Harte und weiche Wissenschaften
Manchmal zählen wir auch die Wissenschaften zu den Glaubenssystemen. Diese assoziative Zuordnung ist eine intuitive »Strategie«, mit der wir unseren religiösen Glauben in modernen Zeiten gegen modernes Wissen verteidigen bzw. abzuschirmen versuchen. Denn wenn alles letztendlich ein Glaube ist, kann dem religiösen Glauben nichts vorgeworfen werden, was man den Wissenschaften nicht ebenfalls vorwerfen kann.
Inhalt
Einige Wissenschaften, beispielsweise Philosophie, Ökologie, Ökonomie oder Marktwirtschaft können tatsächlich den Charakter eines Glaubens haben. Sie sind nicht exakt, denn eine ihrer wichtigsten Variablen und Faktoren ist der Mensch und sein Verhalten.
Und da dieses manchmal sprunghaft und irrational ist, lassen sich Ungenauigkeiten in diesen Wissenschaften nicht vermeiden. Vermutungen, Annahmen, Extrapolationen oder Schätzungen gehören bei ihnen zu den Standardwerkzeugen. Das ist uns bewusst und deshalb ist unser Anspruch an diese Disziplinen auch kein absoluter.
Mathematische Präzision
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, beschäftigt sich Wissenschaft mit den Dingen, die wir mit unseren Sinnen (Hören, Sehen, Fühlen etc.) wahrnehmen. Auch die angewandte Mathematik gehört dazu. Mathematik könnte man als virtuelle Mechanik bezeichnen.
2 x 2 = 4
13 x 7 = 91
148 / 625 ^ (12/5) x 50572 = ungefähr 1,459
Einfache Multiplikationen lassen sich leicht überprüfen: Wenn wir wissen wollen, ob unser Taschenrechner tatsächlich recht hat, wenn er behauptet, 2 x 2 = 4, legen wir einfach 2 Reihen a 2 Streichhölzern vor uns auf den Tisch. Anschließend zählen wir die Streichhölzer. Das Ergebnis wird 4 sein. Den Vorgang wiederholen wir dann mit 13 x 7, legen also 13 Reihen a 7 Streichhölzer vor uns auf den Tisch und zählen erneut die Hölzer. Das Ergebnis wird diesmal 91 sein.
Wenn wir diese Prozedur nur oft genug mit anderen Beispielen wiederholen, werden wir irgendwann erkennen, dass die Methode zur Multiplikation von Zahlen tatsächlich funktioniert, denn dass ein falsches Verfahren in Hunderten Beispielen durch Zufall das richtige Ergebnis liefert, ist absolut unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist so gering, dass sie kaum ausgedrückt werden kann. Mathematiker müssen also nicht fürchten, ihre korrekten Berechnungen könnten trotzdem falsche Ergebnisse liefern.
Die bestmögliche Annäherung
Marktwissenschaftler hingegen verfügen nicht über eine solche Fundamentalsicherheit. Denn zusätzlich zum Instrument der Mathematik benutzen sie Statistiken, Umfrageergebnisse, Variablen wie Zeit, Dauer, Intensität und Ähnliches mehr, also Daten, von denen nie sicher gewusst werden kann, ob sie exakt sind. Deshalb sind Ungenauigkeiten in der marktwissenschaftlichen Arbeit nicht zu vermeiden.
Die Schwierigkeit der Definition von »harter Wissenschaft« hat damit zu tun, dass wir viel zu schnell und gern alles Mögliche als Wissenschaft bezeichnen. Ein gutes Beispiel sind die sogenannten Grenzwissenschaften. Dieser Ausdruck klingt viel seriöser als Esoterik oder Magie – deswegen wurde er eingeführt.
Kein Anspruch auf Absolutheit
Vor noch 100 Jahre hielten wir die Vorstellung, der Homo sapiens könnte sich mit dem Neandertaler gekreuzt haben, für unmöglich. Heute haben wir mir diesem Gedanken keine Probleme mehr.
In der Religion ist ein solcher Paradigmenwechsel jedoch nicht möglich. Selbst wenn definitiv bewiesen werden könnte, dass beispielsweise Maria Jesus ganz natürlich empfangen hatte, würden wir dieses Wissen als fanatische Christen ignorieren, oder als böswillige Desinformation zurückweisen.
Die meisten Wissenschaften beansprucht für sich nicht das Attribut der Absolutheit. Wissenschaftler sprechen von der bestmöglichen Annäherung an eine Wahrheit, denn mehr ist oft nicht möglich. Sie wissen von der potenziellen Ungenauigkeit und Fehleranfälligkeit ihrer Arbeit.
Diese Offenheit und Selbstkritik finden wir bei den Religionen nicht. Deswegen entwickeln sie sich – anders als die Wissenschaften – nicht weiter. Unsere Kleriker halten seit Jahrtausenden an den Doktrinen fest, die aus den Ängsten und Assoziationen unserer archaischen Vorfahren hervorgegangen sind. Religionen beanspruchen für sich a priori und ungeprüft Wahrhaftigkeit – Wissenschaften nicht.
In der Wissenschaft versuchen wir die Dinge zu erforschen, machen Erfahrungen und lernen aus unseren Irrtümern. In den Religionen hingegen übernehmen wir ungeprüft die überlieferten Lehren unserer archaischen Vorfahren.
Erweist sich eine wissenschaftliche Theorie als falsch, verwerfen wir sie, obwohl wir auch hin und wieder an einer lieb gewonnenen länger festhalten, als gut ist. Doch früher oder später werden veralteten Theorien immer durch neue und bessere ersetzt.
Glaube an die Wissenschaften
Die Wissenschaft hat unsere Computer hervorgebracht, unsere Handys, Autos, Flugzeuge und Kühlschränke. All diese Geräte und Maschinen funktionieren einwandfrei, tun also genau das, was wir von ihnen erwarten. Und wenn sie nicht kaputt gehen, funktionieren sie ewig. Wir müssen also nicht glauben, dass die Wissenschaft korrekte Ergebnisse erzeugt, denn wir erleben es im Alltag immer wieder.
Wenn also vom Glauben an die Wissenschaft gesprochen wird, ist der Glaube an ihr Potenzial gemeint: Sie kann die Rätsel der Natur entwirren oder erklären und Lösungswege für technologische und soziale Probleme aufzeigen.
Und da das in vielen Fällen schon geschehen ist, ist dieser Glaube nicht unvernünftig. Nur in diesem speziellen Sinn kann die Wissenschaft zu den Glaubenssystemen gezählt werden.
Wenn wir an die Wissenschaft glauben, dann nicht auf die blinde Art und Weise, wie an Gott. Dieser Glaube wurde uns meistens gegen unseren Willen antrainiert, aufgezwungen, eingebläut oder abverlangt.
Gleichzeitig wurde uns beigebracht, die eklatanten Widersprüche unserer Religionen zu ignorieren. Unsere vermeintlich freie Entscheidung zum religiösen Glauben ist nur ein intuitiver Anpassungs- und auch Überlebensmechanismus: das Ergebnis von Konformitätszwängen.
Erfahrung und Beobachtung
Unser Glaube an die Wissenschaft wurzelt in der Erfahrung, dass beobachtbare Phänomene erklärt werden können. Die Mathematik ist uns dabei eine Hilfe. Vielleicht überbewerten wir die Wissenschaft manchmal und trauen ihr mehr zu, als sie zu leisten vermag. Doch das ist kein Makel: Grenzüberschreitungen und Fehlinterpretationen gibt es in den Wissenschaften immer einmal.
Fehler können sogar wichtige Voraussetzungen zur Weiterentwicklung einer wissenschaftlichen Arbeit sein. Manchmal muss man sich erst verrennen, um den richtigen Pfad zu finden. Ohne unsere Irrtümer im Denken und Assoziieren hätte die Wissenschaften sich wahrscheinlich langsamer entwickelt.
Religion besitzt diese Dynamik nicht. Abweichungen von der Doktrin werden dort in der Regel sofort abgetötet – früher (und heute in manchen Ländern immer noch) im wörtlichen Sinn.
Im Großen und Ganzen schätzen wir die Wissenschaft also richtig ein: als zwar unvollkommenes, aber trotzdem mächtiges Werkzeug zur Wissenserweiterung. Religion hingegen fungiert eher als Disziplin zur Erkenntnisvermeidung.
3 mal 3 macht 4, widewide wer wills von mir lernen.…?
Pipi Langstrumpf
Hä? Mehr fällt dir dazu nicht ein? Soll das Ironie sein?
Wenn du meinst, dass das Quatsch ist, was ich auf dieser Seite schreibe, begründe es bitte.