Der Ukrai­ne-Krieg


Russ­land nötigt sei­ne Nach­bar­län­der, der NATO bei­zu­tre­ten

Russ­land muss ein­fach nur sei­ne Nach­bar­län­der in Ruhe las­sen. Dann hät­te keins die­ser Län­der einen Grund, der NATO bei­zu­tre­ten.

Es ist nicht so, dass Putin vor dem Ukrai­ne-Krieg eine fried­li­che und freund­li­che Bezie­hung zu der Ukrai­ne ange­strebt hat­te, die­se dann aber ohne Grund Mit­glied in der NATO sein woll­te und Russ­land so gezwun­gen wur­de, die­ses Land anzu­grei­fen.

Hät­te Russ­land die Ukrai­ne also nicht bedroht und ange­grif­fen und auch nicht signa­li­siert, frü­her oder spä­ter noch ande­re Nach­bar­län­der dem neu­en rus­si­schen Groß­reich ein­glie­dern zu wol­len, hät­te keins die­ser Län­der einen Grund gehabt, die NATO um Mit­glied­schaft zu bit­ten.

Putins Behaup­tung, die Ukrai­ne angrif­fen zu haben, um die Aus­brei­tung der NATO im Osten zu ver­hin­dern, ist daher eine dreis­te Lüge. Die NATO-Bei­tritts­ge­su­che Russ­lands Nach­bar­staa­ten ist nur das Resul­tat der rus­si­schen Aggres­sio­nen.

Nicht die NATO will sich im Osten aus­brei­ten, son­dern Russ­lands Nach­bar­län­der haben ein­fach nur Angst vor Russ­land! Nur aus die­sem Grund haben die­se Län­der die NATO um eine Mit­glied­schaft gebe­ten: Sie wol­len ein­fach nicht über­fal­len wer­den! Und sie wol­len auch kein Vasal­len­staat Russ­lands sein (wie Bela­rus es ist). Kann man ihnen das etwa ver­übeln?

Putins wirk­li­cher Grund für sei­ne „mili­tä­ri­sche Spe­zi­al­ope­ra­ti­on“ ist nur das ukrai­ni­sche Stre­ben nach Eigen­stän­dig­keit, mehr Demo­kra­tie und weni­ger Kor­rup­ti­on. Und das kann Putin nicht zulas­sen.

Angst vor einem Atom­krieg

Putin-Sym­pa­thi­san­ten sagen, weil Russ­land eine Atom­macht ist und man kei­nen Atom­krieg ris­kie­ren darf, soll­te die Ukrai­ne bes­ser auf­ge­ben. Doch die­ses Argu­ment ist kon­stru­iert. Denn wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass sie das nicht sagen wür­den, wären die USA der Aggres­sor in einem sol­chen Kon­flikt.

Wür­den bei­spiels­wei­se die USA Mexi­ko über­fal­len und die­sem Land das Exis­tenz­recht abspre­chen, wür­den sie nicht sagen, Mexi­ko sol­le auf­ge­ben, um kei­nen Atom­krieg zu ris­kie­ren.

Natür­lich ist das spe­ku­la­tiv, es ist aber auch bekannt, dass Wagen­knecht, Wei­del, Lafon­taine und ande­re Russ­land­freun­de die USA in dem Maße ableh­nen, wie sie Russ­land, den Haupt­geg­ner der offe­nen und frei­en Welt, mögen. Des­we­gen ist die Ver­mu­tung nicht abwe­gig, sie wür­den in einem sol­chen Fall sagen: „Das darf man den USA nicht durch­ge­hen las­sen. Des­halb müs­sen wir Mexi­ko dau­er­haft unter­stüt­zen, selbst wenn wir damit einen Atom­krieg ris­kie­ren.“

Kriegs­trei­ber

Sie sind gegen Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne, aber nicht gegen Waf­fen­lie­fe­run­gen an Russ­land

Putin- und Russ­land-Sym­pa­thi­san­ten sagen natür­lich nicht, die Waf­fen­lie­fe­run­gen an Russ­land sind gerecht und soll­ten des­halb wei­ter­ge­hen. Sie spre­chen sich aber nicht dage­gen aus, so wie sie sich gegen die Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne aus­spre­chen.

Die Län­der, die die Ukrai­ne zur Ver­tei­di­gung mit Waf­fen­lie­fe­run­gen unter­stüt­zen, wer­den von Sahra Wagen­knecht, Ali­ce Wei­del und ande­ren Putin-Sym­pa­thi­san­ten als Kriegs­trei­ber bezeich­net. Doch es ist zynisch, jeman­den, der einem Ange­grif­fe­nen hilft, sich zu weh­ren, als Kriegs­trei­ber zu bezeich­nen.

Kriegs­trei­ber kann stets nur der sein, der den Krieg macht, ihn also begon­nen hat. Und ich bin sicher, Wagen­knecht und Wei­del wis­sen das auch. Doch wenn Russ­land ein Land über­fällt, gilt die­se Regel für sie nicht. Außer­dem:

War­um bezeich­nen sie nicht auch Chi­na, Nord­ko­rea und den Iran als Kriegs­trei­ber? Denn die­se Län­der lie­fern Waf­fen und Kriegs­tech­nik an Russ­land, die es Putin erst mög­lich machen, die­sen Krieg so lan­ge füh­ren zu kön­nen. Ohne die­se Lie­fe­run­gen wäre er viel­leicht schon been­det.

Die NATO hat kein Ver­spre­chen gebro­chen

Die NATO hat nie­mals gesagt: „Soll­te Russ­land sei­ne Nach­bar­län­der angrei­fen oder bedro­hen, sodass die­se dann bei uns um Schutz in Form einer Mit­glied­schaft anfra­gen, wer­den wir weg­schau­en und sagen, das geht uns nichts an.“ Putin und sei­ne Sym­pa­thi­san­ten tun aber so, als hät­te sie das oder etwas Sinn­ge­mä­ßes gesagt. Doch die NATO hat nur gesagt, sich nicht aus expan­sio­nis­ti­schen Grün­den im Osten aus­zu­wei­ten – und das hat sie auch nicht getan und hat es auch nicht vor.

Durch sei­nen Angriff auf die Ukrai­ne hat Putin die Ukrai­ne, Schwe­den und Finn­land genö­tigt oder auch gezwun­gen, die NATO um einen Bei­tritt zu bit­ten. Wie gesagt: Die­se Län­der haben ein­fach nur Angst vor Russ­land. Das ist der ein­zi­ge Grund für ihr Mit­glieds­ge­su­che bei der NATO.

Des­halb könn­te man bei­na­he den­ken, Putin hät­te bewusst sei­ne Nach­bar­län­der pro­vo­ziert, damit die­se bei der NATO um Mit­glied­schaft anfra­gen und er ihr dann Wort­bruch vor­wer­fen kann.


Frie­dens­ap­pel­le der Russ­land­freun­de

Auf dem Wahl­pla­kat der Par­tei „Die Basis“ stand: „Wie vie­le Tote braucht der Frie­den?“ Die­ser Spruch sug­ge­riert, es wäre bes­ser, die Ukrai­ne kapi­tu­liert, damit nie­mand mehr ster­ben muss.

Auch Sahra Wagen­knecht argu­men­tie­ren so. Eben­falls Eugen Dre­wer­mann, der frü­her ein­mal als fort­schritt­li­cher Theo­lo­ge galt, jetzt aber nur noch ver­bit­tert ist, an welt­wei­te Ver­schwö­run­gen glaubt (wie bei­spiels­wei­se die Coro­na-Lüge und den Gre­at Reset) und Ver­ständ­nis für pädo­phi­le Kle­ri­ker hat, macht den „Wes­ten“ für den Ukrai­ne-Krieg ver­ant­wort­lich. Oskar Lafon­taine meint sogar, die USA hät­ten die­sen Krieg schon vor Jahr­zehn­ten geplant.

Des Wei­te­ren Mar­got Käß­mann, die von ihrem Kar­rie­re-Knick wohl doch mehr frus­triert ist, als sie es in der Öffent­lich­keit zei­gen kann, Ali­ce Schwar­zer, die nicht die Aner­ken­nung bekommt, von der sie denkt, sie wür­de ihr zusteht, Reichs­bür­ger und natür­lich auch vie­le AfD- und Links-Par­tei-Wäh­ler inkl. Sahra Wagen­knecht-Fans.

Nur kei­ne toten Rus­sen mehr

Doch wür­de die Ukrai­ne auf­ge­ben, wür­den das mit Sicher­heit nicht bedeu­ten, dass nie­mand mehr stirbt: Es wür­den nur kei­ne Rus­sen mehr ster­ben – das ist alles! Der Krieg gin­ge inof­fi­zi­ell wei­ter, denn die rus­si­schen Sol­da­ten hät­ten selbst­ver­ständ­lich das star­ke Bedürf­nis, sich an den Ukrai­nern für ihren mas­si­ven Wider­stand zu rächen, durch den vie­le rus­si­sche Sol­da­ten zu Tode kamen.

Und es ist bekannt, dass in der rus­si­schen Armee ein extrem rau­es und har­tes Kli­ma herrscht. Als rus­si­scher Sol­dat hat man es nicht leicht. Die Gewalt, die im Inne­ren der rus­si­schen Arme herrscht, fin­det natür­lich auch im Ver­hal­ten der Sol­da­ten gegen­über der Zivil­be­völ­ke­rung ihren Aus­druck.

Wür­de die Ukrai­ne also auf­ge­ben, wür­den das den Tod vie­ler ukrai­ni­scher Zivi­lis­ten bedeu­ten. Man wür­de fol­tern und auch vie­le Frau­en ver­ge­wal­ti­gen. Das haben die rus­si­schen Sol­da­ten bereits seit Beginn ihres Über­falls getan und es gibt kei­nen Grund anzu­neh­men, sie wür­den das nicht mehr tun, nur weil die Ukrai­ne kapi­tu­liert. Mög­li­cher­wei­se wür­de die­ses Ver­hal­ten zunächst sogar noch zuneh­men.

Zynis­mus und Lebens­frust

Wenn also gefor­dert wird, die Ukrai­ne soll­te sich bes­ser erge­ben, damit nie­mand mehr stirbt, ist das rei­ne Rhe­to­rik und hat auch etwas Zyni­sches an sich. Es geht die­sen Leu­ten gar nicht um Frie­den. Ihr Lebens­frust und ihre Sym­pa­thie für Putin und den Auto­ri­ta­ris­mus sind es, die sie so den­ken und reden las­sen.

Wagen­knecht spricht es zwar nicht aus, doch zwi­schen ihren gespro­che­nen Zei­len merkt man, dass sie Sachen denkt wie: „So schlimm ist es doch gar nicht, wenn man von Russ­land über­fal­len wird. War­um las­sen die Ukrai­ner das nicht ein­fach gesche­hen?“

Bei den Putin-Sym­pa­thi­san­ten und Russ­land-Freun­den han­delt es sich über­wie­gend um Men­schen, die vom Ver­lauf ihres Lebens aus unter­schied­li­chen Grün­den stark frus­triert und ent­täuscht sind. Die­sen Lebens­frust kom­pen­sie­ren und sub­li­mie­ren sie, indem sie in der offe­nen und frei­en Gesell­schaft (den west­li­chen Demo­kra­tien) den eigent­li­chen Feind der Mensch­heit sehen (obwohl sie es so radi­kal wahr­schein­lich nicht for­mu­lie­ren wür­den).

Als ver­bit­ter­te und auto­ri­tär den­ken­de Men­schen fällt es ihnen schwer, sich in Kri­sen­zei­ten krea­tiv und leben­dig für die Gesell­schaft ein­zu­set­zen. Hier­für fehlt ihnen die geis­ti­ge Beweg­lich­keit. Mit ihrer Sym­pa­thie für das auto­ri­tä­re Regie­rungs­prin­zip zei­gen sie, von den Her­aus­for­de­run­gen und Ansprü­chen des 21. Jahr­hun­derts men­tal und intel­lek­tu­ell über­for­dert zu sein.


Neo­na­zis in der Ukrai­ne

Putin behaup­tet, die Ukrai­ne auch des­halb ange­grif­fen zu haben, weil dort angeb­lich Neo­na­zis das Land regie­ren und die Bevöl­ke­rung miss­han­deln. Nazis sind Faschis­ten und Faschis­mus ist eine Gewalt­herr­schaft, der kom­mu­nis­ti­schen Gewalt­herr­schaft ähn­lich. Nur in den Ideo­lo­gien unter­schei­den sich die­se auto­ri­tä­ren Staats­for­men von­ein­an­der – nicht im Cha­rak­ter.

Als 1939 Nazi-Deutsch­land die UdSSR über­fiel, war es des­halb nicht so, dass zwei unver­träg­li­che poli­ti­sche Sys­te­me anein­an­der­ge­rie­ten (so wie Demo­kra­tie und Dik­ta­tur). Kom­mu­nis­ten und Faschis­ten benut­zen zum Macht­er­halt das glei­che Herr­schafts­in­stru­ment: Gewalt gegen die eige­ne Bevöl­ke­rung und es wird auch sehr viel gelo­gen, betro­gen und mani­pu­liert. Hit­ler-Deutsch­land und die UdSSR waren des­halb kei­ne Geg­ner im eigent­li­chen Sinn, son­dern nur Kon­kur­ren­ten um die Vor­herr­schaft.

Heut­zu­ta­ge sind Faschis­mus und Kom­mu­nis­mus bzw. unter­schied­li­che For­men der Auto­kra­tie kei­ne Kon­kur­ren­ten mehr, son­dern eher poten­zi­ell Ver­bün­de­te. Man erkennt das auch gut dar­an, dass Links­extre­mis­ten und Rechts­extre­mis­ten heu­te gemein­sam gegen etwas demons­trie­ren, obwohl sie ideo­lo­gisch doch dia­me­tral mit­ein­an­der ver­fein­det sind.

Bei­de haben die glei­chen Inter­es­sen und Ambi­tio­nen (die Herr­schaft über das Volk mit­tels Gewalt), die sie ledig­lich auf unter­schied­li­che Arten, mit unter­schied­li­chen Ideo­lo­gien recht­fer­ti­gen und rea­li­sie­ren.

Neo­na­zis in Russ­land

Putin begrün­det unter ande­rem sei­nen Krieg gegen die Ukrai­ne mit der Tat­sa­che, dass es in der Ukrai­ne Neo­na­zis gibt. Doch in fast allen Län­dern der Erde gibt es heut­zu­ta­ge Neo­na­zis. Selbst in Isra­el gibt es inzwi­schen jüdi­sche Neo­na­zis!

Gin­ge es ihm also um die Bekämp­fung von Neo­na­zis, hät­te er selbst­ver­ständ­lich erst die im eige­nen Land bekämpft. Denn auch dort gibt es heu­te wel­che, wahr­schein­lich sogar mehr als in der Ukrai­ne. Gegen die­se hat Putin jedoch nichts. Sind rus­si­sche Neo­na­zis denn etwas Gutes (evtl. weil Putin sie für sei­ne Zwe­cke ein­set­zen kann)?


Kei­ne Lust, Teil eines demo­kra­ti­schen, offe­nen und frei­en Euro­pas zu sein

Putin meint, im 21. Jahr­hun­dert in Euro­pa einen Angriffs­krieg gegen ein Nach­bar­land füh­ren zu dür­fen, so als hät­te sich die Welt seit den 80er-Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts nicht ver­än­dert. Doch die­se Welt gibt es schon längst nicht mehr.

Russ­land in Gestalt von Putin will nicht wahr­ha­ben, dass es die Welt und damit den Geist des mitt­le­ren 20. Jahr­hun­derts, das ihn men­tal geprägt hat, nicht mehr gibt. Er denkt, er hät­te das tra­di­tio­na­le Recht, sei­ne Nach­bar­län­der als Russ­lands Ein­fluss­be­reich zu ver­ste­hen und nach belie­ben über sie ver­fü­gen zu kön­nen. Dass man ihm die­ses Recht nicht zuge­steht, ver­übelt er der west­li­chen Welt.

Von 50 Jah­ren hät­te die Welt­ge­mein­schaft Russ­land den Über­fall auf ein euro­päi­sches Nach­bar­land wahr­schein­lich durch­ge­hen las­sen. Doch wir leben heu­te in einer ande­ren Welt, in der ein sol­ches impe­ria­lis­ti­sches Ver­hal­ten in Euro­pa nicht mehr gedul­det wer­den kann. Wäre Putin ein Mensch des 21. Jahr­hun­derts, wüss­te er das. Und wären sei­ne Sym­pa­thi­san­ten das auch, wüss­ten sie es eben­falls.

Russ­land muss auf­hö­ren, eine Bedro­hung für sei­ne Nach­bar­län­der zu sein

Die euro­päi­sche Welt im 21. Jahr­hun­dert kann kei­ne mehr sein, in der ein Land sich ein­fach ein Nach­bar­land ein­ver­leibt. Das war vor 100 Jah­ren viel­leicht noch üblich und wur­de von ande­ren Län­dern tole­riert, solan­ge die­se selbst dar­un­ter nicht zu lei­den hat­ten.

Doch die­se Zei­ten sind vor­bei. Putin hat jedoch nicht ver­stan­den, dass es die Welt von damals nicht mehr gibt. Er wird immer noch vom Geist des Kal­ten Krie­ges beherrscht. Des­we­gen kann die demo­kra­ti­sche Welt­ge­mein­schaft es nicht zulas­sen, was Putin gera­de tut.

Als Putin 2001 im Deut­schen Bun­des­tag eine Rede hielt und den Kal­te Krieg für been­det erklär­te, haben alle geglaubt, Russ­land wür­de jetzt begin­nen sich der Welt zu öff­nen und mehr Demo­kra­tie zulas­sen. Doch er hat­te wohl eher gedacht, wei­ter­hin eine Poli­tik betrei­ben zu kön­nen, wie sie im 20. Jahr­hun­dert üblich war – nur unbe­hel­ligt von den west­li­chen Staa­ten.

Sei­ne Ankün­di­gun­gen von damals waren also eine Lüge mit der Absicht, Deutsch­land (und den ande­ren euro­päi­schen Län­der) eine fal­sche Rea­li­tät vor­zu­gau­keln.

Die Lösung:

Russ­land muss auf­hö­ren, eine Gefahr und Bedro­hung für sei­ne Nach­bar­län­der zu sein. Putin hat noch nicht ver­stan­den, dass es die Welt des 20. Jahr­hun­derts nicht mehr gibt. Am bes­ten wäre es, wenn er sofort sei­ne Sol­da­ten zurück­zieht und die soge­nann­te „mili­tä­ri­sche Spe­zi­al­ope­ra­ti­on“ für geschei­tert erklärt. Dann tritt er als Prä­si­dent zurück.

Das wäre natür­lich sein poli­ti­sches Ende, doch der Start für ein moder­nes und zukunfts­ori­en­tier­tes Russ­land. Und wenn ihm Russ­land am Her­zen läge, wür­de er sei­ne Kar­rie­re auch ger­ne dafür opfern. Anschlie­ßend soll­te Russ­lands neue Regie­rung diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen zum „Wes­ten“ anstre­ben und ver­su­chen, den ent­stan­den Scha­den zu repa­rie­ren.

Das wird höchst­wahr­schein­lich nicht pas­sie­ren – trotz­dem wür­de es funk­tio­nie­ren. Doch so wie es aus­sieht, inter­es­siert sich Putin nicht für Russ­land, son­dern nur für sich selbst.


Putins Poli­tik

Wenn sich Russ­land in Gestalt von Putin gede­mü­tigt oder unge­recht behan­delt fühlt (Richard David Precht hat es sinn­ge­mäß so gesagt), liegt das nicht an einer unge­rech­ten Behand­lung vom Wes­ten und der NATO. Russ­land hat sich durch sein aggres­si­ves Ver­hal­ten ledig­lich iso­liert und so gezeigt, kein Teil einer frei­en und offe­nen Welt sein zu wol­len.

Putin führ­te Krieg gegen Tsche­tsche­ni­en, Abcha­si­en, Süd­os­se­ti­en und Geor­gi­en, bedroht all­ge­mein sei­ne Nach­bar­staa­ten und lässt oppo­si­tio­nel­le Poli­ti­ker umbrin­gen, sowie ande­re unlieb­sa­me Per­son, bei­spiels­wei­se kri­ti­sche Jour­na­lis­ten. Außer­dem hilft er Syri­ens Dik­ta­tor Assad dabei, das syri­sche Volk zu bekämp­fen. All das macht er vor der Welt­öf­fent­lich­keit.

Dass Län­der wie Est­land, Lett­land und Litau­en der NATO bei­getre­ten sind, hat Putin durch sein Droh­ver­hal­ten gegen die­se Län­der selbst pro­vo­ziert. Hät­te sich Russ­land als freund­li­ches und fried­li­ches Nach­bar­land gezeigt, hät­ten die­se Län­der kei­nen Grund gehabt, der NATO bei­zu­tre­ten und es auch nie getan.

Ver­ständ­nis für Putins Aggres­si­vi­tät

Wie ist es mög­lich, dass Putins Sym­pa­thi­san­ten (die sich selbst als Demo­kra­ten bezeich­nen) Putin sein demo­kra­tie­feind­li­ches Ver­hal­ten nicht übel neh­men? Schließ­lich lässt er kei­ne Kri­mi­nel­len oder Ter­ro­ris­ten umbrin­gen oder weg­sper­ren. Und die Krie­ge, die er führt, sind kei­ne Ver­tei­di­gungs­krie­ge. Die Leu­te, die er umbrin­gen oder weg­sper­ren lässt, haben nur sei­ne Poli­tik kri­ti­siert und for­dern mehr Demo­kra­tie in Russ­land.

Dafür kann es nur einen Grund geben: Putins Sym­pa­thi­san­ten sind kei­ne all­ge­mei­nen Demo­kra­tie­freun­de – sie tun nur so. Men­schen, die im Leben nicht den Erfolg oder die Befrie­di­gung fin­den, die sie sich wün­schen, nei­gen lei­der ten­den­zi­ell dazu, ande­re dafür ver­ant­wort­lich zu machen.

Das Mär­chen von der Geg­ner­schaft zwi­schen Russ­land und dem Wes­ten

Putin ver­steht die NATO bzw. den Wes­ten als Gegen­spie­ler, aber das müss­te nicht sein. Russ­land hät­te die Mög­lich­keit, sich dem west­li­chen Stan­dard anzu­pas­sen, also auch ein offe­nes, demo­kra­ti­sches und frei­es Land zu wer­den. Aber das will Putin nicht bzw. die rus­si­schen sozi­al-poli­ti­schen Struk­tu­ren las­sen eine Demo­kra­ti­sie­rung nicht zu.

„Putin­ver­ste­her“ sym­pa­thi­sie­ren sich mit Putin, weil Russ­land angeb­lich von der west­li­chen Welt, der NATO, der UNO und der EU gede­mü­tigt, pro­vo­ziert und betro­gen wur­de. Doch das ist gelo­gen. Sie selbst mögen die­se Orga­ni­sa­tio­nen nicht. Dabei hat kei­ne davon etwas getan, das als demü­ti­gend oder pro­vo­zie­rend gewer­tet wer­den könn­te.

Der Wes­ten kri­ti­siert nur das impe­ria­lis­ti­sche und aggres­si­ve Vor­ge­hen Putins, da dies der heu­ti­gen Zeit nicht mehr ange­mes­sen ist.

Kein Inter­es­se an einem moder­nen Russ­land

War­um ist Putin nicht an einem moder­nen Russ­land inter­es­siert, das gleich­be­rech­tigt neben den ande­ren Staa­ten exis­tiert? Er könn­te es mög­lich machen. Wahr­schein­lich liegt es dar­an, dass die west­eu­ro­päi­schen Staa­ten offen und frei sind. Von Offen­heit und Frei­heit fühlt sich Putin jedoch bedroht, da bei­des sei­ne unein­ge­schränk­te Macht gefähr­den wür­de.

Mehr wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit mit dem Wes­ten war ihm will­kom­men, doch mehr Offen­heit und einen kul­ti­vier­te­ren Umgang mit Russ­lands Nach­bar­völ­kern und der eige­nen Bevöl­ke­rung lehnt er ab.


Putins Sym­pa­thi­san­ten

Die Leu­te, die Ver­ständ­nis für Putins Ver­hal­ten haben, lei­den alle mehr oder weni­ger unter fun­da­men­ta­lem Lebens­frust. Sie leben in einer offe­nen und frei­en Gesell­schaft, haben also alle Mög­lich­kei­ten, kön­nen die­se jedoch nicht nut­zen und sich nicht so ent­fal­ten, wie sie es ger­ne täten. Die­ses per­ma­nen­te unter­schwel­li­ge Gefühl der Unzu­frie­den­heit lässt sie ver­bit­tern.

Es kann über­all beob­ach­tet wer­den: Dort, wo Men­schen vom Ver­lauf ihres Lebens frus­triert und ent­täuscht sind, sym­pa­thi­sie­ren sie schnell mit Putin und ande­ren Auto­kra­ten. Das kann kein Zufall sein. Glei­ches gilt für Ver­schwö­rungs­gläu­bi­ge. Ich nen­ne die­ses Ver­hal­ten des­halb »Das Unzu­frie­den­heits­syn­drom«.

Anfäl­lig für Ver­schwö­rungs­theo­rien

Putins Sym­pa­thi­san­ten sind poli­tisch immer am lin­ken und rech­ten Rand ange­sie­delt. Die­se Beob­ach­tung ist inter­es­sant, denn eigent­lich soll­te man anneh­men, dass ent­we­der nur links­po­li­tisch oder nur rechts­po­li­tisch ambi­tio­nier­te Men­schen auf Putins Sei­te ste­hen könn­ten.

Des­halb scheint es die­sen Leu­ten gar nicht um Putins Poli­tik selbst zu gehen (die sie für gut oder unter­stüt­zens­wert hal­ten) son­dern um ihre Abnei­gung, ihre Oppo­si­ti­on gegen die west­li­che demo­kra­ti­sche, offe­ne und freie Welt.

Sie bekom­men nicht die Auf­merk­sam­keit, von der sie den­ken, dass sie ihnen zusteht und um die sie sich betro­gen füh­len. Obwohl die meis­ten Putin-Freun­de nicht an die gro­ßen Ver­schwö­run­gen glau­ben (bei­spiels­wei­se Mond­lan­dungs­lü­ge, Rep­ti­lo­ide, Erd­ku­gel­ver­schwö­rung, Deep Sta­te etc.), miss­trau­en sie doch stark den demo­kra­ti­schen und offe­nen Sys­te­men.


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