Die Welterklärungsversuche unserer archaischen Vorfahren
Wir haben sogenannte Glaubenssysteme, mit denen wir uns den Ursprung allen Seins erklären: Ein übernatürliches, allmächtiges Lebewesen ohne Anfang und Ende hat das Universum und das Leben erschaffen. Nur in den Details sind wir uns nicht einig, beispielsweise wann und wie die Erschaffung stattfand, welche Absichten das Wesen hat und was es von uns erwartet.
Inhalt
Wenn wir von Glaubenssystemen sprechen, meinen wir in der Regel die Arten, auf die wir an Gott glauben. Wir können diesen Begriff aber auch in einem breiteren Sinn gebrauchen:
Besitzt eine Lehre, Ideologie oder Theorie a priori einen nicht beweisbaren Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder universelle Bedeutung, handelt es sich um ein Glaubenssystem. Deshalb zählen auch Ideologien und Esoterik dazu.
Atheismus als Glaubenssystem
Traditionell zählen wir den Atheismus nicht dazu, da er den Glauben an einen Gott nicht beinhaltet. Doch als Atheisten sind wir nicht aufgrund definitiver Beweise von der Nichtexistenz Gottes überzeugt … unsere logischen und vernünftigen Überlegungen lassen uns das denken!
Und da bis in die letzte Konsequenz nichts beweisbar ist, sind wir gezwungen, zu glauben, dass unsere logischen und vernünftigen Überlegungen auch richtig sind. Aus diesem einfachen, aber fairen Grund muss auch der Atheismus bei den Glaubenssystemen eingeordnet werden.
Die „Schwachstelle“ aller Glaubenssysteme ist nun mal: Pragmatisch, also nüchtern, faktenorientiert, unaufgeregt und ganz besonders zwanglos betrachtet (was uns selten leicht fällt, da wir fast alle direkt oder indirekt ideologisch indoktriniert wurden), sind sie Spekulationen – egal wie viel sie uns bedeuten oder wie sehr wir von ihnen überzeugt sind.
Diese Assoziation gefällt uns als Atheisten natürlich überhaupt nicht – und deshalb zerreden wir sie leidenschaftlich. Wir alle haben unsere festen Überzeugungen, die uns irrational denken lassen. In dieser Blase unserer persönlichen Vorstellungswelt wird Fiktion für uns zur Wirklichkeit.
Kategorien der Glaubenssysteme
Religiöse Glaubenssysteme:
Theismus, Agnostizismus, Atheismus: Diese beschäftigen sich traditionell, kritisch oder wissenschaftlich mit dem Postulat (oder der Idee) eines jenseits von Raum und Zeit angesiedelten »omnipotenten Superwesens«, das für die Existenz des Universums und des Lebens verantwortlich ist.
Ideologische Glaubenssysteme:
Ideologien, zum Beispiel der Glaube an den Sozialismus, Kapitalismus, Wirtschaftssysteme, Gesellschaftsformen etc. Ideologische Glaubenssysteme sind meistens rein intellektuelle Überzeugungen und haben einen weltlichen Charakter.
Esoterische Glaubenssysteme:
Ufologie, Verschwörungstheorien, Spiritismus, Mythen, Magie etc. Esoterische Glaubenssysteme kann man als »alternative Religionen« verstehen. Wer das Bedürfnis hat, glaubend durchs Leben zu gehen, das Schöpfergottkonzept jedoch ablehnt, findet in der Esoterik Glaubensmöglichkeiten.
Das Feld der Esoterik ist weit und beschreibt die Welt des Übersinnlichen und verwandte Traditionen. Es ist nicht immer eindeutig, was zur Esoterik gehört und was nicht. Einige Menschen zählen beispielsweise Spiritualität und Astrologie dazu, andere nicht.
Persönliche Glaubenssysteme:
Überzeugungen, etwas zu sein, etwas zu werden, etwas zu wissen. Persönliche Glaubenssysteme sind sehr diffizil und lassen sich schlecht definieren.
Sie können gut mit anderen Glaubenssystemen kombiniert werden. Ein persönliches Glaubenssystem kann ein privater Glaube sein, der heimlich praktiziert wird und nur ein einziges Mal existiert. Obsessionen und Wahnvorstellungen (beispielsweise der Glaube, die Wiedergeburt einer historischen Person zu sein), können dazu gezählt werden.
Theismus, Atheismus, Agnostizismus
Diese drei Ausrichtungen sind die Hauptgruppen der religionsorientierten Glaubenssysteme. Es gibt noch jede Menge andere, doch diese kann man als Untergruppen oder Ableger von Theismus, Atheismus und Agnostizismus verstehen. Meistens unterscheiden sich diese von ihrer Muttergruppe nur in Nuancen:
Theismus:
Deismus, Monolatrismus, Pantheismus, Kosmotheismus, Theophanismus, Henotheismus, Monotheismus, Panentheismus, Theozentrismus, agnostische Theismus sowie die sogenannte negative Theologie.
Atheismus:
Logisch-metaphysische, nominalistische, metaphysisch-rationalistische; radikal-szientistische, postulatorische, szientistische, pragmatische und agnostische Atheismus
Agnostizismus:
Der starke, schwache, atheistische, spirituelle und pragmatische Agnostizismus, sowie den Ignostizismus.
Für jeden Geschmack und für jedes intellektuelle Gemüt ist somit etwas dabei. Wer religiös oder anti-religiös sein will, findet wahrscheinlich auch etwas.
Im Prinzip unwichtige Unterschiede
Was all diese Glaubensorientierungen genau bedeuten, weiß ich nicht. Es ist auch nicht wichtig, denn um das »Prinzip Glaubenssystem« verstehen zu können, ist das unnötig.
Bei unseren Glaubenssystemen handelt sich nur um die individuell unterschiedlich ausdifferenzierten Versuche, die wir in modernen Zeiten machen, um das Phänomen der Existenz weiterhin mit dem Postulat eines »Schöpfungsaktes« erklären zu können oder Alternativen dazu aufzuzeigen.
Daher werden auf dieser Seite nur die drei Hauptgruppen besprochen, ihre Beziehung zueinander aufgezeigt und einige weiterführende Gedanken zum Thema Glaubenssysteme/Glauben/Religion dargestellt.
Atheismus und Theismus
Theismus und Atheismus sind zwei Seiten derselben Münze. Den Agnostizismus kann man als die ganze Münze verstehen.
Es gibt keinen Atheismus ohne Theismus. Um Atheist sein zu können, muss es den Theismus geben – das ist klar. Das Gegenteil trifft jedoch auch zu: Wäre es nicht möglich, nicht an Gott zu glauben, wäre es auch nicht möglich, an ihn zu glauben. Der Glaube an Gott wäre dann etwas anderes als Glaube.
Theismus = potenzieller Atheismus, Atheismus = potenzieller Theismus. Es ist dem Yin-Yang-Prinzip ähnlich.
Vorurteil oder Aversion
Wenn wir etwas ablehnen, müssen wir eine Beziehung zu dem haben, was wir ablehnen. Andernfalls wäre unsere Abneigung nur der Ausdruck eines Vorurteils.
Um den Glauben an Gott ablehnen zu können, müssen wir irgendwie wissen (oder zumindest glauben zu wissen), was es bedeutet oder bedeuten könnte, an ihn zu glauben. Deshalb müssen wir, um Atheist sein zu können, in unserem Inneren den inaktiven oder latenten Trieb zum theistischen Glauben haben.
Man kann es auch so ausdrücken: Wer niemals Atheist sein könnte, könnte auch niemals Theist sein und umgekehrt. Wir sind nur deshalb eins von beiden, weil wir im Prinzip auch das Gegenteil sein könnten.
Theismus ist der Glaube an ein übernatürliches Wesen, das das Universum und das Leben erschaffen hat, Atheismus der Glaube an einen natürlichen Entstehungsprozess von beidem. Für keines dieser Erklärungsmodelle gibt es wirkliche Beweise, Indizien oder etwas Gleichwertiges, sondern nur Mutmaßungen.
Und diese Mutmaßungen sind ausnahmslos von unserem persönlichen intellektuellen Gemüt abhängig – also eine Geschmackssache.
Intuition und Emotionalität
Das, was wir fühlen, spüren oder intuitiv wissen, wovon wir innerlich überzeugt sind, ist bedeutungslos bei der Frage nach dem Ursprung allen Seins, denn unserer Intuition können wir nicht trauen, wenn wir emotional eingebunden sind. Und wir sind (zumindest auf einer unbewussten Ebene) außergewöhnlich stark emotionalisiert, wenn es um den »Sinn des Lebens«, »Ursprung der Existenz« und ähnliche Dinge geht. Es ist uns deshalb unmöglich, dieses Thema neutral und nüchtern zu behandeln.
Ob wir an die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes glauben, hängt daher von unseren persönlichen, subjektiven Vorlieben ab, die vom intellektuellen Gemüt bestimmt werden, das sich im Laufe der Jahrzehnte auch ändern kann.
Heute Theist, morgen Atheist, übermorgen Theist …
Es gibt viele religiöse Biografien, die man grob so umschreiben kann:
In der Jugend/Kindheit Theismus, meistens aufgrund der elterlich-schulischen Konditionierung.
Im frühen Erwachsenenalter dann der Wechsel zum Atheismus, beispielsweise durch intellektuelle Weiterentwicklung. Die in der Kindheit erworbenen geistigen Konditionen werden abgeschüttelt, um selbstständiger zu werden.
Im späten Erwachsenenalter die Rückkehr zum Theismus, aufgrund eines Schicksalsschlages oder allgemeiner Desillusionierung im Leben. Wir erinnern uns an das Trost spendende Gefühl, das der Glaube an Gott, das Jenseits oder das Schicksal erzeugen kann.
Das geht natürlich auch in die andere Richtung: Vom Elternhaus erfahren wir eine atheistische Erziehung, entdecken dann später die Religion (da sie tröstlich sein kann) und kehren noch später aus unterschiedlichen Gründen zum Atheismus zurück. Vielleicht gibt es auch mal ein agnostisches Intermezzo.
Unsicherheit und Angst: die wichtigsten Triebfedern zum Glauben
Das zeigt, wie labil unsere geistige und intellektuelle Grundeinstellung als Theisten und Atheisten meistens ist. Als Atheisten haben wir eine Aversion gegen das Irrationale, das nicht Erklärbare – obwohl diese Einstellung selbst gewisse irrationale Züge besitzt.
Als Theisten haben wir Angst vor der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung in ethischen und moralischen Fragen und suchen deshalb nach einer höheren Autorität, die uns die Verantwortung abnimmt.
Gefällt uns eine bestimmte Musik nicht, hören wir sie uns auch nicht an – das ist alles. Engagieren wir uns aber dagegen, bedeutet sie uns auch etwas. Und wer weiß, vielleicht wird sie uns ja eines Tages gefallen. Oder: Sie gefällt uns bereits, doch wir können uns das nicht eingestehen (weil wir von anderen oder uns selbst konditioniert wurden, sie nicht zu mögen).
Manche Atheisten haben deshalb nur eine verkorkste Beziehung zu ihrem latenten Glauben an Gott. Viele Theisten glauben nur deshalb, weil sie mit der Tradition des religiösen Glaubens aufwuchsen und als Erwachsene nicht couragiert sind, sich davon zu trennen.
Stereotypie der Argumentation
Als Atheisten begründen wir unser Engagement gegen den Theismus unter anderem mit den vielen Verbrechen und Schreckenstaten, die seit Jahrtausenden im Namen Gottes, der Religion und der Kirche verübt wurden und immer noch verübt werden. Wir übersehen dabei, dass es diese Gräuel höchstwahrscheinlich auch ohne die Religionen und den Glauben an Gott geben würde.
Denn Menschen verstecken sich gerne hinter Institutionen, um Taten zu legitimieren, die eigentlich nicht okay sind. All die Menschen, die im Laufe der Geschichte im Namen Gottes und der Kirche anderen Menschen schlimme Dinge angetan haben (hauptsächlich Mord und Folter), hätten das wahrscheinlich auch in einem anderen Namen getan – oder auch ganz ohne. Denn hätte den Folterern und Inquisitoren ihre „Arbeit“ kein Vergnügen bereitet, hätten sie diesen „Job“ niemals solange durchhalten können.
Und pädophile Kleriker würden als Menschen auch dann Kinder sexuell missbrauchen, wenn es die Kirche und die Religion nicht gäbe.
Hassliebe
Wenn wir als Theisten und Atheisten miteinander streiten, bezeichnen und beschuldigen wir uns gegenseitig oft als dumm, verantwortungslos oder ignorant. Wir merken nicht, dass unsere Positionen austauschbar sind, denn im verbalen Umgang miteinander benutzen wir oft das gleiche Vokabular. Das kann kein Zufall sein.
Die Beziehung zwischen Theismus und Atheismus kann daher den Charakter einer Hassliebe haben. Sie brauchen einander, um sich besser profilieren zu können.
Unsere Argumente gegen den Theismus können in vielen Fällen auch als Argumente gegen den Atheismus eingesetzt werden (und umgekehrt), wenn wir einfach nur ein paar Wörter austauschen. Doch das dürfte nicht möglich sein, wären Atheismus und Theismus nicht miteinander verwandt.
Der Agnostiker
Ergänzend ist noch der Agnostiker zu erwähnen. Er ist der raffinierte unter den Gläubigen. Als Agnostiker bringen wir das Kunststück fertig, gleichzeitig Theist und Atheist zu sein. Auch wir wissen, dass es weder für noch gegen das Schöpfergottkonzept echte Beweise und Indizien gibt.
Aufgrund unseres intellektuellen Temperaments bräuchten wir sie aber, um uns für eins der beiden Welterklärungsmodelle entscheiden zu können. Denn wir möchten zwar auch glauben, doch nicht an etwas, das es möglicherweise gar nicht gibt. (Dem normalen Gläubigen ist das egal, nach dem Motto: Ist mir egal, Hauptsache, ich habe einen Glauben.) Darum tun wir so, als wäre die Gottesfrage nicht bzw. noch nicht beantwortbar.
Agnostiker scheinen deshalb Menschen mit einer Affinität zum religiösen Glauben zu sein, ihre intellektuelle Bildung als moderne Menschen macht ihnen das jedoch schwierig.
Der agnostische Trick
Da dieser »Knoten des Nicht-Wissen-Könnens« nicht aufgelöst werden kann, nehmen Agnostiker eine Wartestellung ein. Ihre Zuversicht speist sich aus der Logik, dass eins der beiden Welterklärungsmodelle schließlich richtig sein muss:
Wenn das religiöse falsch ist, ist das naturwissenschaftliche richtig, ist das naturwissenschaftliche falsch, ist das religiöse richtig. Sie kommen nicht auf den Gedanken, dass möglicherweise beide Ansätze falsch sind.
Die Grenze unserer Erkenntnismöglichkeiten
Ich verstehe das Dilemma, in dem wir an dieser Stelle stecken. Es hat etwas mit unseren von Natur aus beschränkten Assoziationsfähigkeiten und dem ultimativen Charakter der Ausgangsfrage zu tun.
Fall 1: Gott existiert definitiv
Nehmen wir zunächst an, es gäbe einen Schöpfergott und wir wüssten es definitiv. Dann wäre unsere Frage trotzdem nicht beantwortet. Wir wüssten zwar, woher Universum und Leben kommen, doch unser Problem hätte sich damit nur verschoben. Denn woher käme Gott, der Initiator von dem ganzen? Der hätte schließlich ebenfalls eine Erklärung nötig, da auch er ein Bestandteil des »Phänomens der Existenz« wäre.
Als schöpfergottgläubige Menschen sagen wir, nichts kann ohne Ursprung sein. Deshalb muss es einen Schöpfer geben! Werden wir darauf hingewiesen, dass diese Logik auch auf den Schöpfer angewandt werden kann, verweigern wir die Einsicht in unsere eigene Logik.
Emotionale und mentale Abhängigkeit
Unser Problem als Gottgläubige ist: Wir sind auf unseren Glauben fixiert, emotional und vielleicht auch mental von ihm abhängig. Ohne unseren Glauben (der uns zu dem gemacht hat, was wir sind) können wir nicht mehr richtig denken, denn unser seelisches Ordnungssystem ist von ihm abhängig.
Doch in der heutigen wissenschaftsorientierten Zeit werden schöpfergottgläubige Menschen mehr und mehr auf- und herausgefordert, ihren Glauben zu erklären. Da es uns irgendwie nicht möglich ist, einfach zu sagen: „Ich glaube an einen Schöpfergott, weil ich das tun will“, versuchen wir ihn logisch abzuleiten und zu begründen.
Dabei übersehen oder ignorieren wir die Inkonsistenz und Inkohärenz unserer Logik: Man kann eine Regel, auf die die eigene Argumentation aufbaut, nicht außer Kraft setzen, sobald Schwierigkeiten auftreten.
Können wir auf eine Erklärung für die Existenz Gottes verzichten (was Theisten tun), dann auch auf eine für die Existenz des Universums. Denn wenn ein allmächtiges Lebewesen ohne Anfang und Ende existieren kann, ist bewiesen, dass ursprungslose Existenz möglich ist.
Ungeeignete Argumente
Manchmal argumentieren wir als schöpfergottgläubige Menschen auch folgendermaßen: „Weil ich mir nicht vorstellen kann, wie etwas aus dem Nichts heraus entsteht, muss ein Schöpferwesen das Universum geschaffen haben.“
Doch die Existenz eines Wesens ohne Anfang und Ende ist ebenfalls unvorstellbar. Daran stören wir uns als gottgläubige Menschen seltsamerweise nicht. Es scheint uns daher um etwas anderes zu gehen.
Das Postulat eines Schöpfergottes ist daher unnötig und ungeeignet. Es hilft uns nicht weiter. Letztendlich ist es nur der hilflose Versuch, das Wunder der Existenz durch ein weiteres Wunder plausibel zu machen, das wir dann nicht weiter hinterfragen müssen, weil es unsere Bedürfnisse bereits befriedigt.
Doch ein Konzept ist ungeeignet, ein Phänomen zu erklären, wenn es selbst Teil des zu erklärenden Phänomens ist.
(Nebenbei bemerkt: Die Urknalltheorie behauptet nicht, dass das Universum ursprungslos ist, sondern aus dem Nichts entstand. Wer weiß, was dieses Nichts ist. Sprechen Astrophysiker vom Nichts, meinem sie nicht das, was unser Alltagsverstand darunter versteht. Der Ausdruck »Nichts« ist nur der Versuch einer Terminologiefindung für etwas, das nicht assoziiert, imaginiert und definiert werden kann.)
Fall 2: Gott existiert definitiv nicht
Nehmen wir andererseits an, wir wüssten definitiv, es gäbe keine Schöpferinstanz, keinen Initiator des Urknalls. Das Dilemma wäre das gleiche: Das Mysterium der Existenz wäre durch dieses Wissen nicht weniger unerklärlich.
Wir hätten jetzt zwar nicht mehr das Problem, die Bedeutung und Herkunft eines Schöpferwesens erklären zu müssen (das sowieso nur ein Zwischenglied wäre) – an der Situation würde das jedoch nichts ändern.
Wir können nur feststellen, dass die Existenz ein Mysterium ist und bleiben wird. Sämtliche Erklärungsmodelle taugen nichts. Sie werfen bloß neue Fragen auf und führen in eine unendliche Schleife. Ob das Universum aus dem „Nichts“ entstanden ist oder von einem Gott ohne Anfang und Ende erschaffen wurde, ist daher unwesentlich.
Die Frage bleibt unbeantwortet
Keines der beiden Erklärungsmodelle ist geeignet, unsere Frage zu beantworten. Ist das Universum das Werk eines Schöpferwesens, stellt sich anschließend die Frage, was dieses Wesen ist und vorher es kommt. Neugierige (also nach der Wahrheit suchende Menschen) stellen sich diese Frage mit Sicherheit.
Ist das Universum hingegen aus dem sogenannten Nichts entstanden, müssen wir uns fragen, was dieses Nichts ist. Beide Fragen können wir nicht beantworten. Also ist es besser, von Anfang an darauf zu verzichten, das Phänomen der Existenz verstehen zu wollen. Es wird uns nicht gelingen, sondern nur von den wirklich wichtigen Fragen des Lebens ablenken.
Eine davon lautet: Wie können wir es als Menschheit schaffen, friedlicher, freundlicher und verantwortungsvoller zu werden?
Das ontologische Ausschließungsprinzip
Für das oben dargestellte Problem bietet sich eine einfache Lösung an: Vergessen wir die Fragestellung und hören auf, das Rätsel der Existenz lösen zu wollen. Akzeptieren wir die Unbeantwortbarkeit dieser Frage. Nehmen wir bei diesem Problem keine emotionale Haltung mehr ein. Freunden wir uns mit der Vorstellung an, dass es niemals möglich sein wird, darüber etwas wissen zu können. Entspannen wir einfach unsere mentale Grundeinstellung.
Wir können das Problem nur spielerisch in negativer Weise angehen und sollten wissen, all unsere Bemühungen liefern bestenfalls Ansätze. Wirklich lösen können wie es nie, denn alles, was wir sagen, assoziieren, denken, oder uns einfällt, kann mit dem Ursprung der Existenz nichts zu tun, sondern nur mit uns selbst.
Nur das, was übrig bleibt (wir also nicht denken und nicht assoziieren können), könnte es sein. Das ist natürlich unbefriedigend, doch wir müssen lernen, das zu erkennen und zu akzeptieren. Erst ab diesem Punkt wird es uns dann möglich sein, ernsthaft die Existenzfrage anzugehen.
Keine Beweise und Indizien, sondern nur Ängste und Hoffnungen
All unsere Assoziationen, Beweise und Glaubensinhalte sagen nichts über die Richtigkeit unserer Existenzerklärungsmodelle aus. Sie spiegeln nur unsere kollektiven Ängste und individuellen Hoffnungen wider, die uns beherrschen, denn sie sind tief in uns verankert, wovon wir nichts wissen.
Diese »Kollektiven Ängste und individuellen Hoffnungen« sind die einzigen „Referenzen“, auf die sich unsere Zuversicht letztendlich stützt, wenn wir denken, unseren Gottesglauben plausibel (auch mit moderner Terminologie) begründen zu können. All das ist nur der Ausfluss unseres selbst-unkritischen, eitlen Verstandes, der die Beschränktheit seiner Vorstellungskraft nicht anerkennen will.
Doch warum sollten wir mit diesem gehandicapten Instrument der Wahrnehmung die größte aller Fragen beantworten können? Das geht gar nicht. Wir sollten das einsehen und akzeptieren.
Anmerkung:
Wenn wir die Welt im Ganzen und unser eigenes Leben betrachten, müssen wir betrübt feststellen, unfähig zu sein, unsere sozialen Probleme und kulturellen Differenzen zufriedenstellend in den Griff zu bekommen – als Einzelmenschen, Gesellschaften, Nationen und Menschheit.
Gleichzeitig glauben wir, die Fragen nach dem Sinn und Ursprung des Lebens beantworten zu können. Wäre es nicht viel besser, zuerst die lösbaren Probleme anzugehen?
Das Phänomen der Existenz
Das, was ich „ontologisches Ausschließungsprinzip“ nenne, ist der sogenannten negativen Theologie bei flüchtiger Betrachtung ähnlich. Allerdings geht diese von der Existenz Gottes aus. Sie sagt nur, dass wahre Aussagen über ihn unmöglich sind. „Gott ist die Ursache allen Seins“ ist (so weit ich weiß) die einzige Aussage, die die negative Theologie über Gott anerkennt.
In ihrer praktizierten Ausführung ist sie jedoch widersprüchlich und oberflächlich. Negative Theologen machen ständig irgendwelche indirekten Aussagen über Gott. Allein indem sie die Bibel zitieren und an ihren Inhalt glauben, geben sie Gott eine Gestalt, Eigenschaften und Intentionen. Denn es macht keinen Unterschied, ob die in diesem Buch über Gott gemachten Aussagen von ihnen selbst oder von jemand anderes stammen.
Das ontologische Ausschließungsprinzip behandelt hingegen das Phänomen der Existenz (die eine Schöpferinstanz, falls es sie gibt, mit einschließt). Die Existenz ist tatsächlich als Phänomen erkennbar. Im Gegensatz zu Gott ist sie keine Spekulation, an die wir glauben können oder nicht.
Es macht also keinen Sinn zu sagen: „Ich glaube, dass es die Existenz gibt.“ Was auch immer sie ist oder bedeutet: Es gibt sie – das ist definitiv wahr. Von Gott können wir das allerdings nicht sagen – nur glauben.
„Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen.“ Arthur Schopenhauer
Ich spiele mit Kunst und Philosophie.
Schöne Grüsse aus der Freidenker Galerie
Rainer Ostendorf
Doch was ist Schicksal?
Zufall? Vorsehung? Kausalität?
Gibt es das alles überhaupt und wenn ja, was ist es?
Oder sind es nur Konzepte, mit denen wir uns die Willkürlichkeiten des Lebens erklären wollen?
Und was ist Spiel, was ist Freiheit und was Denken?
Fragen über Fragen, die niemand beantworten kann … nur ein weiteres Spiel.
Wir sprechen immer dann vom Schicksal, wenn wir selbst uns weigern die Verantwortung zu übernehmen.
du sprichst mir aus der seele…
schicksal hin , schicksal her…
das leben ist nicht immer fair.
glaubst du an das kausalitätsprinzip?
gruss
sandra
Sandra, das Kausalitätsprinzip (Die Ursache verursacht eine Wirkung), ist meiner Meinung nach genau so unabdingbar wie das Polarität Gesetzt. In dem Moment wo man den einen Pol eliminiert verliert der andere seine Existenz. Nichts entsteht ohne eine Ursache. Nichts existiert ohne einen Gegenpol.
Hier steht leider viel Unsinn. Die Logik ist leider falsch. Gott muß nicht deshalb erschaffen worden, weil das Universum erschaffen wurde. Umgekehrt kann auch nicht von der Ewigkeit Gottes auf die Ewigkeit des Universums geschlossen werde. Leider hast Du einiges falsch verstanden. Logik ist nur vorhanden, wenn eine Aussage wahr ist und nicht widerlegt werden kann. Die Logik für die Existenz Gottes ist demnach wahr, weil nichts aus dem Nichts entstehen kann, wie viele Astrophysiker heute wissen und auch argumentieren. Aber damit meinen Sie natürlich nicht gar nichts, sondern dies ist exakt der Beweis für die Existenz Gottes. Da nichts aus dem Nichts entstehen kann, kann nur Gott das Universum erschaffen haben. Soweit so gut. Der Unterschied zwischen Gott und dem Universum ist, daß Gott ewig ist, aber das Universum endlich. Hier ist dein zweiter Denkfehler. Es ist heute bewiesen, daß das Universum einen Anfang hat. Daher ist es nicht ewig, sondern endlich. Wenn es endlich ist, kann es nicht aus dem Nichts entstanden sein. Wenn es aber doch aus dem Nichts entstanden ist, dann kann nur Gott es enstanden haben lassen. Diese Logik ist unumstößlich, wird aber leider von Vielen nicht verstanden. Gott hingegen kann nicht erschaffen worden sein, da er ewig ist. Etwas Ewiges kann nicht erschaffen worden sein. Das ist ja gerade die alte Logik, die die Atheisten verwendet haben, um die Entstehung des lebens auf der Erde ohne Gott zu erklären. Leider ist aber bereits seit einigen Jahrzehnten die Endlichkeit des Universums bewiesen, so daß Atheisten schon lange nicht mehr auf dem Neuesten Stand sind. Sie versuchen weiter krampfhaft etwas zu widerlegen mit einer Logik, die falsch ist.
Das behaupte ich auch nirgendwo. Nirgendwo schreibe ich, dass alles, was existiert, auch erschaffen worden sein muss.
Auch das behaupte ich nicht.
Du verknüpfst da zwei Dinge miteinander, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. »Logik« und das »Phänomen der Existenz« sollten man niemals miteinander verknüpfen. Wenn wir glauben, dem Phänomen der Existenz mit unserer primitiven Logik beizukommen, drehen wir uns lediglich in einem Kreis, den wir zuvor selbst gezeichnet haben.
Außerdem unterstellst du mir schon wieder Aussagen, die ich nie gemacht habe.
Wo ist der logische Schluss, wenn du schreibst: »Die Logik für die Existenz Gottes ist demnach wahr …«? Es ist logisch, dass etwas wahr ist, wenn es definitiv existent ist. Beispielsweise, wenn ich vor dir stehe und du mich sehen kannst, ist es definitiv wahr, dass es mich gibt. Gott hingegen ist nur der traditionelle Versuch, mit der wir uns die Existenz und das Leben erklären wollen.
Die Antwort auf die Frage „Warum kann es etwas ohne Ursprung geben, etwas anderes jedoch nicht?“, beantwortest du leider nicht. Denn das behauptest du doch wohl implizit, oder nicht?
Logisch ist: Wenn Gott ohne Ursprung existieren kann, ist bewiesen, dass ursprungslose Existenz möglich ist. Die Behauptung, »nicht kann ohne Ursprung existieren«, wäre demnach falsch.
Welche Astrophysiker argumentierten mit dem Satz »Nichts kann aus dem Nichts entstehen«? Mag ja sein, dass es ein paar wenige gibt, die das tun, die große Mehrzahl aller Physiker spricht jedoch immer noch von der Entstehung des Universums aus dem Nichts (der mathematischen Ausdifferenzierung der Null). Da Physiker jedoch nie erklären, was dieses Nichts eigentlich ist oder sein könnte, kann unterstellt werden, dass der Ausdruck »Nichts« nur der Versuch einer Begriffsfindung für etwas ist, das nicht assoziiert werden kann.
Bewiesen ist gar nichts. Es sind alles nur Theorien! Woher willst du wissen, dass die Urknalltheorie richtig ist? Wir glauben nur, dass sie richtig ist. Woher willst du wissen, dass das Universum endlich ist? Auch das ist nur eine Theorie. Es gibt auch die Theorie vom unendlichen Universum: »Es kommt zum Urknall, das Universum entsteht, expandiert, bläht sich auf und fällt irgendwann (in 1000 Milliarden Jahren oder noch viel später) wieder in sich zusammen, verdichtet sich erneut zu einer Quantensingularität, aus der dann der nächste Urknall resultiert usw.« Das kann bis in alle Ewigkeiten so weitergehen … aber wie gesagt: alles nur Theorien.
Warum sollte etwas Endliches nicht aus dem Nichts entstehen können? (Vorausgesetzt, Entstehung aus dem „Nichts“ ist überhaupt möglich.) Im Umkehrschluss würde das bedeuten: Nur Unendliches kann aus dem Nichts entstehen. Das wiederum würde bedeuten: Da Gott unendlich ist, ist er aus dem Nichts entstanden. Das würde ihn jedoch als endlich definierten, da er ja einen Anfang hatte.
Warum? Warum ist diese Logik unumstößlich? Wenn diese Logik so wichtig und ein zentrales Element in deiner Argumentation ist, wäre es nur folgerichtig, dass du sie an dieser Stelle ausführlich erklärst, sie also plausibel macht. Es reicht einfach nicht aus, zu sagen: »Diese Logik ist unumstößlich«, nur weil du es so empfindest.
Das ergibt keinen Sinn. Denn wenn Gott das Universum erschaffen hat, ist es doch nicht aus dem Nichts entstanden, sondern »aus ihm gekommen«. Außer: Gott wäre das Nichts. Aber auch das ergäbe keinen Sinn.
Niemand behauptet, dass Gott erschaffen wurde. Wie kommst du immer wieder darauf, das zu behaupten?
Unabhängig davon und ganz pragmatisch gefragt: Woher willst du wissen, dass Gott ewig ist? Hast du das erfahren? Das wäre nur möglich, wenn du ebenfalls ewig existierst, und deswegen bestätigen könntest, dass Gott es auch tut.
Echt? Habe ich noch nie gehört, dass Atheisten so argumentieren. Letztendlich machen Atheisten nichts anderes als Theisten: Weil beide sich nicht damit abfinden können, dass die Existenz ein unerklärliches Phänomen ist, benutzen sie Welterklärungsmodellen, mit denen sie ihren Verstand beruhigen. Das Welterklärungsmodell der Theisten ist Gott, das der Atheist die Wissenschaft. Der Unterschied ist letztendlich sowieso unwichtig: Beide tun so, als wären ihr Modelle Tatsachen. In Wirklichkeit handelt es sich aber nur um Spekulationen, an die man glauben kann oder nicht, denn nichts von dem, was Atheisten und Theisten denken und sagen, kann bewiesen werden.
Tja, wie gesagt … das stimmt so nicht. Bewiesen ist gar nicht. Es gibt verschiedene Modelle und Theorien: das endliche Universum, das unendliche Universum, das aus dem Nichts entstandene Universum, das erschaffene Universum oder das ewige Multiversum (evtl. noch mehr?). Keine Ahnung, ob eins davon wahr ist. Keines dieser Welterklärungsmodelle beantwortet unsere Fragen nach dem »Wie«, »Warum« und »Wo«. Und das sind doch wohl die Fragen, auf die es eigentlich ankommt, oder nicht?
Nicht nur die sog. Logik der Atheisten ist falsch, sondern auch die der Theisten. Wir lieben es halt, unsere Behauptungen mit dem Prädikat „logisch“ auszuschmücken – damit machen wir unsere Meinungen für uns aus unserer subjektiven Sicht unangreifbar. Deine Logik macht da keine Ausnahme. Du behauptest einfach: Es ist logisch …, ohne auch nur ansatzweise zu erklären, warum es das sein soll.
Der Ausdruck »falsch« ist in diesem Zusammenhang übrigens nicht ganz angemessen. Inkohärent oder unstimmig wäre besser. Vielleicht könnte man auch sagen: schlampig, nicht konsequent zu Ende gedacht). Theisten und Atheisten versuchen mit ungeeigneten Mitteln (unserem beschränkten Verstand) das Phänomen der Existenz zu erfassen. Das wird niemals klappen.
Peter, welchen Gott meinst Du? Es gibt tausende Götter, und die an ihren glauben, sind von seiner Existenz voll überzeugt. Die Frage ist doch eher wozu brauchen die Gläubigen einen Schöpfer und wofür wird er benutzt und missbraucht.
Ich würde nicht immer gleich ein andere Meinung als Unsinn abtun, es ist nur eine Meinung. Es ist der Gegenpol von Sinn.
Es ist besser zu sagen: Mit einer großen an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könnte es so oder auch so sein. Natürlich kann ich mich auch irren.
Ich bin nicht Deiner Meinung, aber ich würde alles dafür tun, dass Du sie frei äußern kannst.
Unser „Begreifen“ ist begrenzt, endlich, nicht unendlich.
Das unseres Schöpfers nicht.
Das ist gut so.
Etwas zu begreifen bedeutet noch nicht damit umgehen zu können.
Würden wir also alles begreifen, könnte das zum Irrsinn und anschließendem Exitus führen.
Wenn man also unendliches Wissen hat, muß man auch unendliche Macht besitzen.
Die Unendlichkeit Gottes verglichen mit unserer Endlichkeit hat eine andere Logik und ist nicht rein mathematisch zu begreifen.
Wenn ich sage, daß aus nichts nichts enstehen kann, gleichzeitig aber Gott als ewiges Wesen ohne Anfang und Ende beschreibe, so ist dies nur deshalb unlogisch, weil mein Begreifen begrenzt ist.
Du sagst, unser Begreifen ist begrenzt, behauptest aber gleichzeitig (unausgesprochen, zwischen den Zeilen, implizit), selbst außergewöhnlich gut im Begreifen zu sein, sodass es dir möglich ist, Dinge begreifen zu können, die für normale Menschen gar nicht begreifbar sind.
Beispiel: Deinen Ausführungen entnehme ich, dass du der Meinung bist, begreifen zu können, dass es einen Schöpfergott gibt und du auch einiges über ihn weißt. Oder verstehe ich dich da falsch?
Wenn du also fähig bist, außergewöhnlich Dinge begreifen zu können, warum besitzen deiner Meinung nach andere Menschen diese Fähigkeit nicht?