Sie bezeichnen es als Kriegspolitik, wenn man einem Land hilft, sich gegen einen Angriff zu wehren.
AfD, Linke, BSW und auch Kleinstparteien am linken und rechen Rand sagen: Damit keine Ukrainer und Russen mehr sterben müssen, währe es vernünftig, den Krieg zu beendet. Sie appellieren damit aber nicht an die Kriegspartei, die den Krieg begonnen hat und ohne die es diesen Krieg gar nicht geben würde, sondern fordern unausgesprochen das angegriffene Land auf, sich nicht mehr zu wehren. Das ist ihre Vorstellung von Frieden.
Inhalt
In Wirklichkeit geht es der AfD & Co. gar nicht darum, das Sterben in der Ukraine zu beenden. Der banale Grund für ihre Meinung: In diesem Konflikt repräsentiert die Ukraine die offene und frei Welt und Russland das Gegenteil! Und die westlich-europäische Welt, mit einer kapitalistischen Ellbogenwirtschaft und viel Offenheit und Freiheit mögen sie einfach nicht. Deshalb nehmen sie Partei für Putin, dem Gegenspieler zur offenen und freien Welt.
Russland nötigt seine Nachbarländer, der NATO beizutreten
Russland muss einfach nur seine Nachbarländer in Ruhe lassen. Dann würde keins davon der NATO beitreten wollen. Denn es ist nicht so, dass Putin vor dem Ukraine-Krieg eine friedliche und freundliche Beziehung zur Ukraine angestrebt hatte, diese dann aber ohne Grund NATO-Mitglied werden wollte und Russland dadurch zwang, die Ukraine anzugreifen.
Wäre es also nicht so, dass Russlands Nachbarländer seit Putins Machtergreifung Angst haben müssen, hätte keins dieser Länder einen Grund gehabt, die NATO um Mitgliedschaft zu bitten.
Putins Behauptung, die Ukraine angriffen zu haben, um die Ausbreitung der NATO im Osten zu verhindern, ist daher eine Lüge. Die NATO-Beitrittsgesuche Russlands Nachbarstaaten ist nur eine Reaktion auf das russische Expansionsbestreben.
Nicht die NATO will sich im Osten ausbreiten, sondern Russlands Nachbarländer haben einfach nur Angst vor Russland! Nur aus diesem Grund haben diese Länder die NATO um eine Mitgliedschaft gebeten: Sie wollen einfach nicht überfallen werden! Und wie Georgien wollen sie kein Vasallenstaat Russlands sein (wie Belarus es bereits ist). Kann man ihnen das etwa verübeln?
Russland wurde durch nichts provoziert, die Ukraine anzugreifen. Alles, was eine Provokation für Putin sein könnte, wäre das ukrainische Streben nach Eigenständigkeit, mehr Demokratie und weniger Korruption, denn das kann Putin nicht zulassen, da es seinen Einflussbereich schmälert.
Putins verzerrtes Verständnis von Gleichberechtigung
Russland will gleichberechtig sein, behält sich aber das Recht vor, nach Belieben seine Nachbarländer angreifen zu dürfen.
Putin hat im Jahr 2000 gesagt: „Wir glauben, dass wir über eine tiefere Integration mit der NATO sprechen können, aber nur, wenn Russland als gleichberechtigter Partner angesehen wird“. Und die westliche Welt wollte Russland auch als gleichberechtigten Partner ansehen! Doch Putin hat durch seine Kriege, Aggressionen und seinen undemokratischen und kriminellen Umgang mit der Opposition gezeigt, eben kein gleichberechtigter Partner sein zu wollen, denn gleichberechtigte Partner haben keine Sonderrechte.
Russland will gleichberechtigt sein, behält sich aber das Recht vor, seine Nachbarländer als sein Einflussbereich zu verstehen und auch militärisch gegen diese vorgehen zu dürfen (keins der NATO-Mitgliedsländer besitzt ein solches Recht und will es auch nicht haben). Putin erwartet, dass der Westen darüber hinwegsieht und ist jetzt verärgert, weil man es ihm nicht durchgehen lässt.
Putins paranoide Angst vor dem Westen
Warum darf die Ukraine nicht mit anderen Ländern militärisch zusammenarbeiten? Russland darf das doch auch! Warum darf die Ukraine kein Mitglied in der NATO sein? Und warum will Putin nicht, dass Russland in der EU Mitglied ist, denn ein Teil von Russland gehört zu Europa?
Es geht Russland doch gar nichts an, was ein Nachbarland macht und Russlands Nachbarländer geht es nichts an, was Russland macht. Wenn Putin denkt, das Recht zu haben, andern Ländern Vorschriften machen zu dürfen, hat er nicht verstanden, dass es das 20. Jahrhundert nicht mehr gibt.
Weder die NATO noch die Ukraine noch sonst ein anderes Land hat vor, Russland anzugreifen oder diesem Land sonst wie schaden zu wollen. Sollte Putin das tatsächlich nicht wissen, ist er ein echter Idiot.
Nicht der Westen hat etwas gegen Russland, sondern der Westen vertritt Werte, die sich mit Putins autoritärem Herrschaftsanspruch nicht vertragen. Putin verhält sich sozusagen anachronistisch, denn das imperialistische Zeitalter ist in Europa seit ein paar Jahrzehnten vorbei. Dort löst man inzwischen Konflikte und Probleme auf eine zivilisierte Art. Das hat Putin nicht verstanden.
Die Argumente
Gefahr eines Atomkrieges
Putin-Sympathisanten sagen, weil Russland eine Atommacht ist und man keinen Atomkrieg riskieren darf, sollte die Ukraine besser aufgeben. Doch dieses Argument ist konstruiert. Denn wir können davon ausgehen, dass sie das nicht sagen würden, wären die USA der Aggressor in einem solchen Konflikt.
Würden beispielsweise die USA Mexiko überfallen und diesem Land das Existenzrecht absprechen, würden sie nicht sagen, Mexiko solle aufgeben, um keinen Atomkrieg zu riskieren.
Natürlich ist das spekulativ, es ist aber auch bekannt, Wagenknecht, Weidel, Lafontaine und andere Russlandfreunde lehnen die USA in dem Maße ab, wie sie Russland, den Hauptgegner der offenen und freien Welt, mögen. Deswegen ist die Vermutung nicht abwegig, sie würden in einem solchen Fall sagen: „Das darf man den USA nicht durchgehen lassen. Deshalb müssen wir Mexiko dauerhaft unterstützen, selbst wenn wir damit einen Atomkrieg riskieren.“
Anmerkung: Doch das hat sich, nachdem Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt wurde, evtl. geändert. Denn viele Putin-Sympathisanten sind auch Trump-Sympathisanten und befürworten deshalb alles, was dieser Mann tut.
Der Westen als Kriegstreiber
Sie sind gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, aber nicht gegen Waffenlieferungen an Russland.
Putin- und Russland-Sympathisanten sagen natürlich nicht, die Waffenlieferungen an Russland sind gerecht und sollten deshalb weitergehen. Sie sprechen sich aber nicht dagegen aus, so wie sie sich gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen.
Die Länder, die die Ukraine zur Verteidigung mit Waffenlieferungen unterstützen, werden von Sahra Wagenknecht, Alice Weidel und anderen Putin-Sympathisanten als Kriegstreiber bezeichnet. Doch es ist zynisch, jemanden, der einem Angegriffenen hilft, sich zu wehren, als Kriegstreiber zu bezeichnen.
Kriegstreiber kann stets nur der sein, der den Krieg macht, ihn also begonnen hat und aufrecht hält. Und ich bin sicher, Wagenknecht und Weidel wissen das auch. Doch wenn Russland ein Land überfällt, gilt diese Regel für sie nicht. Außerdem:
Warum bezeichnen sie nicht auch China, Nordkorea und den Iran als Kriegstreiber? Denn diese Länder liefern Waffen und Kriegstechnik an Russland, die es Putin erst möglich machen, diesen Krieg so lange führen zu können. Ohne diese Unterstützung wäre er vielleicht schon beendet.
Vertrauensbruch der NATO
Die NATO hat niemals gesagt: „Sollte Russland seine Nachbarländer angreifen oder bedrohen, sodass diese dann bei uns um Schutz in Form einer Mitgliedschaft anfragen, werden wir wegschauen und sagen, das geht uns nichts an.“ Putin und seine Sympathisanten tun aber so, als hätte sie das oder etwas Sinngemäßes gesagt. Doch die NATO hat nur gesagt, sich nicht aus expansionistischen Gründen im Osten auszuweiten – und das hat sie auch nicht getan und hat es auch nicht vor.
Durch seinen Angriff auf die Ukraine hat Putin die Ukraine, Schweden und Finnland genötigt oder auch gezwungen, die NATO um einen Beitritt zu bitten. Wie gesagt: Diese Länder haben einfach nur Angst vor Russland. Das ist der einzige Grund für ihr Mitgliedsgesuche bei der NATO.
Deshalb könnte man beinahe denken, Putin hätte bewusst seine Nachbarländer provoziert, damit diese bei der NATO um Mitgliedschaft anfragen und er ihr dann Wortbruch vorwerfen kann.
Friedensappelle der Russlandfreunde
Sie sind dagegen, einem Land zu helfen, sich zu verteidigen, wenn es von Russland angegriffen wird. Hilfe zu Verteidigung bezeichnen sie (in diesem Fall?) als Kriegspolitik.
Auf dem Wahlplakat der Partei „Die Basis“ stand: „Wie viele Tote braucht der Frieden?“ Dieser Spruch suggeriert, es wäre besser, die Ukraine kapituliert, damit niemand mehr sterben muss.
Auch Sahra Wagenknecht argumentiert so. Ebenfalls Eugen Drewermann, der früher einmal als fortschrittlicher Theologe galt, jetzt aber nur noch verbittert ist, an weltweite Verschwörungen glaubt (wie beispielsweise die Corona-Lüge und den Great Reset) und Verständnis für pädophile Kleriker hat. Er macht den „Westen“ und die NATO für den Ukraine-Krieg verantwortlich. Oskar Lafontaine meint sogar, die USA hätten diesen Krieg schon vor Jahrzehnten geplant.
Des Weiteren Margot Käßmann, die von ihrem Karriere-Knick wohl doch mehr frustriert ist, als sie es in der Öffentlichkeit zeigen kann, Alice Schwarzer, die nicht die Aufmerksamkeit bekommt, von der sie denkt, sie würde ihr zusteht, Reichsbürger und natürlich auch viele AfD‑, Links-Partei- und BSW-Wähler.
Sie reden von Frieden, doch ginge es ihnen tatsächlich darum, würden sie Putin mit Tausenden Briefen überschütten, und ihn auffordern, seinen Angriff auf die Ukraine einzustellen. Stattdessen sind sie dagegen, dass der Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf geholfen wird.
Wagenknecht sagt: Beide Kriegsparteien müssen den Krieg beenden, damit Frieden herrscht. Doch in Wirklichkeit muss das nur eine Partei tun: die, die den Krieg begonnen hat!
Würde Putin den Krieg beendet (also die Kampfhandlungen einstellen und seine Soldaten abziehen), müsste die Ukraine auf der Stelle keine Angriffe mehr abwehren. Der Krieg wäre sofort vorbei. Doch würde die Ukraine aufhören, sich gegen Russlands Angriffe zu wehren, würde der Krieg trotzdem weitergehen. Oder denkt Wagenknecht etwa, Putin würde seine Truppen zurückziehen, nur weil die Ukraine aufhört, sich zu wehren? Hä?
Nur keine toten Russen mehr
Würde die Ukraine kapitulieren, würden das mit Sicherheit nicht bedeuten, dass niemand mehr stirbt: Es würden nur keine Russen mehr sterben – das ist alles! Der Krieg ginge inoffiziell weiter, denn die russischen Soldaten hätten selbstverständlich das starke Bedürfnis, sich an den Ukrainern für ihren massiven Widerstand zu rächen, durch den viele russische Soldaten zu Tode kamen.
Und es ist bekannt, dass in der russischen Armee ein extrem raues und hartes Klima herrscht. Als russischer Soldat hat man es nicht leicht. Die Gewalt, die im Inneren der russischen Arme herrscht, findet natürlich auch im Verhalten der Soldaten gegenüber der ukrainischen Zivilbevölkerung ihren Ausdruck.
Würde die Ukraine also kapitulieren, würden das den Tod vieler ukrainischer Zivilisten bedeuten. Man würde foltern und Frauen vergewaltigen. Das haben die russischen Soldaten bereits seit Beginn ihres Überfalls getan und es gibt keinen Grund zu glauben, sie würden damit aufhören, nur weil die Ukraine sich ergibt. Möglicherweise würde dieses Verhalten zunächst noch zunehmen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die oben genannten Personen und Gruppierungen das nicht wissen.
Zynismus und Lebensfrust
Wenn also gefordert wird, die Ukraine sollte sich besser ergeben, damit niemand mehr stirbt, ist das reine Rhetorik und hat auch etwas Zynisches an sich. Es geht diesen Leuten gar nicht um Frieden. Ihr Lebensfrust und ihre Affinität für den Autoritarismus, dessen Aushängeschild Putin ist, sind es, die sie so denken und reden lassen.
Wagenknecht spricht es zwar nicht aus, doch zwischen ihren gesprochenen Zeilen merkt man, sie denkt Sachen wie: „So schlimm ist es doch gar nicht, wenn man von Russland überfallen wird. Warum erkennen die Leute das denn nicht?“
Bei den Putin-Sympathisanten handelt es sich überwiegend um Menschen, die vom Verlauf ihres Lebens aus unterschiedlichen Gründen stark frustriert und enttäuscht sind. Diesen Lebensfrust kompensieren und sublimieren sie, indem sie äußere Feinde finden und die offene und freie Gesellschaftsform ablehnen.
Als verbitterte und autoritär denkende Menschen fällt es ihnen schwer, sich in Krisenzeiten kreativ und lebendig für die Gesellschaft einzusetzen. Hierfür fehlt ihnen die geistige Beweglichkeit. Mit ihrer Sympathie für das autoritäre Regierungsprinzip zeigen sie, von den Herausforderungen und Ansprüchen des 21. Jahrhunderts mental und intellektuell überfordert zu sein.
Neonazis in der Ukraine
Putin behauptet, die Ukraine auch deshalb angegriffen zu haben, weil dort angeblich Neonazis das Land regieren und die Bevölkerung misshandeln. Nazis sind Faschisten und Faschismus ist eine Gewaltherrschaft, der kommunistischen Gewaltherrschaft ähnlich. Nur in den Ideologien unterscheiden sich diese autoritären Staatsformen voneinander – nicht im Charakter.
Als 1939 Nazi-Deutschland die UdSSR überfiel, war es deshalb nicht so, dass zwei unverträgliche politische Systeme aneinandergerieten (so wie Demokratie und Diktatur). Kommunisten und Faschisten benutzen zum Machterhalt das gleiche Herrschaftsinstrument: Gewalt gegen die eigene Bevölkerung und es wird auch sehr viel gelogen, betrogen und manipuliert. Hitler-Deutschland und die UdSSR waren deshalb keine Gegner im eigentlichen Sinn, sondern nur Konkurrenten um die Vorherrschaft.
Heutzutage sind Faschismus und Kommunismus bzw. unterschiedliche Formen der Autokratie keine Konkurrenten mehr, sondern eher potenziell Verbündete. Man erkennt das auch gut daran, dass Linksextremisten und Rechtsextremisten heute gemeinsam an Demonstrationen teilnehmen, obwohl sie ideologisch eigentlich diametral miteinander verfeindet sind.
Beide haben die gleichen Interessen und Ambitionen (die Herrschaft über das Volk mittels Gewalt), die sie lediglich auf unterschiedliche Arten, mit unterschiedlichen Ideologien rechtfertigen und realisieren.
Neonazis in Russland
Putin begründet unter anderem seinen Krieg gegen die Ukraine mit der Tatsache, dass es dort Neonazis gibt. Doch in fast allen Ländern der Erde gibt es heutzutage Neonazis. Selbst in Israel gibt es inzwischen jüdische Neonazis!
Ginge es ihm also um die Bekämpfung von Neonazis, hätte er selbstverständlich erst die im eigenen Land bekämpft. Denn auch dort gibt es heute welche, wahrscheinlich sogar mehr als in der Ukraine. Gegen diese hat Putin jedoch nichts. Sind russische Neonazis denn etwas Gutes (etwa weil sie Putin nützlich sein können)?
Keine Lust, Teil einer demokratischen, offenen und freien Welt zu sein
Putin meint, im 21. Jahrhundert in Europa einen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland führen zu dürfen, so als hätte sich die Welt seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts nicht verändert. Doch diese Welt gibt es schon längst nicht mehr.
Russland in Gestalt von Putin will nicht wahrhaben, dass es die Welt und damit den Geist des mittleren 20. Jahrhunderts, das ihn mental geprägt hat, nicht mehr gibt. Er denkt, er hätte das traditionale Recht, seine Nachbarländer als Russlands Einflussbereich zu verstehen und nach belieben über sie verfügen zu können. Dass man ihm dieses Recht nicht zugesteht, verübelt er der westlichen Welt.
Von 50 Jahren hätte die Weltgemeinschaft Russland den Überfall auf ein europäisches Nachbarland wahrscheinlich noch durchgehen lassen. Doch wir leben heute in einer anderen Welt, in der ein solches imperialistisches Verhalten in Europa nicht mehr geduldet werden kann. Wäre Putin ein Mensch des 21. Jahrhunderts, wüsste er das.
Russland muss aufhören, eine Bedrohung für seine Nachbarländer zu sein
Die europäische Welt im 21. Jahrhundert kann keine mehr sein, in der sich ein Land einfach ein Nachbarland einverleibt. Das war vor 100 Jahren vielleicht noch üblich und wurde von anderen Ländern toleriert, solange diese selbst darunter nicht zu leiden hatten.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Putin hat jedoch nicht verstanden, dass es die Welt von damals nicht mehr gibt. Er wird immer noch vom Geist des Kalten Krieges beherrscht. Deswegen kann die demokratische Weltgemeinschaft es nicht zulassen, was er gerade tut.
Als Putin 2001 im Deutschen Bundestag eine Rede hielt und den Kalte Krieg für beendet erklärte, haben alle gedacht, Russland würde sich jetzt der Welt zu öffnen und mehr Demokratie zulassen. Doch er hatte wohl eher gedacht, weiterhin eine Politik betreiben zu können, wie sie im 20. Jahrhundert üblich war – nur unbehelligt von den westlichen Staaten.
Seine Ankündigungen von damals waren also eine Lüge mit der Absicht, Deutschland (und den anderen europäischen Ländern) eine falsche Realität vorzugaukeln.
Die Lösung:
Russland muss aufhören, eine Gefahr und Bedrohung für seine Nachbarländer zu sein. Am besten wäre es, wenn er sofort seine Soldaten abzieht und die sogenannte „militärische Spezialoperation“ für gescheitert erklärt. Anschließend tritt er als Präsident zurück.
Das wäre natürlich sein politisches Ende, doch es könnte der Start für ein modernes und zukunftsorientiertes Russland sein. Und wenn ihm Russland am Herzen läge, würde er seine Karriere auch gerne dafür opfern. Anschließend sollte Russlands neue Regierung diplomatische Beziehungen zum „Westen“ anstreben und versuchen, den entstanden Schaden zu reparieren.
Das wird höchstwahrscheinlich nicht passieren – trotzdem würde es funktionieren. Doch so wie es aussieht, interessiert sich Putin nicht für Russland, sondern nur für sich selbst.
Putins Politik
Wenn sich Russland in Gestalt von Putin gedemütigt oder ungerecht behandelt fühlt (Richard David Precht hat es sinngemäß so gesagt), liegt das nicht an einer ungerechten Behandlung vom Westen und der NATO. Russland hat sich durch sein aggressives Verhalten lediglich isoliert und so gezeigt, kein Teil einer freien und offenen Welt sein zu wollen.
Putin führte Krieg gegen Tschetschenien, Abchasien, Südossetien und Georgien, bedroht allgemein seine Nachbarstaaten und lässt oppositionelle Politiker umbringen, sowie andere unliebsame Person, beispielsweise kritische Journalisten. Außerdem half er Syriens Diktator Assad dabei, das syrische Volk zu bekämpfen. All das macht und machte er vor der Weltöffentlichkeit.
1999 verübten FSB-Agenten in seinem Auftrag mehrere Sprengstoffanschläge auf russische Wohnhäuser. Den letzten konnte man nicht beenden, da man dabei erwischen wurde – wodurch das ganze aufflog. Durch diese Anschläge starben fast 400 Russen. Putin machte tschetschenische Separatisten dafür verantwortlich, um einen Grund für einen Angriff auf Tschetschenien zu haben. Genauso wie Stalin sind also auch ihm die russischen Bürger egal.
Dass Länder wie Estland, Lettland und Litauen der NATO beigetreten sind, hat Putin durch sein Drohverhalten gegen diese Länder selbst verschuldet. Hätte sich Russland als freundlicher und friedlicher Nachbar gezeigt, hätten diese Länder keinen Grund gehabt, der NATO beizutreten und es auch nicht getan.
Verständnis für Putins Aggressivität
Wie ist es möglich, dass Putins Sympathisanten (die sich selbst als Demokraten bezeichnen) Putin sein demokratie- und friedensfeindliches Verhalten nicht übel nehmen? Schließlich lässt er keine Kriminellen oder Terroristen umbringen oder wegsperren. Und die Kriege, die er führt, sind keine Verteidigungskriege. Die Leute, die er umbringen oder wegsperren lässt, haben nur seine Politik kritisiert und fordern mehr Demokratie in Russland.
Dafür kann es nur einen Grund geben: Putins Sympathisanten sind gar keine richtigen Demokraten – sie tun nur so! Menschen, die im Leben nicht den Erfolg oder die Befriedigung finden, die sie sich wünschen, neigen leider tendenziell dazu, andere dafür verantwortlich zu machen.
Das Märchen von der Gegnerschaft zwischen Russland und dem Westen
Putin versteht die NATO bzw. den Westen als Gegenspieler, aber das müsste nicht sein. Russland hätte die Möglichkeit, sich dem westlichen Standard anzupassen und auch ein offenes, demokratisches und freies Land zu werden. Aber das will Putin nicht bzw. die russischen sozial-politischen Strukturen lassen eine Demokratisierung nicht zu.
„Putinversteher“ solidarisieren sich mit ihm, weil Russland angeblich von der westlichen Welt, der NATO, der UNO und der EU gedemütigt, provoziert und betrogen wurde. Doch das ist nicht wahr. Sie mögen diese Organisationen einfach nicht – das ist alles. In Wirklichkeit hat keine dieser Organisationen etwas getan, das als demütigend oder provozierend gewertet werden könnte.
Kein Interesse an einem modernen Russland
Warum ist Putin nicht an einem modernen Russland interessiert, das gleichberechtigt neben den anderen Staaten existiert? Er könnte es möglich machen. Wahrscheinlich liegt es an dem freiheitlichen und offenen Charakter der westeuropäischen Staaten. Und von Offenheit und Freiheit fühlt sich Putin bedroht, denn beides gefährdet seine uneingeschränkte Macht.
Mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen war ihm willkommen, doch mehr Offenheit und einen kultivierteren Umgang mit Russlands Nachbarvölkern und der eigenen Bevölkerung lehnt er ab.
Putins Sympathisanten
Die Leute, die Verständnis für Putins Verhalten haben, leiden alle mehr oder weniger unter fundamentalem Lebensfrust. Sie leben in einer offenen und freien Gesellschaft, haben also alle Möglichkeiten, können diese jedoch nicht nutzen und sich nicht so entfalten, wie sie es gerne täten. Dieses permanente unterschwellige Gefühl der Unzufriedenheit lässt sie verbittern.
Es kann überall beobachtet werden: Dort, wo Menschen vom Verlauf ihres Lebens frustriert und enttäuscht sind, sympathisieren sie schnell mit Putin, Trump und anderen Autokraten. Das kann kein Zufall sein. Gleiches gilt für Verschwörungsgläubige. Ich nenne dieses Verhalten deshalb »Das Unzufriedenheitssyndrom«.
Anfällig für Verschwörungstheorien
Putins Sympathisanten sind politisch immer am linken und rechten Rand angesiedelt. Diese Beobachtung ist interessant, denn eigentlich sollte man annehmen, dass entweder nur linkspolitisch oder rechtspolitisch ambitionierte Menschen auf Putins Seite stehen können.
Deshalb scheint es diesen Leuten gar nicht um Putins Politik selbst zu gehen. Sie mögen einfach die Demokratie und die moderne, offene Gesellschaft nicht. Und deswegen sind sie auf Putins Seite, denn der lehnt die offene und freie Gesellschaft ebenfalls ab.