Destruk­ti­vi­tät


Die zerfallene Ruine einer U-Bahnstation.

Kaputt machen ist ein­fach

Um ein Haus zu bau­en, braucht man viel Geld, Zeit und das nöti­ge hand­werk­li­che Kön­nen. Um es nie­der­zu­bren­nen, ein Feu­er­zeug, ein paar Liter Ben­zin und fünf Minu­ten Zeit.

Einen Men­schen zur Welt zu brin­gen, ist noch viel auf­wen­di­ger, als ein Haus zu bau­en. Bis ein Kind eigen­stän­dig lebens­fä­hig ist und eigen­ver­ant­wort­lich sein Leben gestal­ten kann, ver­ge­hen etwa 18 Jah­re, in denen die Eltern ihren Nach­wuchs in jeder nöti­gen Hin­sicht unter­stüt­zen und för­dern, also sehr viel Ener­gie inves­tie­ren. Zer­stö­ren kann man die­ses Leben in einer ein­zi­gen Sekun­de.

Die Kunst der Unbe­gab­ten

Destruk­ti­vi­tät, also Zer­stö­rung ganz all­ge­mein, ist die bil­ligs­te und unkrea­tivs­te Art des Han­delns. Sie setzt in den meis­ten Fäl­len kei­ne beson­de­ren Fähig­kei­ten vor­aus.

Din­ge, die mit viel Auf­wand, Zeit, Ener­gie und Wis­sen ent­stan­den sind, kön­nen in einem ein­zi­gen Moment zunich­te­ge­macht wer­den. Des­we­gen ist Destruk­ti­vi­tät die Kunst der Unkrea­ti­ven und Unbe­gab­ten.

Wer den Wunsch ver­spürt, beson­ders viel Auf­merk­sam­keit zu erhal­ten, jedoch kein krea­ti­ver, fan­ta­sie­vol­ler und aus­dau­ern­der Mensch ist, um etwas Bedeu­ten­des erschaf­fen zu kön­nen, kann auch mit einer destruk­ti­ven Hand­lung auf sich auf­merk­sam machen. Man muss nur etwas zer­stö­ren, das ande­ren lieb und teu­er ist, und schon hat man jede Men­ge Auf­merk­sam­keit.

Den Mör­der von John Len­non kennt heu­te die gan­ze Welt, sei­ne Tat hat ihn in die Geschichts­bü­cher gebracht. Viel hat er dafür aber nicht tun müs­sen. Auch wenn er für den Rest sei­nes Lebens im Gefäng­nis sitzt: Er ist etwas Beson­de­res, und die­se expo­nier­te Stel­lung kann ihm nie­mand mehr neh­men.

Sabo­ta­ge und Behin­de­rung des sozia­len Zusam­men­le­bens

Unter Destruk­ti­vi­tät kann alles ver­stan­den wer­den, was in irgend­ei­ner Form nega­tiv auf die Men­schen und Gesell­schaf­ten ein­wirkt. Wenn etwas dem Zusam­men­le­ben und Frie­den der Men­schen in den Gesell­schaf­ten scha­det, ist es destruk­tiv. In ers­ter Linie aggres­si­ve Gewalt, also Kör­per­ver­let­zung und Mord, aber auch Dieb­stahl, Ein­bruch, Kor­rup­ti­on oder Betrug.

Zu den destruk­ti­ven Ver­hal­tens­wei­sen zäh­len kei­ne Baga­tell­fäl­le, wie bei­spiels­wei­se Falsch­par­ken, Laden­dieb­stahl, Schwarz­fah­ren, Ehe­bruch oder das Lügen. Selbst der Sui­zid nicht (denn man eher als aso­zia­len Akt bezeich­nen kann), denn irgend­wo muss eine Gren­ze zwi­schen unkor­rek­tem und destruk­ti­vem Ver­hal­ten gezo­gen wer­den. Das destruk­ti­ve Ver­hal­ten hat nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung, das unkor­rek­te behin­dert sie in schlim­men Fäl­len nur.

Per­sön­li­che Destruk­ti­vi­tät

Es muss auch zwi­schen pri­va­ter und öffent­li­cher Destruk­ti­vi­tät unter­schie­den wer­den. Ver­hält sich eine Per­son gegen­über ihren eige­nen Inter­es­sen gleich­gül­tig, ist das zwar scha­de, aber trotz­dem legi­tim.

Jemand, der sich unge­sund ernährt, zu viel raucht, zu viel Dro­gen kon­su­miert, sein Geld ver­schwen­det oder sich sonst irgend­wie selbst scha­det, hat auch das Recht dazu. Ver­bie­tet man einem Men­schen, sich unver­nünf­tig zu ver­hal­ten, geht das über die Für­sor­ge­pflicht des Staa­tes hin­aus. Aber auch die­se Ein­schrän­kung besitzt Gren­zen.

Wer bei­spiels­wei­se für ein Kind sor­gen muss, hat nicht das Recht, sein eige­nes Leben ver­wahr­lo­sen zu las­sen. Er muss in der Lage sein, dem Kind ein funk­tio­nie­ren­des Eltern­haus zu bie­ten, denn dar­auf hat es ein Recht. Gefähr­det oder beein­träch­tigt jemand durch sei­ne Gleich­gül­tig­keit gegen­über dem eige­nen Leben das Leben ande­rer, darf ihm das nicht erlaubt sein.

Die Frei­heit zur per­sön­li­chen Destruk­ti­vi­tät des Ein­zel­nen endet dort, wo das Leben ande­rer beein­träch­tigt wird. Nie­mand hat das Recht, sein eige­nes Unglück auf ande­re zu über­tra­gen.


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