Natür­li­che Ord­nung


Eine Landschaft mit sanften, grünen Hügeln, die sich bis zum Horizont erstrecken. Dort steht die Sonne direkt über dem Horizont. Im Vordergrund sitzt eine Person auf einer Holzbank und sieht in Richtung Sonne.

Das Ord­nungs­prin­zip

Ord­nung ist ein von uns ent­deck­tes oder ent­wi­ckel­tes Prin­zip. Erken­nen wir in einem künst­li­chen oder natür­li­chen Sys­tem ein Mus­ter, das den Kri­te­ri­en ent­spricht, die als Vor­aus­set­zung für die Funk­ti­ons­tüch­tig­keit des Sys­tems gel­ten (das kann auch die sinn­li­che Wahr­neh­mung von Kunst sein), spre­chen wir von Ord­nung.

Ein Mecha­nis­mus funk­tio­niert nur, wenn sei­ne Bestand­tei­le rich­tig ange­ord­net sind. Gemäl­de, Bil­der und Sta­tu­en funk­tio­nie­ren nur dann, erfül­len nur dann ihren Zweck, wenn sie dem Betrach­ter oder Zuhö­rer etwas ver­mit­teln.

Andern­falls sind unse­re Maschi­nen, Werk­zeu­ge, Sys­te­me, Algo­rith­men, Gerä­te und Kunst­wer­ke nicht funk­ti­ons­tüch­tig. In die­sem Sinn ist ein defek­tes Sys­tem (ein kaput­te Maschi­ne) in Unord­nung.

Die­se Defi­ni­ti­on von Ord­nung besitzt jedoch nur Gül­tig­keit in der Welt der Maschi­nen, Sys­te­me und Din­ge. Für die „Men­schen­welt“ ist sie unge­eig­net und kann sogar schäd­lich sein, denn wir funk­tio­nie­ren nicht wie Maschi­nen oder Sys­te­me, da wir kei­ne sind – auch nicht im über­tra­ge­nen Sinn!

Gleich­ge­wicht und Har­mo­nie

Ent­spricht etwas einer Ord­nung, befin­det es sich im Gleich­ge­wicht, so unse­re Theo­rie oder Phi­lo­so­phie als Ord­nungs­lieb­ha­ber. Und das Stre­ben nach Gleich­ge­wicht oder Har­mo­nie ist eine in der Natur imma­nent vor­han­de­ne Dyna­mik, einem Attrak­tor ähn­lich – so glau­ben wir. Die­ses Gesetz der Ord­nung durch­dringt und bestimmt alles Wer­den und Wir­ken im Uni­ver­sum und ist ziel­ge­rich­tet. (Was die­ses Ziel ist, sagen wir nicht genau, manch­mal spre­chen wir aber von einem gött­li­chen Plan.)

Krea­ti­ve Impul­se aus der Unord­nung

Men­schen sind manch­mal irra­tio­nal oder sprung­haft. Wir han­deln unlo­gisch. Unse­re Taten kön­nen ohne Bezug zu einer vor­an­ge­gan­ge­nen Absicht ste­hen oder auch wider­sprüch­lich und selbst­schä­di­gend sein. Doch manch­mal erhal­ten wir so neue, uner­war­te­te Impul­se und Ideen.

Irra­tio­na­li­tät kann also krea­ti­ve Pro­zes­se in Gang set­zen, aus denen frucht­ba­re Ideen ent­ste­hen. Vie­len in der Geschich­te gemach­ten Ent­de­ckun­gen oder Erfin­dun­gen gin­gen ver­rück­te Ideen oder Zufäl­le vor­aus. Die­se Ent­de­ckun­gen und Erfin­dun­gen sind das Ergeb­nis von Unord­nung, die eine Form krea­ti­ver Ener­gie sein kann.


Die Erfin­dung der natür­li­chen Ord­nung

Ein großer Platz, auf dem in gleichmäßigen Abständen gleichgekleidete Menschen stehe. Sie blicken alle in die selbe Richtung, an dessen Ende eine riesige vogelscheuchenähnliche Statue steht. Links und rechts wird das Feld von farnähnlichen Bäumen eingegrenzt.

Manch­mal hören wir den Begriff »Natür­li­che Ord­nung«. Er impli­ziert, wie bereits erwähnt, ein in der Natur exis­tie­ren­des höhe­res Ord­nungs­prin­zip, ähn­lich einem Natur­ge­setz. Aller­dings ist die­ser Aus­druck irre­füh­rend. Wir haben ihn aus per­sön­li­chen Grün­den erfun­den und ein­ge­führt.

Ange­wand­te Ord­nung ist eine Metho­de, mit der wir Unüber­sicht­li­ches struk­tu­rie­ren, um die Inhal­te von Sys­te­men oder Kom­ple­xen bes­ser über­schau­en und des­halb effi­zi­en­ter mit ihnen umge­hen zu kön­nen. Die Funk­ti­on von Ord­nung ist also die Ent­wir­rung kom­ple­xer Struk­tu­ren. Sie besitzt kei­nen Selbst­zweck.

Die Instru­men­ta­li­sie­rung der natür­li­chen Ord­nung

Wenn wir von natür­li­cher Ord­nung der Welt spre­chen, wün­schen wir uns (oder glaubt es sogar), sie wäre durch­ein­an­der gekom­men und ihre Ent­wick­lung von ihrem natür­li­chen, vor­her­be­stimm­ten Ver­lauf abge­wi­chen.

Was mit die­sem »natür­li­chen Ver­lauf« gemeint ist, sagen wir nie genau. Auf­fäl­lig ist jedoch, als Freun­de einer natür­li­chen Ord­nung ver­ste­hen wir dar­un­ter oft unse­re per­sön­li­che Vor­stel­lung von Ord­nung. Unse­re Gewohn­hei­ten, unse­re Asso­zia­tio­nen, unse­re intel­lek­tu­el­len Kon­di­tio­nie­run­gen und Vor­lie­ben sind aus unse­rer sub­jek­ti­ven Sicht nor­mal und natür­li­chen, sodass wir dazu nei­gen, sie zu uni­ver­sa­li­sie­ren.

Beson­ders wenn uns Ord­nung und Struk­tur im Leben sehr wich­tig sind, nei­gen wir dazu, unse­re sub­jek­ti­ven Ansich­ten zu ver­all­ge­mei­nern und ande­ren über­zu­stül­pen.

Der Wunsch nach einer natür­li­chen Hier­ar­chie

Frü­her ent­sprach es der natür­li­chen Ord­nung, dass adli­ge Men­schen und Kle­ri­ker mehr „wert“ waren als ein­fa­che Bür­ger. Es war natür­lich, dass Frau­en dem Mann unter­ge­ord­net waren, ihm sozu­sa­gen gehör­ten, so wie der Mensch Got­tes unter­ge­ord­net war. Heu­te wird das Prin­zip der natür­li­chen Ord­nung oft von Natio­na­lis­ten bzw. Rechts­extre­mis­ten benutzt, um ihre Abnei­gung gegen ande­re, beson­ders frem­de Men­schen und die moder­ne Gesell­schaft zu recht­fer­ti­gen.

Natür­lich sind wir als „Unord­nungs­pho­bi­ker“ nicht zwangs­läu­fig Fort­schritts­fein­de, Ras­sis­ten oder Natio­na­lis­ten, aller­dings anfäl­lig für kon­ser­va­ti­ve Denk- und Lebens­mo­del­le.


Alle Ord­nung ist optio­nal

Von Ord­nung kann nur gespro­chen wer­den, wenn auch die Mög­lich­keit zur Unord­nung besteht. Das soll­te klar sein. Es ist wich­tig, zu ver­ste­hen, dass nur »optio­na­le Ord­nung« wirk­li­che Ord­nung ist. Ord­nung in der Men­schen­welt, die nicht durch­ein­an­der­ge­bracht wer­den kann oder darf, ist daher eher eine neu­ro­ti­sche Fixie­rung.

Wirk­li­che Ord­nung kann ver­schie­de­ne For­men haben oder sogar ganz aus­blei­ben. Das ist ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um zur Defi­ni­ti­on von Ord­nung: Sie ist nicht zwin­gend nötig!

Ein Bei­spiel: Auf mei­nem Schreib­tisch gibt es eine ganz bestimm­te Anord­nung der Gegen­stän­de, die ich benut­ze. Die­se Anord­nung kann ich ändern, indem ich die Uten­si­li­en anders plat­zie­re. Es gibt dann immer noch Ord­nung, nur eine ande­re. Selbst wenn ich mei­ne Sachen chao­tisch anord­ne, gibt es immer noch Ord­nung – eben eine chao­ti­sche. Es liegt dann an mir, ob ich mit die­ser Unüber­sicht­lich­keit zurecht­kom­me.

Sta­bi­li­tät der Struk­tu­ren

Ord­nung ist des­halb rela­tiv, weil sie sub­jek­tiv ist. Sie ist das Ergeb­nis einer bewuss­ten Plat­zie­rung von Objek­ten, Ele­men­ten oder Ein­hei­ten in einem räum­li­chen oder auch vir­tu­el­len Sys­tem. Die Plat­zie­rung die­ser Ele­men­te kann von Per­son zu Per­son unter­schied­lich aus­fal­len und ist ein absicht­li­cher, letzt­end­lich indi­vi­du­el­ler Vor­gang.

Ord­nen sich die Ele­men­te eines Sys­tems hin­ge­gen selbst­stän­dig an, han­delt es sich nicht um Ord­nung, son­dern um Struk­tur. Die­se Struk­tur ist das Sys­tem selbst und kann nicht ver­än­dert wer­den, ohne es zu zer­stö­ren.


Ord­nung der Mole­kü­le und Son­nen­sys­te­me

Ein Gitter-Atommodell

Man­che Sys­te­me oder Struk­tu­ren ord­nen sich von allei­ne an, bei­spiels­wei­se Mole­kü­le oder Son­nen­sys­te­me. Geben wir eine bestimm­te Men­ge bestimm­ter Che­mi­ka­li­en in einen Glas­kol­ben und ver­rüh­ren sie mit­ein­an­der, plat­zie­ren sich die Bestand­tei­le der Che­mi­ka­li­en neu und es ent­steht eine bestimm­te Sub­stanz.

Als Ord­nungs­lieb­ha­ber wer­den wir in die­sem Vor­gang viel­leicht den Beweis für eine in der Natur ange­leg­ten Ord­nungs­kraft sehen – in die­sem Fall die natür­li­che Ord­nung der Mole­kü­le.

Doch der Auf­bau eines Mole­küls hat nichts mit Ord­nung zu tun. Die spe­zi­fi­sche Anord­nung bestimm­ter Ato­me in einem bestimm­ten Mole­kül reprä­sen­tiert zwar die­ses Mole­kül, es könn­te jedoch nie­mals auf eine ande­re Art auf­ge­baut sein, es könn­te nie­mals auf eine unor­dent­li­che Art exis­tie­ren. Ändern wir die Anord­nung der Ato­me in die­sem Mole­kül, hört es auf zu exis­tie­ren: Es ent­steht ein ande­res oder zer­fällt in sei­ne Bestand­tei­le.

Kos­mi­sche Ord­nung

Ein Kosmos voller Sonnen und Planeten

Ähn­lich ist es im Makro­kos­mos: Könn­ten wir Struk­tu­ren und Mecha­nis­men im Kos­mos beob­ach­ten, die sich nicht von den Natur­ge­set­zen ablei­ten lie­ßen, wäre evtl. ein ord­nen­der Geist zu ver­mu­ten (also eine Absicht), der für die Struk­tu­ren des Uni­ver­sums ver­ant­wort­lich ist. Doch alles, was wir im Uni­ver­sum beob­ach­ten (das heißt, jen­seits der irdi­schen Sphä­re), ist so, wie es die Natur­ge­set­ze vor­schrei­ben:

Die Pla­ne­ten bewe­gen sich auf exakt den Bah­nen um ihre Son­nen, die ihnen die sog. Raum­krüm­mung auf­zwingt. Alle ande­ren Struk­tu­ren und Objek­te (Aste­ro­iden, Kome­ten, Son­nen­sys­te­me, Gala­xien, Gala­xien­hau­fen, Super­hau­fen etc.), die wir im Uni­ver­sum beob­ach­ten, ver­hal­ten sich eben­so. Dort kön­nen wir nichts beob­ach­ten, das dem Cha­rak­ter einer erschaf­fe­nen (also krea­ti­ven, funk­tio­nel­len oder sogar will­kür­li­chen) Ord­nung besitzt, die des­we­gen auch anders sein könn­te.

Bei der kos­mi­schen Ord­nung han­delt es sich des­halb (nur) um die Sta­bi­li­tät mecha­ni­scher Abläu­fe und Struk­tu­ren – nicht um funk­tio­nel­le Ord­nung, die eine stimm­te Absicht ver­folgt.


Künst­li­che Ord­nung

Jede Art von Ord­nung ist künst­lich. Sie ist das Ergeb­nis eines krea­ti­ven, bewuss­ten Schaf­fens­pro­zes­ses, einer Anstren­gung, die auf­recht­erhal­ten wer­den muss. Andern­falls löst sie sich auf oder zer­fällt. Sie ist Aus­druck von Intel­li­genz und Bewusst­sein.

Ände­re ich die Anord­nung der Uten­si­li­en auf mei­nem Schreib­tisch, ist er nach wie vor der­sel­be. Ich fin­de mich auf ihm viel­leicht nicht mehr so gut zurecht – für eine ande­re Per­son muss das jedoch nicht gel­ten: Die­se könn­te sich jetzt sogar bes­ser auf ihm ori­en­tie­ren!

Das, was für mich unor­dent­lich ist, kann für einen ande­ren Men­schen ordent­lich sein. Ände­re ich hin­ge­gen die Struk­tur eines Mole­küls, hört die­ses in der Regel auf zu exis­tie­ren.

Es gibt des­halb kei­ne natür­li­che Ord­nung jen­seits unse­rer Vor­stel­lungs­welt. Sie ist Wunsch­den­ken für Men­schen, die sich von der Viel­sei­tig­keit des Lebens bedroht füh­len bzw. mit ihr nicht klar­kom­men.

Denn wenn es kei­ne natür­li­che Ord­nung gibt, gibt es auch kei­ne Garan­tie den rich­ti­gen Weg, den rich­ti­gen Lebens­stil gewählt zu haben. Man muss in die­ser offe­nen und frei­en Welt etwas ris­kie­ren und ist der Will­kür des Lebens und der Gefahr des Irr­tums aus­ge­lie­fert. Die­se Tat­sa­che mögen fun­da­men­ta­le Ord­nungs­lieb­ha­ber nicht.

Mut zur Unord­nung

Ord­nung ist letzt­end­lich eine per­sön­li­che, indi­vi­du­el­le, fast schon inti­me Geschmacks­sa­che: Eini­ge leben ihr Leben lang in chao­ti­schen Zustän­den und sind trotz­dem sehr krea­tiv und erfolg­reich. Ande­re brau­chen nur ein Min­dest­maß an Ord­nung. Wie­der ande­re benö­ti­gen ein Höchst­maß davon, andern­falls ver­lie­ren sie den Über­blick und lei­den unter Stress. Es kommt auf den Ein­zel­nen an.

Wir soll­ten des­halb unser Ver­ständ­nis von Ord­nung refor­mie­ren. Sie soll­te kein Lebens­in­halt sein und nur dann pri­mä­re Bedeu­tung haben, wenn Effi­zi­enz und Funk­tio­na­li­tät wich­tig sind. Das ist bei­spiels­wei­se am Arbeits­platz und im Stra­ßen­ver­kehr der Fall, bzw. über­all dort, wo maxi­ma­le Über­sicht eine Grund­vor­aus­set­zung für die Kor­rekt­heit des Han­delns und Gesche­hens ist.

Zu viel Ord­nung kann unse­re Leben­dig­keit und Krea­ti­vi­tät aus­brem­sen – des­halb soll­ten wir sie nicht über­be­wer­ten. Je stär­ker unser Leben durch­struk­tu­riert und von Ord­nung abhän­gig ist, des­to weni­ger Zufäl­le erle­ben wir … des­to weni­ger Neu­es tritt in unser Leben … des­to lang­sa­mer ent­wi­ckeln wir uns wei­ter … des­to …

6 Gedanken zu „Natür­li­che Ord­nung“

  1. Tol­ler Arti­kel. In mei­nem Bekann­ten­kreis sind auch die krea­ti­ven eher unor­dent­lich (also in mei­nen Augen). Ich lie­be auch das Cha­os zu Hau­se und füh­le mich leben­di­ger. Wenn alles geord­net ist, habe ich das Gefühl ich sei in einem Kran­ken­haus … beschränkt.

    Lie­be Grü­ße aus Leip­zig,

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  2. Ohne ord­nungs­prin­zip ist es für uns Men­schen nicht möglich,irgendetwas zu ver­ste­hen oder zu erklären.ordnungsprinzipien haben logi­sche Gren­zen ‚wel­che der ordent­li­che Rah­men für unser Den­ken ist,da wir uns nur inner­halb ordent­li­cher Denk­struk­tu­ren geis­tig bewe­gen können.nicht ein­mal unse­re Phan­ta­sie ist grenzenlos,da sie einem begrenz­ten Gehirn entspringt.und begrenz­te Gedan­ken kön­nen sich nur inner­halb logi­scher Struk­tu­ren ent­fal­ten.

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  3. Ich fra­ge mich, wie wir die „natür­li­che Ord­nung“ oder den „natür­li­chen Ablauf“ der Gezei­ten, des Tages, der Nacht, der Gestir­ne, der Peri­ode, der Jah­res­zei­ten, des Wach­sens und Ver­ge­hens, des Auf­baus eines Bie­nen­stocks und die „Ord­nung“ des Uni­ver­sums erklä­ren?

    Die­se sind nicht mensch­lich als Ord­nung orga­ni­siert und so ein Zufall, dass wir sie als logisch wahr­neh­men. Viel­leicht gibt es ja dann doch eine Ord­nung, die jen­seits der mensch­li­chen Logik exis­tiert. Immer­hin kann sie ja wahr­ge­nom­men wer­den, auch wenn man nicht alles erklä­ren kann.

    Es gibt viel mehr zwi­schen Him­mel und Erde, als wir uns vor­stel­len oder wir mes­sen und erklä­ren kön­nen. Ich glau­be nicht, dass die mensch­li­che Logik das Maß aller Din­ge ist und das wis­sen und wuss­ten gro­ße Natur­wis­sen­schaft­ler.

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    • Ich glau­be nicht, dass das, was du auf­zählst (den natür­lich Ablauf der Din­ge wie Gezei­ten, Tag, Nacht, Ord­nung des Uni­ver­sums usw.) etwas mit Ord­nung zu tun hat, denn es ist unmög­lich, die­se Ord­nung zu ver­än­dern. Und das ist für mich das Erken­nungs­merk­mal für Ord­nung: Ord­nung kann immer ver­än­dert wer­den, sie muss nicht zwin­gend so sein, wie sie ist. Und sie muss auf­recht­erhal­ten wer­den – sonst zer­fällt sie.

      Kann sie nicht ver­än­dert wer­den, han­delt es sich nicht um Ord­nung, son­dern um eine fest­ste­hen­de Struk­tur. Die­se Art der Ord­nung muss nicht auf­recht­erhal­ten wer­den – sie ist aus sich selbst her­aus sta­bil.

      Ord­nung ist mMn. etwas, das erschaf­fen wur­de und des­halb auch anders sein könn­te. Die Ord­nung auf mei­nem Schreib­tisch ist eine ganz bestimm­te, doch sie müss­te nicht so sein, ich könn­te die Uten­si­li­en dort auch anders anord­nen. Dann gäbe es dort immer noch Ord­nung – nur eine ande­re.

      Als Bei­spiel: In man­chen Kul­tur­krei­sen ent­spricht es der natür­lich Ord­nung, dass Frau­en den Män­nern unter­ge­ord­net sind, qua­si deren Besitz sind. Doch es gibt vie­le Län­der, in denen das nicht (mehr) so ist und Frau­en gleich­be­rech­tigt neben dem Mann leben. Bei die­ser Ord­nung han­delt es sich also nicht um eine natür­li­che Ord­nung, son­dern um eine erschaf­fe­ne – sie ist zweck­ge­bun­den. Es muss nicht so sein.

      In der Natur kön­nen vie­le Din­ge aber nicht ver­än­dert wer­den: Was­ser fließt immer nach unten, Pflan­zen wach­sen immer dem Licht ent­ge­gen, der Auf­bau eines bestimm­ten Mole­küls ist immer der sel­be und kann nicht geän­dert wer­den.

      Da war oder ist nie­mand, der „gemacht“ oder „gewollt“ hat, dass die Natur so ist, wie sie ist. Ein Qua­drat ist eine Flä­che mit 4 Ecken und 4 Sei­ten, die im rech­ten Win­kel zuein­an­der ste­hen. Fügen wir eine 5. Ecke und eine 5. Sei­te hin­zu, wäre es Quatsch, jetzt von einem „unor­dent­li­chen“ Qua­drat zu spre­chen. Dass ein Qua­drat also eine Flä­che mit vier Ecken ist, die im rech­ten Win­kel zuein­an­der ste­hen, hat nichts mit Ord­nung zu tun.

      Es ist uns nicht mög­lich, die­se Art der „Ord­nung“ zu ändern und des­we­gen han­delt es sich mMn. auch nicht um Ord­nung. Ich wür­de eher von Eigen­schaft oder Struk­tur spre­chen. Das Wesen eines Qua­drats ist nun mal so, wie es ist. Qua­dra­te kön­nen nie­mals unor­dent­lich sein, ohne dabei auf­zu­hö­ren, Qua­dra­te zu sein.

      In der Natur gibt es mMn. kei­ne „Ord­nung“. MMn. ist Ord­nung immer künst­lich – also men­schen­ge­macht. Das, was du in der Natur als Ord­nung emp­fin­dest, ist ein­fach nur die Eigen­schaft der Din­ge. Man­che Din­ge in der Natur sind ein­fach so, wie sie sind. Wir müs­sen sie nicht ver­ste­hen um sie aner­ken­nen zu kön­nen. War­um auch?

      Ich ver­mu­te, dein Kom­men­tar zielt auf die Fra­ge nach einer „gött­li­che Ord­nung“ ab, die dafür ver­ant­wort­lich ist, dass man­che Din­ge ein­fach so sind, wie sie sind. Die Asso­zia­ti­on, dass irgend­et­was oder auch „irgend­je­mand“ dafür ver­ant­wort­lich sein muss, ist ver­ständ­lich, aber nicht not­wen­dig. Ich fin­de sie über­flüs­sig.

      Eine Kugel ist nicht des­we­gen rund, weil irgend­je­mand oder irgend­et­was gewollt hat, dass Kugeln rund sind. Es ist ein­fach die Natur von Kugeln, rund zu sein. Man kann aus einer Kugel kei­nen Wür­fel machen, ohne sie dabei zu zer­stö­ren. Man kann aber eine Frau dem Mann gleich stel­len, ohne die Frau dabei zu zer­stö­ren. Mög­li­cher­wei­se wird die Frau dadurch noch mehr zur Frau.

      Vie­le „natür­li­che Ord­nun­gen“ sind in Wirk­lich­keit also gar kei­ne. Wir wün­schen uns nur eine natür­li­che Ord­nung, denn das ist bequem. Sie nimmt uns die Ver­ant­wor­tung ab, wir müs­sen uns dann nicht mehr fra­gen, was rich­tig und falsch ist. Das ist mei­ner Mei­nung nach der wah­re Grund für die Sehn­sucht nach einer natür­li­chen Ord­nung.

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