich wie ein Ver­rä­ter zu füh­len.

Sie kann nicht ein­se­hen, dass die gan­ze sozia­lis­ti­sche und kom­mu­nis­ti­sche Idee von Beginn an Betrug war. Denn dann müss­te sie zuge­ben, nicht nur etwas Fal­sches geglaubt zu haben, son­dern auch unfä­hig war erken­nen zu kön­nen, dass der Sozia­lis­mus in Wirk­lich­keit eine Lüge ist. Und das wür­de sie zwangs­läu­fig zu der Erkennt­nis füh­ren, nicht die intel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten zu besit­zen, die sie glaubt zu haben und mani­pu­lier­bar zu sein. Und das darf nicht sein.

Weil sie sich nicht vor sich selbst recht­fer­ti­gen will, hält sie an der Legen­de fest, Kom­mu­nis­mus und Sozia­lis­mus wären guten Idee gewe­sen, die ledig­lich schlecht ver­wirk­licht wur­den.

Sobald eine Dik­ta­tur Sozia­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus genann­te wur­de, sahen in West­deutsch­land die Links-Intel­lek­tu­el­len in den 1960er- und 1970er-Jah­ren dar­über hin­weg oder waren blind dafür, dass Mao und ande­re sozia­lis­ti­sche Füh­rer zur Aus­ge­stal­tung ihres Sozia­lis­mus über Lei­chen gin­gen.

In Chi­na und Russ­land wur­den Men­schen, die man nicht gebrau­chen konn­te, ein­fach umge­bracht – sozu­sa­gen ent­sorgt. Die­ser Kom­mu­nis­mus nach dem Vor­bild eines Insek­ten­staa­tes funk­tio­niert auch wun­der­bar, wenn der real den­ken­de und füh­len­de Mensch unwich­tig ist und es nur dar­um geht, den Staat stark zu machen.


Fake-Sozia­lis­mus in der DDR und in Wagen­knechts Kopf

Jeder konn­te sehen, dass die Mau­er um Ost­deutsch­land her­um defi­ni­tiv »unso­zi­al« war, man könn­te auch sagen: aso­zi­al, doch das Zau­ber­wort Sozia­lis­mus hyp­no­ti­sier­te die Links-Intel­lek­tu­el­len in West­deutsch­land. Das Eti­kett „Sozia­lis­mus“ war aus­rei­chend, um die­se Leu­te blind für die Rea­li­tät zu machen.

Wagen­knecht ist dage­gen, dass Deutsch­land wei­ter­hin der Ukrai­ne hilft, sich gegen Putins Angriff zu ver­tei­di­gen. Sie ist auf Putins Sei­te, einem Mann, der sei­ne poli­ti­sche Kon­kur­renz, die Oppo­si­ti­on umbrin­gen lässt.

Dabei ist Russ­land inzwi­schen kein kom­mu­nis­ti­scher Staat mehr, obwohl sich die Poli­tik dort seit dem Zusam­men­bruch des Kom­mu­nis­mus nur unwe­sent­lich geän­dert hat. Kor­rup­ti­on, Gewalt, Vet­tern­wirt­schaft und Unter­wür­fig­keit defi­nie­ren nach wie vor den Cha­rak­ter die­ses Lan­des, sodass man nicht sagen kann: Sozia­lis­ti­sche bzw. kom­mu­nis­ti­sche Dik­ta­tu­ren sind für Wagen­knecht gute Dik­ta­tu­ren. Sie ist auf Putins Sei­te, weil er die Oppo­si­ti­on zur unge­lieb­ten frei­en und offe­nen Welt reprä­sen­tiert.

Ent­mün­di­gung und Umer­zie­hung

Sie recht­fer­tigt die Ent­mün­di­gung der Men­schen in den sozia­lis­ti­schen Län­dern mit einer „Umer­zie­hung“, nach dem Mot­to: Wenn man Men­schen nur lan­ge genug dazu zwingt, sozia­lis­tisch zu leben, wird die sozia­lis­ti­sche Lebens­wei­se im Lau­fe eini­ger Gene­ra­tio­nen zu ihrem Wesen. Die­se Theo­rie igno­riert jedoch die mensch­li­che Natur, ein Indi­vi­du­um sein zu wol­len – und kein Kol­lek­tiv­mensch. In kei­nem ein­zi­gen sozia­lis­ti­schen Staat der Welt hat das bis­her funk­tio­niert.

Ein Sozia­lis­mus, der nur mit Gewalt und Zwang auf­recht­erhal­ten wer­den kann, ist kein Sozia­lis­mus, son­dern nur eine Dik­ta­tur. Wäre der DDR-Sozia­lis­mus eine gute Sache gewe­sen, hät­te die DDR-Bür­ger kei­nen Grund gehabt, in den Wes­ten zu gehen. Oder waren die­se Leu­te etwa zu blöd, um zu mer­ken, dass sie in der DDR Frei­hei­ten und Rech­te hat­ten, die ihnen in der BRD ver­wehrt wur­den? Das kann ich mir kaum vor­stel­len.

Der DDR-Füh­rung war bewusst, dass der DDR-Sozia­lis­mus nicht men­schen­freund­lich war. Andern­falls hät­te man das ille­ga­le Ver­las­sen der DDR nicht „Repu­blik­flucht“ genannt. Denn der Aus­druck „Flucht“ impli­ziert, dass vor etwas weg­ge­lau­fen wird. Und nie­mand läuft vor etwas weg, das gut ist.

Im bes­ten Fall und wohl­wol­lend for­mu­liert, war die DDR der miss­lun­ge­ne Ver­such, einen sozia­lis­ti­schen Staat auf­zu­bau­en. Rea­lis­tisch betrach­tet han­del­te es sich bei der DDR jedoch nur um eine büro­kra­ti­sche und auto­ri­tä­re Fehl­ent­wick­lung, die zwar im Namen des Sozia­lis­mus auf­trat, in ihrer Pra­xis jedoch die Idea­le von Frei­heit, Gleich­heit und Mit­be­stim­mung ver­riet.


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