Glaube an alles Mögliche
Religiöser und nicht-religiöser Glaube bestimmen zu großen Teilen unser Leben. Oft bedeuten uns unsere imaginären Werte mehr als die realen, denn wir mögen die Realität nicht wirklich. Deswegen leben wir auf unterschiedliche Arten in unterschiedlichen Glaubenswelten.
Inhalt
Unsere Abneigung gegen die nüchterne Realität ist auch nachvollziehbar, denn das Leben ist oft unangenehm oder beschwerlich, denn es kann Leid, Enttäuschung und Desillusionierung beinhalten. Die Flucht in imaginäre Welten ist daher verständlich.
Die größte und bedeutendste aller Glaubens-Alternativwelten ist wohl das Jenseits oder der religiöse Himmel, die mythologische Existenzsphäre, die wir hoffen betreten zu können, sobald wir eines Tages sterben. Diese Vorstellung spendet uns Trost und animiert uns, unser Leben nicht vorzeitig abzubrechen, wenn wir keinen Sinn darin finden können oder es uns überdrüssig wird.
Glaube, Hoffen, Wünschen
Irgendjemand hat einmal sinngemäß gesagt: „Wüssten wir definitiv, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, würde jeder zweite Mensch sich umbringen.“ Denn wozu eine unbefriedigende und quälende Existenz lebenslang aushalten, wenn sich diese Strapaze sowieso nicht auszahlt?
Wir halten unser Leben also bis zum natürlichen Ende aus, weil wir uns als Belohnung für diese Strapaze eine angenehmere Existenzform in irgendeiner anderen Welt erhoffen und außerdem die Strafe fürchten, die uns für ein abgebrochenes Leben eventuell erwartet.
Der Glaube, dass es Wissen ist
Die einen glauben an einen Gott, die anderen, dass es einen Gott nicht geben kann. Andere glauben an Außerirdische und Ufos, an Geheimbünde und Weltverschwörungen.
Oder wir glauben an Sagen und Mythen, politische Ideologien, Determinismus oder Schicksal. Selbst wenn wir der Meinung sind, an nichts zu glauben, glauben wir vielleicht an die Wissenschaft oder den Rationalismus. Und viele von uns glauben den Durchblick zu haben, also Bescheid zu wissen, während die anderen gehirngewaschen, verblödet oder ignorant sind.
All diese Glaubenskategorien haben einen übergeordneten Glauben gemeinsam: den Glauben, dass es Wissen ist. Doch in Wirklichkeit sind es nur Überzeugungen, und die müssen nicht unbedingt richtig sein. Unsere bestechende Logik:
Da ich es glaube, ist bewiesen, dass es wahr ist, denn wenn es nicht wahr wäre, würde ich es auch nicht glauben!
Wir gehen davon aus, eine Art »Wahrheitskompass« zu besitzen oder sogar selbst so etwas wie ein Wahrheitsdetektor zu sein. Das befähigt uns in Kombination mit unserem selbst attestierten gesunden Menschenverstand, als Laie Dinge besser beurteilen und verstehen zu können als jemand, der sich bereits jahrzehntelang intensiv damit beschäftigt!
Die Abwehrreaktion
Das liegt an unserer Unfähigkeit, unsere Gedanken und Meinungen angemessen zu relativieren, sie in Beziehung zu den Gedanken und Meinungen anderer zu setzen. Halten wir unseren Glauben (ob religiös oder nicht) für eine apriorische Tatsache, sind wir weder Willens noch fähig, uns damit kritisch zu befassen. Schließlich haben wir das nicht nötig, da es sich um unseren Glauben handelt und wir außerdem wissen, dass er wahr ist. Doch unsere „Überzeugungen“ sind letztendlich nur eine Form der Selbsthypnose.
Macht man uns darauf aufmerksam, dass der Begriff »Glaube« eine Annahme, Vermutung und je nach Temperament eine persönliche Hoffnung, Überzeugung oder einen Wunsch zum Ausdruck bringt, stimmen wir dem vielleicht zu, allerdings mit der Einschränkung, dass nicht immer stimmt.
Natürlich verteidigen wir unseren Glauben mit allen Mitteln. Ohne ihn fühlen wir uns verlassen oder sogar nackt in dieser Welt, denn wir haben keine vordefinierte Lebensorientierung. Deswegen lassen wir uns auf eine tiefere Beleuchtung unserer Glaubensinhalte niemals ein, denn die Vorstellung, es könnte sich dabei tatsächlich nur um eine Form des Wünschens und Hoffens handeln, gefällt uns nicht. Eine analytische Diskussion mit uns als Glaubende ist deshalb unmöglich.
Allergisch gegen Fragen und Kritik
Als fanatisch Glaubende bezeichnen wir die Kritik an unseren Glauben oft als absichtliche Irreführung. Oder wir sehen im Kritiker einen Menschen, der »noch nicht so weit ist« und die Wahrheit noch nicht erkannt hat oder sich ihr absichtlich verschließt. In extremen Fällen ist der Kritiker für uns ein »Agent der bösen Mächte« (beispielsweise Satanisten, außerirdische Invasoren oder deren Marionetten), die diesen Planeten manipulieren und fest im Griff haben.
Diese Aversion gegenüber eigentlich einfachen und sinnvollen Fragen ist eine Art »mentales Programm«, das aktiv wird, wenn wir als Glaubende an eine Grenze geführt werden, bei deren Kontakt oder Überschreitung uns möglicherweise der subjektive Charakter unseres Glaubens bewusst werden könnte.
Angst vor der Ernüchterung
Doch wenn der Inhalt eines Glaubens tatsächlich wahr ist, besteht keine Gefahr, eines möglichen Irrglaubens überführt zu werden – das müsste uns als intelligente Glaubende klar sein. Wir würden diese Grenze dann freudig überschreiten, denn so könnten wir seine Wahrhaftigkeit nicht nur beweisen, sondern ihn anderen Menschen auch noch näher bringen – was doch jedem Glaubenden gefiele (ob mit oder ohne Sendungsbewusstsein).
Eine Analogie macht diesen Widerspruch deutlich: Ist ein Mathematiker von der Richtigkeit einer Formel überzeugt, wird er sie auch verifizieren. Weigert er sich, befürchtet er, sie könnte falsch sein.
Auf irgendeiner Ebene unseres Bewusstseins wissen oder spüren wir also, nur an überlieferte Mythen oder fixe Ideen zu glauben. Das wollen wir nicht wahrhaben. Doch mit dieser Verweigerungsstrategie schaden wir letztendlich nur unserer persönlichen Entwicklung.
Glauben ist Ersatzwissen
Glauben wir an etwas, machen wir eine Annahme, vermuten etwas oder vertrauen auf das, was nicht bewiesen werden kann. Oder wir betrachten eine Tatsache von gestern heute immer noch als gegeben, obwohl wir das definitiv gar nicht wissen können. Wir sind von etwas überzeugt, obwohl es nicht beweisbar ist.
Diese Überzeugung muss nicht auf religiöse oder spirituelle Inhalte bezogen sein. Sie kann auch einen banalen Alltagshintergrund haben, wie der Glaube an die Treue des Partners, dass wir morgen unseren Job noch haben oder unser Auto in der nächsten Stunde keinen Motorschaden hat. Denn nichts davon wissen wir mit Sicherheit.
Praktisch betrachtet unterscheiden Alltagsglaube und religiöser Glaube sich nicht voneinander. In beiden Fällen handelt es sich um Spekulationen, unabhängig von Art und Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrades. Der Alltagsglaube hat jedoch einen weltlichen Hintergrund (Job, Partner, Auto), der religiöse einen mythologischen oder überlieferten. Der Alltagsglaube hat viel mit Mutmaßungen und Wahrscheinlichkeiten zu tun, der religiöse eher mit Hoffnungen, Wünschen und Ängsten.
Stabilitätsfaktoren und Orientierungshilfen
Unser Alltagsglaube hilft uns, besser einschätzen zu können, wie wir uns in unsicheren Situationen verhalten sollen. Den religiösen Glauben benutzen wir, um die Tristheit und Trostlosigkeit des Alltagslebens besser aushalten zu können.
Unser religiöser Glaube ist eine überlieferte Tradition, die wir in unserer Kindheit (einer Lebensphase, in der wir leicht manipulierbar sind) unreflektiert übernehmen. Egal, welchen Glauben man uns lehrt (christlich, jüdisch, moslemisch, hinduistisch, buddhistisch), wir nehmen ihn an, denn als abhängige, unmündige Kinder haben wir keine andere Wahl.
Doch da unser Leben meistens zu großen Teilen aus Anstrengung, Leid, Arbeit und Entbehrung besteht, gefällt uns die Idee einer übergeordneten Sinngebung mit der Zeit mehr und mehr, obwohl wir sie oft gar nicht richtig ernst nehmen. Deswegen fungiert unser religiöser Glaube als Stabilisator und ist noch dringend nötig, um unsere mit Widersprüchen durchwachsene Gesellschaft nicht auseinanderfallen zu lassen.
Grenzen des Wissens
Wenn wir über bestimmte existenzielle Aspekte des Lebens nichts wissen, weil es unmöglich ist, darüber etwas wissen zu können, erzeugt dieser Umstand in vielen von uns Unzufriedenheit oder eine unterschwellige Unruhe, ein Unbehagen, das auch Angst machen kann.
Wir stoßen auf unsere intellektuellen oder geistigen Grenzen und werden mit der Tatsache konfrontiert, dass es Dinge gibt, die sich unserer Wahrnehmung und unserem Urteilsvermögen entziehen. Das frustriert uns – bewusst oder unbewusst – denn das Unbekannte können wir nicht beeinflussen oder kontrollieren.
Dieser Kontrollverlust kann unser Selbstwertgefühl bedrohen. Er bedeutet, nicht in allen Belangen des Lebens souverän sein zu können.
Wollen oder können wir uns mit dieser Einschränkung nicht abfinden, neigen wir dazu, diese Wissenslücke mit Ersatzwissen zu überdecken.
Glaubenssysteme, Utopien und Esoterik
Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Ersatzwissen einem wirklichen Wissen ebenbürtig ist. Es soll uns lediglich vergessen lassen (darüber hinwegtäuschen), dass es in der Welt Dinge gibt, die sich unserer Wahrnehmung und Einflussnahme entziehen.
Glaubenssysteme als solche müssen jedoch keine religiösen oder spirituellen Hintergründe haben. Politische Ideologien und Utopien sind auch akzeptabel. Wer nicht an das Jenseits, Gott oder Engel glauben kann oder will, der glaubt vielleicht an die Wissenschaft, den Kommunismus, den Nationalismus oder irgendeiner Verschwörungstheorie: Irgendetwas wird sich schon zum Glauben finden lassen!
Manche unserer Utopien oder Fantasien sind in der Zukunft oder alternativen Welten angesiedelt, denn mit unseren Glauben wollen wir uns von der Gegenwart (also dem tatsächlichen Leben in der Realität) ablenken.
Glauben: eine höhere Art des Wissens
Da es sich in all diesen Fällen um kein wirkliches Wissen handelt (denn das basiert stets auf beobachtbare, also direkt wahrnehmbare Dinge, Zustände oder Beziehungen, die deshalb als Fakten bezeichnet werden können) und wir uns unwohl mit diesem Makel fühlen, etikettieren wir unseren religiösen Glauben als metaphysisches oder gefühltes Wissen und unseren anti-religiösen als Rationalwissen oder einfach als Wissenschaft.
Wir behandeln unseren Glauben als eine höhere Priorität des Wissens, als »apriorische Wahrheit«, die einen Beweis oder eine Überprüfung nicht nötig hat. Das macht ihn immun gegen jede Form der Kritik. Und deswegen fällt es uns so leicht, all das zu glauben, was uns hilft, unsere innere Unruhe und unseren dumpfen Unmut zu bekämpfen.
Wir müssen nur an etwas glauben und davon überzeugt sein – und schon sind Unruhe und Unmute verschwunden. Doch in Wirklichkeit haben wir sie nur betäubt.
Grenzen des Glaubens
Oft sind wir überzeugt, die Wahrheit zu kennen und im Recht zu sein – und liegen trotzdem total daneben.
Manche Dinge können wir wissen – und wissen sie deswegen auch. Andere können wir nicht wissen, und wenn sie uns wichtig sind, müssen wir sie glauben. Dann sind drei Zustände möglich: Unser Glaube stimmt mit der Realität überein, er tut es nicht oder nur zum Teil.
Im letzten Zustand befinden wir uns wahrscheinlich den größten Teil unseres Lebens – in der Annahme im ersten zu sein.
Wir haben unser Auto an einer bestimmten Stelle geparkt. Wir wissen, es gestern dort abgestellt zu haben. Deswegen sind wir überzeugt, es steht jetzt immer noch dort. Warum sollten wir etwas anderes denken?
Doch dieses Wissen ist kein wirkliches Wissen. Denn unser Auto könnte inzwischen gestohlen oder abgeschleppt sein. Das ist zwar höchst unwahrscheinlich und mit ziemlicher Sicherheit werden wir unser Fahrzeug dort, wo wir es am Abend zurückgelassen haben, am nächsten Tag auch wiederfinden. WISSEN werden wir es allerdings erst, sobald wir davor stehen.
Es ist schon vorgekommen und passiert immer wieder: Dort, wo ein Auto am Abend stand, steht es am nächsten Morgen nicht mehr, eben weil es gestohlen oder abgeschleppt wurde: Wir glaubten nur zu wissen, wo unser Auto steht.
Die Vorstellungswelt aufbrechen
Es bedeutet also nicht viel, von etwas überzeugt zu sein. Das, was uns als Wissen erscheint, ist oft nur eine Annahme, die aufgrund unzureichender Informationen zustande kam.
Und da uns diese Einschränkung nicht bewusst ist, haben wir keinen Grund, an unserem vermeintlich definitiven Wissen zu zweifeln. Solange uns der Diebstahl unseres Autos nicht bekannt ist, erscheint uns unsere Überzeugung als Wissen, obwohl sie das zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr ist: Unser Wissen ist oft nur eine Illusion.
Natürlich bedeutet das nicht, wir sollen aufhören, uns auf unsere Gefühle und Vermutungen zu verlassen. Das wäre dumm. Wir sollten uns von unseren Überzeugungen jedoch nicht abhängig machen, denn das wäre noch viel dümmer. In Alltagsdingen ist das aber nicht wichtig, denn Irrtümer gehören zum Leben dazu. Sie können uns hin und wieder sogar erfrischen und regenerierende Impulse geben.
Bei weltbewegenden und fundamentalen Fragen ist es jedoch besser, wenn wir uns zurückhalten und unsere Überzeugungen und unseren Glauben mit Abstand betrachten. Das hält uns offen, macht uns beweglich im Geist und im Denken und verhindert die Stagnation und Fanatisierung unserer Entwicklung.
Doch leider sind wir oft in unserer vordefinierten Vorstellungswelt gefangen. Diese müssen wir unbedingt verlassen, wenn wir kreative, emanzipierte und verantwortungsvolle Menschen werden wollen.
Der Fluch des Wissens
Nur zu glauben, weil wir uns nicht zu wissen trauen, ist dumm, denn das, was wir aufgrund unserer Angst vor dem Wissen nicht wissen, existiert ja trotzdem.
Verschiedene Formen bewusster und unbewusster Ängste lassen uns auf die eine oder andere Art an Religionen, Ideologien und Esoterik glauben. Wenn wir beispielsweise als schöpfergottgläubige Menschen die Existenz des Universums und des Lebens auf das Wirken eines übernatürlichen Wesens zurückführen, entmystifizieren wir das Phänomen der Existenz (rationalisieren wir es für uns persönlich). Wir haben Angst vor dem, was evtl. tatsächlich dahinterstecken könnte.
Gleiches tun wir als Atheisten, wenn wir im Rationalen und der Wissenschaft beruhigende Erklärung für das Rätsel der Existenz suchen und finden. Unsere Welt- und Existenzerklärungsmodelle geben uns ein Gefühl der Kontrolle und Sicherheit, sodass wir uns ungestört unserer Alltagswelt widmen können.
Unsere Sinnsuche im Übersinnlichen oder der Wissenschaft zeigt unser Desinteresse an dem Phänomen der Existenz selbst. Es zeigt, wir haben den Kern unserer Ausgangsfrage (die auf dem Hintergrund einer modernen Welt im 21. Jahrhundert gestellt wurde) gar nicht richtig verstanden: Warum gibt es überhaupt etwas, warum gibt es nicht nichts?
Sind unsere Antworten auf diese Fragen »Gott« oder »Wissenschaft«, haben wir das eigentliche Phänomen nicht erkannt. Es interessiert uns nicht, weil uns nicht beigebracht wurde, sich dafür zu interessieren. Solange uns die Vorstellungen „Gott hat alles erschaffen“ oder „das Universum ist aus dem Nichts entstanden (der Ausdifferenzierung der mathematischen Null)“, befriedigen, begnügen wir uns nur mit der zweiten Wahl.
Placebowissen
Hätte ein göttlicher Schöpfungsakt das Universum hervorgebracht, wäre das Phänomen der Existenz Gottes dadurch nicht geklärt. Und wären allein die Naturgesetze dafür verantwortlich, wüssten wir trotzdem nicht, was diese Naturgesetze bedeuten. Bei unseren Welterklärungssystemen handelt es sich letztendlich um Placebowissen.
Wer ein reiches und interessantes Leben will, muss dafür etwas tun, beispielsweise eigene Interessen entwickeln und kreativ tätig sein. Doch das fällt uns schwer, denn Kreativität und Fantasie sind Herausforderungen, denen wir meistens nicht gewachsen sind. Daher bleiben wir beim Altvertrauten, bei dem, was man uns aus traditionellen Gründen vorsetzt (in diesem Zusammenhang, die Religion oder die Ablehnung derselben).
Überlieferte Glaubenssätze unreflektiert zu übernehmen ist sicher und einfach, denn diese haben sich über Jahrhunderte oder Jahrtausende bewährt. Deswegen muss »an ihnen etwas dran sein«, denken wir. Sie helfen uns, die unangenehmen Aspekte des Lebens auszublenden – diese Eigenschaft schätzen wir sehr. Wir haben unbewusst ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber dem Wissen über uns selbst, der Welt und dem Leben als solches.
Glaubensenergie
Es gibt eine kreative Art des Glaubens, die keine Flucht vor dem Wissen ist: Optimismus.
Müssen wir beispielsweise unter Zeitdruck dringend irgendwo hin, ohne den kürzesten Weg zu kennen, sondern nur die Richtung, tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir resignieren und sagen: „Solange ich die kürzeste oder schnellste Strecke nicht kenne, mache ich mich gar nicht erst auf den Weg.“
Das wäre dumm, denn dadurch nähmen wir uns die Möglichkeit, unser Ziel doch noch rechtzeitig zu erreichen. Darum ist folgende Vorgehensweise sinnvoll:
Wir wählen eine Strecke, von der wir glauben, dass sie die kürzeste oder schnellste ist. Während wir unterwegs sind, sollten wir das nicht vergessen. Das motiviert uns, schnell zu gehen. Möglicherweise haben wir bloß den zweit- oder drittschnellsten Weg erwischt, doch der Glaube, auf dem schnellsten zu sein, kann uns beflügeln und wir erreichen unser Ziel aufgrund dieser positiven Einstellung doch noch rechtzeitig.
Ohne den Glauben, auf dem schnellsten Weg gewesen zu sein, hätten wir uns vielleicht nicht genügend beeilt. Eine optimistische Einstellung zum Geschehen, die durchaus den Charakter eines blinden Glaubens haben kann, ist in bestimmten Situationen also hilfreich.
Es gibt noch genügend andere Lebensbereiche, in denen der optimistische Glaube an das Gelingen eines Vorhabens vorteilhafte Auswirkung auf das Resultat hat. Wichtig ist: Unser Glaube darf kein Wunschdenken unterstützt. Glauben wir, eines Tages reich und berühmt zu sein, werden wir höchstwahrscheinlich eine bittere Enttäuschung erleben. Glauben wir, unser Engagement im Job oder im Alltag könnte unser Leben bereichern, werden wir vermutlich recht haben.
„Positives Denken“ ist wichtig und eine gute Motivationstechnik, doch dürfen wir nicht versuchen, das Unmögliche möglich zu machen. Oft sind wir beschwingt von der Idee: „Wenn ich es nur wirklich will/glaube, wird es auch wahr werden.“ Doch so etwas geschieht nur selten und ist eher Zufall als das Ergebnis einer Affirmation. Wir sollten unsere »Glaubensenergie« also kreativ und bewusst einsetzen.
Hallo Michael,
coole Seite von dir. Was mich bzgl. dem Thema Glauben zur Zeit interessiert ist eine Antwort auf die Frage: Kann man aus dem Nichtglauben an eine Lehre eine Schlussfolgerung ziehen? Würde gerne deine Meinung bzw. Herleitung zu dem Thema wissen. Danke
Hallo Muc
Danke für deine interessante Frage, die mich zu folgenden Gedanken animiert hat.
Frage: Kann man aus dem Nichtglauben an eine Lehre eine Schlussfolgerung ziehen?
Zunächst:
Lehren vermitteln Wissen, Erfahrungen, Erkenntnisse, Philosophien und Ideen. Diese können ganz oder teilweise richtig oder falsch sein. Eine Lehre, die zumindest in ihrem Kern richtig ist, wird auch unser Denken und Leben besser, zukunftstauglicher und kreativer machen. Eine Lehre, die in ihrem Kern nicht richtig ist, besitzt diese Eigenschaft nicht – höchstens zufällig oder über Umwege: Manchmal verfolgen wir ohne es zu wissen eine falsche Idee, die dann doch zum richtigen Ziel führt. Eine Formel oder Handlungsweise kann zwar falsch sein, doch indem wir sie bis zu Ende denken, erkennen wir neue und weiterführende Aspekte unserer ursprünglichen Fragestellung.
Meistens verlassen wir den Pfad unserer falschen Ideen jedoch nicht und halten ein Leben lang an ihnen fest. Deswegen ist es sinnvoll zwischen rationalen und irrationalen Lehren zu unterscheiden. Beide haben ihre Berechtigung. Die irrationalen können jedoch destruktive Auswirkungen haben (im Sinn einer Irrlehre) und sollten deshalb gesondert behandelt und kritisch betrachtet werden.
Die Antwort auf die Frage nach der Schlussfolgerung muss deshalb in zwei Teile aufgesplittet werden:
Der „Nichtglauben“ an rationale Lehren (beispielsweise Naturwissenschaften) könnte als Verweigerung modernen Wissens bezeichnet werden, der Nichtglauben an irrationale Lehren (beispielsweise Religion) als die Loslösung von den überlieferten Assoziationen unserer archaischen Vorfahren und als Voraussetzung für einen offenen Blick für die Anforderungen einer modernen, zukünftigen Welt.
Das ist jedenfalls das, was mir auf die Schnelle zu diesem Thema einfällt.